Antrittsbesuch im Weißen Haus Warum Scholz und Biden aufeinander angewiesen sind

Brandenburg, Schönefeld: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht zum Airbus A340 der Luftwaffe
Auf dem Weg nach Washington: Von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werden klare Botschaften erwartet, im In- wie im Ausland
© Kay Nietfeld / DPA
Olaf Scholz ringt in Washington um seine Außenwirkung, während US-Präsident Joe Biden den Kanzler in die Pflicht nehmen dürfte. Das kann ja heiter werden? Schrille Töne sind nicht zu erwarten – zumindest nicht öffentlich.

Es ist nur wenige Tage her, da wurde süffisant über den Verbleib des Bundeskanzlers gerätselt. Wo ist Olaf Scholz? Nun tritt der Vermisste, der trotz Krisen und Konflikten seltsam abwesend wirkte, aus dem Nebel – und ins Rampenlicht. Er ist im Fernsehen zu sehen, gibt Interviews, bewegt sich aus dem verbal Ungefähren ins politisch Konkrete. Die Botschaft: Der Kanzler ist (wieder) da, und er ist im Krisenmodus.

An diesem Montag beginnt für Scholz ein außenpolitisches Termin-Tetris. Der Bundeskanzler absolviert in den kommenden Stunden seinen offiziellen Antrittsbesuch in Washington, morgen schon trifft er sich mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und Polens Präsidenten Andrzej Duda in Berlin, die drei baltischen Regierungschefs sollen diese Woche folgen, kommende Woche reist Scholz zuerst nach Kiew und dann nach Moskau, bevor er bei der Münchner Sicherheitskonferenz auftritt.

Wo ist Olaf Scholz? Diese Frage stellt sich in den kommenden 14 Tagen nur, weil es angesichts der vielen Termine des Kanzlers unübersichtlich geworden ist. Es ist Scholz' Versuch, den Eindruck im In- und Ausland zu zerstreuen, Deutschland würde im Konflikt mit Russland zögern und zaudern – indem er, der Kanzler, Präsenz und Tatendrang zeigt.

SOS an Olaf Scholz

Insofern ist seine plötzliche Rastlosigkeit auch ein Eingeständnis. Zuletzt sind Zweifel daran gewachsen, ob die Bundesrepublik noch ein verlässlicher Partner sei. Besonders in den USA begegnete man der verbalen Zurückhaltung im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland mit Argwohn.

Das "Wall Street Journal" verhandelte zuletzt die Frage, ob Deutschland noch ein Partner sei, auf den man sich verlassen könne – und lieferte die Antwort auf deutsch mit: "Nein". Auch die "New York Times" wunderte sich über die Position der Bundesrepublik. Bei Fox News wurde die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber, mit entsprechenden Fragen gegrillt. Tage zuvor hatte sie ans Auswärtige Amt gemeldet: "Berlin, wir haben ein Problem", Deutschland werde wegen des Kurses im Ukraine-Konflikt als "unzuverlässiger Partner" diskreditiert.

Das SOS ist offensichtlich bei Scholz angekommen, der nun immer wieder den Einsatz Deutschlands für die Ukraine betont. "Wir sind seit vielen Jahren diejenigen, die die Ukraine finanziell massiv unterstützen", sagte er kurz vor Abflug nach Washington bei RTL. "Wir sind der größte Geldgeber seit 2014 für bilaterale und wirtschaftliche Hilfe." Auch sei man in der Nato, der EU und in Kontinentaleuropa das Land mit dem "höchsten Verteidigungsbeitrag, das darf niemand übersehen." Dass es offenbar übersehen wurde, versucht Scholz nun zu ändern.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Kanzler geht damit in die Offensive, nimmt leise Abschied von den vorsichtigen Allgemeinplätzen, die seine Krisenkommunikation zunächst prägten. Sein Lavieren ging zuletzt mit Popularitätseinbußen einher: Mit seiner politischen Arbeit sind laut ARD-"Deutschlandtrend" nur noch 43 Prozent der Deutschen "zufrieden" oder "sehr zufrieden" – ein Sinkflug von 17 Prozent im Vergleich zu Anfang Januar, der laut infratest dimap damit einen bundesrepublikanischen Negativrekord für einen Kanzler markiert.

Olaf Scholz und Joe Biden brauchen einander

Auch US-Präsident Joe Biden hat mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen. Er dürfte bei dem Treffen daher auch auf ein deutlicheres Bekenntnis von Scholz pochen, dass die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 mehr als nur "eine Option" sein könnte, die auf dem Tisch liege – so die vage Formulierung Deutschlands –, sondern ein eingepreister Schlag im möglichen Sanktionskatalog gegen Moskau, sollte es zu einem Einmarsch in die Ukraine kommen.

Biden hatte sich im Pipeline-Streit, den vor allem die Republikaner im Kongress am köcheln halten, schützend vor Berlin gestellt und sofortige US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 verhindert. Er ist Scholz damit entgegengekommen, um das transatlantische Verhältnis nach den belastenden Trump-Jahren wieder zu stärken – und dürfte im Gegenzug ein entschlossenes Bekenntnis von Scholz erwarten.

Allein, um ein Signal der gemeinsamen Entschlossenheit der Nato-Partner in der Russland-Frage an die Öffentlichkeit zu senden – und an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Spaltungsversuche des westlichen Bündnisses ins Leere laufen.

Die Regierungschefs brauchen einander. Biden dürfte es Scholz daher nicht allzu schwierig machen, zumindest nicht öffentlich, und für einen harmonischen Antrittsbesuch sorgen. Schon im Vorfeld strickte das Kanzleramt offenbar an der Erzählung, dass Deutschland und die USA "Taktgeber" seien, wenn es um die europäisch-amerikanische Kooperation gehe, berichtete die "Tagesschau", die Biden-Administration sei gar ein "Glücksfall" für das Verhältnis.

Etwas weniger euphorisch äußerte sich Scholz vor seinem Abflug nach Washington. Er betonte die "klare Strategie", die man "seit langer Zeit (...) mit unseren Verbündeten" verfolge. Man werde jetzt weiter besprechen, wie man klar mache, "dass eine militärische Aggression gegenüber der Ukraine hohe Kosten für Russland hätte." Darüber habe man sehr genaue Absprachen vorbereitet "mit den USA, der EU und allen, die es angeht", so Scholz. Zudem stellte er zwei Kernanliegen seiner Reise heraus: "Einerseits muss Russland wissen, dass, wenn es zu einer militärischen Aggression gegen die Ukraine kommt, das hohe Kosten haben wird und andererseits, dass wir die Wege dafür bereiten, dass wieder gesprochen wird."

Scholz gibt sich voller Tatendrang – es bleibt nun abzuwarten, was daraus folgt.