Münchner Sicherheitskonferenz Neues Europa und neuer Rumsfeld

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ganz charmant und betonte den Willen zur Partnerschaft mit Europa. Doch es gab auch Dissonanzen.

Wenn der Ton die Musik macht, dann herrscht zwischen Deutschland und Amerika so viel Einklang wie lange nicht mehr. Freundschaftsbekundungen und der Wille zum Schulterschluss prägten am Wochenende die Münchner Sicherheitskonferenz. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nannte seine Äußerung über das "alte Europa", mit der er vor zwei Jahren die Gegner des Irak-Kriegs kritisiert hatte, überholt und scherzte: "Das war der alte Rumsfeld!" Wie Bundeskanzler Gerhard Schröder betonte er, die transatlantische Partnerschaft sei unverzichtbar. Als es konkreter wurde, gab es aber doch ein paar Misstöne.

Schröder Forderung nach Nato-Reform stieß auf Skepsis

Schröder forderte in seiner Rede, die er wegen einer Grippe von Verteidigungsminister Peter Struck verlesen ließ, eine Reform der Nato, weil sich die Sicherheitslage der Welt verändert habe. Die Allianz habe an Bedeutung verloren und sei "nicht mehr der primäre Ort", an dem die Partner ihre Strategie abstimmten.

Viele der 250 Politiker und Militärs aus aller Welt interpretierten Schröders Rede als Schwächungsversuch des transatlantischen Bündnisses. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer widersprach dem Kanzler energisch: "Die Allianz wächst, gedeiht und blüht." Die vorhandenen Strukturen müssten nur intensiver genutzt werden. Reformen seien eingeleitet, aber "noch nicht am Ziel".

Rumsfeld bezeichnete die Nato als das erfolgreichste Bündnis in der Geschichte der Menschheit. Sie habe im Kampf gegen den Terror und zur Demokratisierung in Afghanistan, auf dem Balkan, im Irak große Erfolge errungen, fügte der US-Minister hinzu und lobte ausdrücklich auch Deutschlands Beitrag. Die Nato habe "schon schwere Wasser durchfahren": den Ausstieg Frankreichs aus der Militärstruktur, die Nachrüstungsdebatte, den Irak-Streit. Aber das Bündnis von inzwischen 26 Staaten baue auf gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Geschichte auf.

Fischer stellte sich hinter Schröder

Rumsfeld sagte weiter, er könne nicht feststellen, dass die wichtigen Fragen auf den Minister- und Gipfeltreffen ausgeklammert würden. "Es ist wie Wagners Musik: Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Münchner Sicherheitskonferenz

Die Münchner Sicherheitskonferenz versteht sich als "Davos" der Sicherheitspolitik. Alljährlich kommen zu der Tagung rund 250 Sicherheitsexperten, Politiker und Militärs aus mehr als 40 Nationen zusammen. Markenzeichen ist die Offenheit, mit der jenseits von Protokoll und offiziellen Regierungszwängen über internationale Sicherheitsprobleme diskutiert wird. Friedensinitiativen werfen der Tagung Kriegstreiberei vor. Beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos treffen sich seit Jahren Manager und Politiker um über wirtschaftliche und politische Zukunft der Welt zu diskutieren.

Die Konferenz in München, einst Wehrkundetagung genannt, wurde 1963 von dem früheren Widerstandskämpfer und Weltkriegsoffizier Ewald von Kleist aus der Taufe gehoben. Vor sechs Jahren übernahm der frühere Sicherheitsberater von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), Horst Teltschik, die Organisation. Er versteht das Treffen auch als Kontaktbörse.

Nicht zuletzt unter dem Eindruck der massiven Proteste von Kriegsgegnern in den vergangenen Jahren schlägt die Konferenz inzwischen bewusst neue Töne an. Sie vergibt dieses Jahr erstmals eine Friedensmedaille und steht unter dem Motto "Frieden durch Dialog". Finanziert wird die Konferenz vom Bundespresseamt.

Bundesaußenminister Joschka Fischer konterte: "Ich bin kein Fan von Wagner." Er versuchte, die Dissonanzen auszuräumen - auch wegen der "love and peace"-Stimmung auf der Konferenz. Schröder habe nicht auf die Abschaffung, sondern auf die "Erneuerung und Stärkung der transatlantischen Zusammenarbeit" gezielt, betonte Fischer. "Die Macht der USA ist unverzichtbar. Wir wissen, wir haben eine Sicherheitslücke." Europa und Amerika "sind existenziell aufeinander angewiesen".

Rumsfeld unterstrich, eine Nation allein könne den weltweiten Kampf gegen Terror und Verbreitung von Atomwaffen nicht stemmen. Die Nato müsse zusammenstehen, warb der US-Minister: "Wenn wir zusammenarbeiten, ist nichts unmöglich."

Annan im Kampf gegen Terror notfalls für Gewalt

Ähnlich argumentierte Kofi Annan, der als erster Generalsekretär der UN an der Sicherheitskonferenz teilnahm und dabei mit einem neu geschaffenen Friedenspreis ausgezeichnet wurde. "Wir alle müssen zusammenarbeiten, um die Welt sicherer zu machen." Die Vereinten Nationen dürften "null Toleranz gegen Terrorismus" zeigen, sagte Annan und forderte: "Wir müssen unsere kollektive Verteidigung stärken." Wenn die friedlichen Maßnahmen der UN ausgeschöpft seien, "sollten wir über den Einsatz von Gewalt nachdenken", fügte der Generalsekretär hinzu, der im nächsten Monat einen Reformvorschlag für die Vereinten Nationen vorlegen will.

Außenminister Fischer rief die USA zu einer Führungsrolle in der UN auf. Die Nato müsse von einem Militärbündnis stärker zu einer Wertegemeinschaft werden, in der Europa und die USA "gemeinsam eine große Strategie" entwickeln, sagte der Grünen-Politiker. Die ehemalige amerikanische First Lady Hillary Clinton schlug vor, die Nato solle Mandate des UN-Sicherheitsrats umsetzen. Die UN-Truppen seien schwach und schlecht ausgerüstet, kritisierte die amerikanische Senatorin.

Annan: Nuklearwaffen müssen strenger kontrolliert werden

Annan mahnte Europa und die USA zu einer raschen Stärkung der UN: Bedrohungen wie Terrorangriffe, Seuchen oder Bürgerkriege "können heute in Sekundenschnelle Grenzen überwinden und buchstäblich aus heiterem Himmel auftreten". Nuklearwaffen müssten strenger kontrolliert und das Problem der Bio-Waffen ernster genommen werden. Außerdem will Annan armen Ländern beim Kampf gegen den Terrorismus finanziell helfen: "Indem wir die Sicherheit anderer stärken, schützen wir unsere eigene."

Irene Preisinger und Roland Losch/AP