Moskau Russische Behörden: Wagner-Chef Prigoschin Passagier in abgestürztem Flugzeug

In diesem Video aus dem Telegram-Kanal "Razgruzka Vagnera" spricht Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnergruppe Wagner, in Tarnkleidung und mit Gewehr in der Hand
In diesem Video aus dem Telegram-Kanal "Razgruzka Vagnera" spricht Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnergruppe Wagner, in Tarnkleidung und mit Gewehr in der Hand
© Uncredited / Razgruzka_Vagnera telegram channel / DPA
Im Norden von Moskau ist ein Flugzeug abgestürzt. Wagner-Chef Prigoschin war laut russischen Behörden an Bord.

Der russische Söldnerführer Jewgeni Prigoschin soll zwei Monate nach seiner rätselhaften Meuterei beim Absturz eines Flugzeugs in Russland ums Leben gekommen ein. Sein Name stehe auf der Passagierliste, teilte die Luftfahrtbehörde Rosawiazija am Mittwoch mit.

Die Maschine vom Typ Embraer Legacy sollte von Moskau nach St. Petersburg fliegen, wo Prigoschins Firmen ihren Sitz haben. Sie stürzte demnach im Gebiet Twer bei dem Ort Kuschenkino mehr als 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernt ab. An Bord der Maschine seien "zehn Personen" gewesen, darunter drei Besatzungsmitglieder, so das russische Ministerium für Notfallsituationen im Onlinedienst Telegram. Insgesamt standen die Namen von sieben Passagieren, unter ihnen auch Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin, und drei Besatzungsmitgliedern auf der am Mittwoch von der Luftfahrtbehörde veröffentlichten Liste.

"Nach ersten Informationen sind alle Personen an Bord gestorben", hieß es weiter. Derzeit würden Suchaktionen ausgeführt. Einem von der Nachrichtenagentur Ria Nowosti zitierten Leiter der Rettungsdienste zufolge wurden an der Absturzstelle bis zum Abend zunächst acht Leichen gefunden.

Auf mehreren angeblich mit der Wagner-Gruppe in Verbindung stehenden Telegram-Kanälen wurden Videos verbreitet, deren Echtheit die Nachrichtenagentur AFP zunächst nicht verifizieren konnte. Sie zeigten brennende Trümmer auf einem Feld oder ein vom Himmel fallendes Flugzeug.

Kreml-Chef Putin äußerte sich zunächst nicht zu dem Flugzeugabsturz. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Besuch im Südwesten Russlands an der Grenze zur Ukraine auf, um an den 80. Jahrestag der Schlacht von Kursk während des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. Ohne den Absturz zu erwähnen, pries Putin auf einer Bühne die russischen Soldaten in der Ukraine, die "mit Mut und Entschlossenheit" kämpften.

Prigoschin-Medium berichtet von Abschuss

Nach dem Absturz verbreitetet Prigoschins Internetmedium die Version eines gezielten Abschusses. Die Maschine sei über dem Gebiet Twer von der Flugabwehr abgeschossen worden, hieß es auf dem Telegram-Kanal Grey Zone. Priogoschin nutzte ihn üblicherweise, um seine Videos zu verbreiten. Überprüfbar war die Behauptung eines Abschusses nicht.

Wagner-Chef: Video soll Absturz von Prigoschin-Flugzeug zeigen
Video soll Absturz von Prigoschin-Flugzeug zeigen

Grey Zone schrieb, es seien zwei Flugzeuge der Privatarmee Wagner in der Luft gewesen. Das zweite habe auf dem Flug nach St. Petersburg kehrt gemacht und sei im Flughafen Ostafjewo südlich von Moskau gelandet. Grey Zone zog die Behördenversion in Zweifel, wonach Prigoschin auf der Passagierliste der ersten Maschine gestanden habe und getötet worden sei. "Wo Jewgeni Prigoschin letztlich war, dazu gibt es im Moment keine genauen Informationen", hieß es.

US-Präsident Biden "nicht überrascht"

US-Präsident Joe Biden hat sich "nicht überrascht" vom möglichen Tod des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz in Russland gezeigt. "Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich bin nicht überrascht", sagte Biden am Mittwoch in der kalifornischen Stadt South Lake Tahoe, wo er sich derzeit mit seiner Familie aufhält. Biden fügte hinzu, er habe kürzlich mit Blick auf den russischen Söldnerchef gesagt, dieser müsse "vorsichtig" sein.

Auf die Frage, ob der russische Präsident Wladimir Putin hinter dem Flugzeugabsturz stehe, sagte Biden: "In Russland passiert nicht viel, hinter dem Putin nicht steht. Aber ich weiß nicht genug, um die Antwort zu kennen."

Der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak erklärte derweil in Onlinenetzwerken, der Flugzeugabsturz sei "ein Signal Putins an die russischen Eliten" vor der Präsidentschaftswahl 2024. Es bedeute "Vorsicht! Illoyalität bedeutet Tod".

Jewgeni Prigoschin und der Putsch der Wagner-Truppe

Prigoschin, 62, hatte auf den Tag genau vor zwei Monaten mit seiner Privatarmee Wagner gegen die russische Führung gemeutert, wobei die Hintergründe dieser Ereignisse bis heute unklar sind. Prigoschin hatte lange als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putins gegolten, der ihn dann allerdings einen Verräter nannte.

Bei dem gegen den russischen Generalstab und Verteidigungsminister Sergej Schoigu gerichteten kurzzeitigen Aufstand inmitten des Ukraine-Konflikts besetzten Prigoschins Söldner am 23. Juni militärische Einrichtungen im Süden Russlands und marschierten anschließend in Richtung Moskau. Die Wagner-Gruppe hatte bis dahin eine große Rolle für die russische Offensive in der Ukraine gespielt. Die Meuterei endete damit, dass Prigoschin und Tausende seiner Bewaffneten nach Belarus gehen konnten.

Söldner-Truppe mit inoffiziellen Einsätzen in Afrika

Die von ihm aufgebaute Söldnertruppe hatte für Russland erst inoffizielle Spezialaufträge in Syrien, später auch in mehreren Staaten Afrikas erfüllt. Im Angriffskrieg auf die Ukraine warb Prigoschin Häftlinge aus russischen Gefängnissen an. Die Truppe erlitt schwere Verluste in den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut. Priogoschin warf der regulären Militärführung Unfähigkeit und Korruption vor.

Priogschin hatte selbst im Gefängnis gesessen und später Karriere als Hoflieferant für den Kreml gemacht, daher rührt sein Beiname "Putins Koch". Er soll auch der Geschäftsmann hinter den Trollfabriken in St. Petersburg gewesen sein, die über soziale Netzwerke Einfluss auf westliche Länder zu nehmen versuchten.

Hinweis: Dieser Text wird laufend aktualisiert.

DPA · AFP
tkr