Ukraine Staatskrise ist vorerst beigelegt

Das ukrainische Parlament hat eine Gesetzesvorlage verabschiedet, mit der die Forderungen beider Konfliktparteien abgedeckt werden. Unterdessen bestätigte Juschtschenkos Arzt einen Giftanschlag auf den Oppositionspolitiker.

Die schwere Staatskrise in der Ukraine ist offensichtlich beigelegt. Präsident Leonid Kutschma unterzeichnete im Parlamentssaal von Kiew ein zuvor verabschiedetes Gesetzespaket, mit dem die Forderungen aller Seiten erfüllt werden. Das Paket umfasst Änderungen im Wahlgesetz und eine Verfassungsreform. Damit können sich alle Beteiligten auf die Wiederholung der Präsidentenstichwahl am 26. Dezember konzentrieren.

Für die Einigung stimmten 402 der insgesamt 450 Abgeordneten. Die Opposition war bei der Abstimmung gespalten. Die Fraktion von Oppositionsführer Viktor Juschtschenko stimmte dafür. Die Partei der zweitwichtigsten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko verweigerte ihre Zustimmung.

Opposition in der Zustimmung gespalten

Die Opposition hatte sich bisher gegen die Verfassungsreform gesträubt, da mit ihr die Befugnisse des Präsidenten drastisch eingeschränkt werden. Die Opposition rechnet mit einem Sieg Juschtschenkos und vor allem der Timoschenko-Flügel befürchtet, dass er mit eingeschränkten Befugnissen nicht handlungsfähig sein wird. Juschtschenko hatte aber einem wichtigen Verbündeten, dem Sozialisten Alexander Moros, die Zustimmung zur Verfassungsreform zugesagt.

Die Parteien konzentrieren sich jetzt auf die kommende Wahl

Kutschma hatte am Vortag Regierungschef Viktor Janukowitsch beurlaubt. Offiziell hieß es, Janukowitsch habe darum gebeten, um mehr Zeit für seinen Wahlkampf gegen Juschtschenko zu haben. Die Opposition hatte bisher einen Rücktritt der Regierung gefordert.

Mit den von der Opposition geforderten Änderungen im Wahlgesetzt sollen faire Wahlen sichergestellt werden. Unter anderem wird die Kontrolle bei der Stimmabgabe zu Hause und nicht am ständigen Wohnort verschärft. Bei diesen Abstimmungsmethoden hatte es bei der ersten Stichwahl am 21. November die meisten Fälschungen zu Gunsten Janukowitschs gegeben.

"Times": Arzt bestätigt Giftanschlag auf Juschtschenko

Der Wiener Arzt Nikolai Korpan hat nach Angaben der britischen Tageszeitung "Times" (Mittwochausgabe) einen Giftanschlag auf den ukrainischen Oppositionsführer Viktor Juschtschenko bestätigt. "Wir sind nun sicher, bestätigen zu können, welche Substanz diese Krankheit verursacht hat. Er erhielt diese Substanz von anderen Leuten, die eine bestimmte Absicht verfolgten", sagte der Arzt nach Angaben des Blattes, ohne das Gift zu benennen. Auf die Frage, ob er damit auf einen versuchten Mord anspiele, antwortete Korpan: "Ja, natürlich."

Das Ergebnis der Blutuntersuchungen werde vom Rudolfiner- Krankenhaus in Wien in Kürze veröffentlicht, sagte Korpan, der in der Klinik arbeitet, wo sich Juschtschenko wegen einer mysteriösen Erkrankung, die sein Gesicht entstellt, hatte behandeln lassen.

In einem Gespräch mit der Hörfunknachrichtenagentur dpa-Rufa äußerte sich der Mediziner deutlich zurückhaltender. Die "medizinische Vermutungen" müssten "exakt nachgeprüft werden", sagte Korpan. "Wir sind in Kontakt mit anderen Kollegen, Spezialisten aus Amerika, England, Deutschland und Frankreich. Um die endgültigen Ergebnisse zu verifizieren, müsse Juschtschenko noch einmal untersucht werden.

Oppositionspolitikerin auf der Fahndungsliste von Interpol

Die Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko (44), eine der führenden Persönlichkeiten der "Revolution in Orange", stand zeitweise auf einer Fahndungsliste von Interpol. Die russische Justiz habe den Haftbefehl wegen Betrugverdachts ausgestellt, teilte die internationale Polizei-Organisation auf ihrer Website mit. Inzwischen wurde der Name Julia Timoschenko von der Fahndungsliste gestrichen. Die Fahndung werde überprüft, weil man zunächst nähere Erklärungen von den russischen Behörden abwarten wolle, hieß es.

Die Justiz in Moskau legt Timoschenko zur Last, hochrangige russische Offiziere bestochen zu haben. Der Haftbefehl erging, nachdem die ukrainische Politikerin im Herbst eine Vorladung der russischen Behörden nicht befolgt hatte. Sollte der Oppositionsführer Viktor Juschtschenko die Stichwahl am 26. Dezember gewinnen, gilt Timoschenko als Anwärterin auf das Amt des Ministerpräsidenten.

Unterdessen will das Parlament der Ukraine heute über die von der Opposition verlangte Änderung des Wahlgesetzes für die Neuauflage der Präsidenten-Stichwahl am 26. Dezember beraten. Der amtierende Präsident Leonid Kutschma hatte bei Verhandlungen am Runden Tisch grundsätzlich der Neubesetzung der Wahlkommission und der Änderung des Wahlgesetzes zugestimmt. Mit den Änderungen zum Wahlgesetz soll eine faire Abstimmung bei der Stichwahl-Wiederholung sichergestellt werden.

In die festgefahrenen Bemühungen um eine Lösung der Staatskrise war am Dienstag wieder Bewegung gekommen. Präsident Kutschma beurlaubte den umstrittenen Regierungschef Viktor Janukowitsch auf dessen eigenen Wunsch. Dies solle ihm ermöglichen, sich auf den Wahlkampf zu konzentrieren. Die Oppositionsforderung nach einer Entlassung der Regierung lehnt Kutschma nach wie vor strikt ab.

Janukowitsch selbst hatte vor wenigen Tagen gesagt, er werde Urlaub nehmen, um seinen Wahlkampf zu führen. Die erste Stichwahl am 21. November war zugunsten von Janukowitsch gefälscht worden und wurde deshalb vom Obersten Gericht für ungültig erklärt. Kommissarischer Ministerpräsident wurde der bisherige Erste Vizeregierungschef Nikolaj Asarow, der auch der Partei von Janukowitsch angehört.

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