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Geplante Aufführung des Mohammed-Films Merkel mahnt im Video-Streit zu Mäßigung

Der Mohammed-Schmähfilm im Kino - das könnte auch hierzulande Krawalle provozieren. Die Regierung will das verhindern, doch wäre ein Verbot rechtens? Die Kanzlerin ruft derweil zur Mäßigung auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Streit um das islamfeindliche Video alle Seiten zu Mäßigung gemahnt. "Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung", sagte Merkel am Montag in Berlin. "Wir treten ein für ein friedliches Zusammenleben der Religionen." Dies gelte für Deutschland, aber auch weltweit. Zugleich machte Merkel deutlich, dass der Schutz der deutschen Botschaften "unabdingbar" sei. Wegen des Videos war die deutsche Botschaft im Sudan am Freitag das Ziel von wütenden Protesten.

Gleichzeitig verteidigte Merkel das Einreiseverbot gegen den christlichen US-Prediger Terry Jones. "Wir sind ein Land, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, das aber auch Schranken kennt", sagte die Bundeskanzlerin. Deshalb werde Jones die Einreise nach Deutschland nicht erlaubt.

Eine mögliche Vorführung des Films in Deutschland sieht Merkel skeptisch. Die Frage sei, ob es die Sicherheit gefährde, wenn das Video öffentlich gezeigt werde, sagte die Politikerin. Dies werde derzeit geprüft. Mit Blick auf ein mögliches Verbot der Vorführung sagte die Kanzlerin: "Ich kann mir vorstellen, dass es dafür gute Gründe gibt." Die Prüfung laufe aber noch.

SPD und Grüne sprechen sich gegen Video-Verbot aus

Politiker von SPD und Grünen hatten sich zuvor gegen ein Verbot der Aufführung des Schmähvideos gewandt, das in der islamischen Welt blutige Unruhen ausgelöst hat. "Eine bloße außenpolitische Rücksichtnahme reicht nicht aus, die Grundrechte zu beeinträchtigen", sagte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der Berliner Tageszeitung "taz". Verbote könnten nur das letzte Mittel sein. Unterdessen ruft der Führer der radikalen Hisbollah zu weiteren Demonstrationen im Libanon auf, wo Papst Benedikt gerade erst seinen Besuch beendet hat und die Sicherheitsvorkehrungen zurückgefahren wurden.

Hierzulande sieht derweil auch Grünen-Geschäftsführer Volker Beck für ein Verbot keine Grundlage. "Nach dem, was ich gesehen habe, ist der Film eine geschmacklose Dämlichkeit, aber ohne strafbaren Inhalt." Die rechtspopulistische Splitterpartei Pro Deutschland plant, das umstrittene Video öffentlich aufzuführen. Nach Angaben von Lars Seidensticker, Berliner Chef von Pro Deutschland, so die "taz", soll der Film im November in einem Berliner Kinosaal aufgeführt werden.

Polizei warnt vor Folgen einer Aufführung

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnte er vor den Folgen, sollte Pro Deutschland seine Ankündigung wahr machen, den Anti-Islamfilm in Deutschland zu zeigen. "Das kann sehr gefährlich werden", sagte Wendt den "Ruhr Nachrichten". "Auch in Deutschland gibt es ausgesprochen aggressive Islamisten. Man muss damit rechnen, dass ein kleiner Funke genügt und es explodiert gleich an verschiedenen Stellen."

Zugleich zeigte sich der Polizeigewerkschafter skeptisch, dass eine öffentliche Aufführung des Videos unterbunden werden kann. "Wir sind ein freies Land mit Meinungsfreiheit", sagte Wendt. "Sofern in diesem Film keine Straftatbestände verwirklicht werden, wird man das kaum verhindern können."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sprach von einer "inakzeptablen und sinnlosen Provokation, die letztlich den Frieden und die Christen weltweit gefährdet". Die gewaltsame Eskalation in der arabischen Welt erfülle ihn mit Sorge, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Das Video, von dem bislang nur Schnipsel im Internet zu sehen waren, verunglimpft den Propheten Mohammed und hat in islamischen Ländern zu schweren Krawallen und Ausschreitungen gegen westliche Botschaften geführt.

