Fall Kurnaz Schilys Schützenhilfe für Steinmeier

Der im Fall Kurnaz unter Druck geratene Außenminister Steinmeier bekommt Schützenhilfe: Ex-Innenminister Otto Schily hat jedes Fehlverhalten der Bundesregierung bestritten und Steinmeier gegenüber Kritikern in Schutz genommen.

In der Affäre um den ehemaligen Guantànamo-Häftling Murat Kurnaz ist nach Außenminister Frank-Walter Steinmeier nun auch der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (beide SPD) in die Offensive gegangen. Schily bestritt am Samstag jegliche Fehler. Der unter Druck geratene Steinmeier, seinerzeit Kanzleramtschef der rot- grünen Bundesregierung, verteidigte erneut die Entscheidung, den aus Bremen stammenden Türken 2002 nicht nach Deutschland zurück zu lassen. "Ich würde mich heute nicht anders entscheiden", sagte er dem "Spiegel".

FDP und Grüne kritisierten Steinmeier scharf und forderten eine schnelle Aussage des Außenministers im BND-Untersuchungsausschuss. Dies ist bisher für März vorgesehen. FDP-Chef Guido Westerwelle warf ihm in der "Welt am Sonntag" eine "erschreckende Uneinsichtigkeit im Hinblick auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit" vor. Der FDP- Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Max Stadler, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS): "Ich verstehe nicht die Sturheit, mit der Steinmeier auf seiner Position beharrt - das ist inakzeptabel." Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer warf Steinmeier in einem dpa-Gespräch vor: "Wenn er sagt, er habe keinerlei Fehler gemacht, dann ist das das Unglaubwürdigste, was man sagen kann."

Schily wies in der "Bild am Sonntag" Vorwürfe zurück, Rot-Grün habe aktiv versucht, Kurnaz' Rückkehr zu be- oder gar verhindern. "Im Gegenteil: Es gab Bemühungen, die US-Regierung zu einer Freilassung zu bewegen." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast hielt dem Innenministerium hingegen vor, damals eine Strategie entwickelt zu haben, die Rückkehr von Kurnaz zu verhindern. "So etwas darf nicht passieren", sagte sie der "Frankfurter Rundschau" (Samstag).

Schily: Steinmeier hat sich korrekt verhalten

Schily betonte, nach den Erkenntnissen aller mit dem Fall befassten Sicherheitsbehörden habe es im Fall Kurnaz erhebliche und ernst zu nehmende Sicherheitsbedenken gegeben. Er nahm ausdrücklich Steinmeier in Schutz: "Er hat sich im Fall Kurnaz völlig korrekt verhalten."

Auch Steinmeier begründete die Entscheidung erneut mit Kurnaz' Einstufung als Sicherheitsproblem durch die deutschen Behörden. "Man muss sich ja nur vorstellen, was geschehen würde, wenn es zu einem Anschlag gekommen wäre, und nachher stellte sich heraus: Wir hätten ihn verhindern können", sagte er dem "Spiegel".

Der in Bremen geborene Türke Kurnaz war im November 2001 in Pakistan festgenommen und US-Soldaten in Afghanistan übergeben worden. Im Februar 2002 wurde er nach Guantànamo gebracht, wo er bis August 2006 ohne Prozess saß und nach eigenen Angaben auch gefoltert wurde. Die USA warfen ihm Mitarbeit im Terrornetzwerk El Kaida vor, was nie bewiesen und von Kurnaz immer bestritten wurde.

"Auch Angela Merkel hätte 2002 nicht den Versuch gemacht, einen Gefangenen aus Guantànamo nach Deutschland zu holen"

Der Sprecher der früheren rot-grünen Regierung, Uwe-Karsten Heye, wies im RBB-Inforadio darauf hin, dass Kurnaz als Pilger nicht nach Mekka gegangen sei, sondern nach Pakistan, in dessen Koranschulen die "mörderischste Form des fundamentalistischen Islamismus" gepredigt werde. "Wer dort hingeht, um seinem eigenen religiösen Eifer nachzukommen, der kann sich nicht wundern, dass alle Alarmglocken klingeln."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Thomas Oppermann, sagte der "FAS": "Auch Angela Merkel hätte 2002 nicht den Versuch gemacht, einen Gefangenen aus Guantànamo nach Deutschland zu holen. Denn Guantànamo galt damals noch als der Ort, wo die Amerikaner nur den harten Kern der Terroristen hinbrachten." Erst später habe sich die Sicht auf dieses Gefangenenlager verändert. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) befürwortete eine rasche Aussage Steinmeiers in dem Gremium. "Dort hat er die beste Möglichkeit, die ihn belastenden Mutmaßungen zu entkräften und sein Verhalten zu erklären", sagte Bosbach der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).

Strafanzeige gegen Steinmeier

Ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft bestätigt am Samstag, dass eine Strafanzeige eines Anwalts gegen Steinmeier eingegangen sei. Laut "Bild"-Zeitung wirft der Jurist dem Minister unter anderem Freiheitsberaubung und Körperverletzung vor.

DPA
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