Friedrich fordert Respekt für religiöse Gefühle ein

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) setzt sich entschieden gegen eine Aufführung des anti-islamischen Schmähvideos und für mehr Respekt gegenüber Religionen ein. "Gefragt ist jetzt die Klugheit aller, sich nicht provozieren zu lassen", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Der Film reiht sich ein in eine ganze Serie von Geschmacklosigkeiten und Missachtungen von religiösen Gefühlen. Ich fordere daher mehr Respekt für die religiösen Gefühle von Menschen, seien es Christen, Juden oder Muslime." CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach ergänzte: "Wir haben es hier nicht mit einer Rechtslücke zu tun, denn sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Kunstfreiheit gelten nicht schrankenlos", sagte er am Montag dem Bayerischen Rundfunk. Ein Verbot der Aufführung sei daher durchaus möglich.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland lobte die entschiedene Reaktion der Politik. "Die Bundesregierung hat das Video klar verurteilt. Das begrüßen wir", sagte Verbandschef Aiman Mazyek den "Ruhrnachrichten". Die Politik zeige, dass sie die Situation verstanden hat.

Film ein Versuch, Unfrieden zu stiften

In einer Fernsehrede rief unterdessen der Führer der radikalen libanesischen Schiiten-Bewegung Hisbollah, Hassan Nasrallah, zu einer Woche des Protests gegen das islamkritische Schmähvideo auf. Nasrallah sagte, an diesem Montag solle in einem südlichen Vorort von Beirut protestiert werden. Danach solle auch an anderen Orten des Libanon demonstriert werden.

Nasrallah erklärte weiter, es reiche nicht aus, den Film anzuprangern, dem Propheten Mohammed müsse in allen Ländern der Welt Respekt verschafft werden, um weitere Angriffe dieser Art zu verhindern. Er sehe in dem Film einen Versuch, Unfrieden zwischen Christen und Muslimen in der Nahostregion zu stiften. Die US-Regierung nutze die Redefreiheit als Rechtfertigung für die Ausstrahlung des Films.

Auch der Vorsitzende des Obersten Rates der Religionsgelehrten und Groß-Mufti von Saudi-Arabien, Scheich Abdulasis bin Abdullah al Scheich, mahnte die Muslime, sich nicht aus Wut dazu verleiten zu lassen, unschuldige Menschen zu töten und öffentliche Einrichtungen anzugreifen. Wer seinem Zorn nachgebe, mache sich letztlich nur zum Erfüllungsgehilfen der Urheber des Mohammed-Films, erklärte er.

Proteste in Pakistan, Afghanistan und Indonesien

Bei den Unruhen war am Freitag im Norden des Libanon ein Mensch umgekommen. Am Montagmorgen setzten sich die Proteste im afghanischen Kabul fort. Dort zündeten einige Demonstranten Autos an und riefen nach Polizei-Angaben "Tod für Amerika". Zudem eröffneten demnach aus der Menge heraus einige Menschen das Feuer auf Polizisten, dutzende Beamte wurden verletzt. Im Nordwesten Pakistans wurden am Montag bei Protesten ein Demonstrant getötet und zwei weitere verletzt. In Warai kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, zuvor hatte die Menge einige Gebäude in Brand gesteckt.

In Indonesien fanden sich nach Berichten eines AFP-Reporters rund 50 Studenten zu Protesten vor einer US-Vertretung in Medan zusammen. Vor dem Konsulat traten sie auf einer US-Fahne herum und warfen Eier auf das Gebäude. Polizisten drängten die Menge zurück, als sie auf das Gelände vordringen wollten. Auch vor der US-Botschaft in der Hauptstadt Jakarta gab es Proteste, dort kam es ebenfalls zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen ein Beamter verletzt wurde. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein und gab Warnschüsse ab.

Filmemacher angeblich verurteilter Betrüger

Trotz weiterhin angespannter Atmosphäre waren die Unruhen in der islamischen Welt am Wochenende allmählich abgefalut. In Kairo, wo die Massendemonstrationen am Dienstagabend ihren Anfang genommen hatten, räumten Sicherheitskräfte den zentralen Tahrir-Platz. Viele arabische Medien verurteilten die Krawalle, die mehrere Menschen das Leben gekostet hatten.

Der mutmaßliche Drahtzieher des Videos "Unschuld der Muslime" wurde inzwischen von den US-Behörden befragt. Der 55-jährige Nakoula Basseley Nakoula soll laut US-Medienberichten ein verurteilter Bankbetrüger sein. Wegen seiner kriminellen Vergangenheit sei dem koptischen Christen auch für fünf Jahre der Zugang zum Internet verboten worden.

dho/mlr/DPA/AFP DPA

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