Die Nebentätigkeiten der 613 Abgeordneten sind jetzt im Internet veröffentlicht. Damit setzte Bundestagspräsiden Norbert Lammert einen Tag nach dem dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am die neue Transparenzregelung um. Auf der Internetseite bundestag.de oder auch unter abgeordnetenwatch.de sind nun Angaben über Beschäftigungsverhältnisse, Vereinstätigkeiten und Einkommensstufen zu finden.
Zu den Bestverdienern gehören demnach unter anderem die Abgeordneten Friedrich Merz und Heinz Riesenhuber. Der Rechtsanwalt und CDU-Politiker Merz, der auch Klage in Karlsruhe eingereicht hatte, gibt an, von acht Konzernen jährlich Einkommen der Stufe drei - also mehr als 7.000 Euro monatlich - zu beziehen. Darunter sind Versicherungskonzerne wie Axa, DBV Winterthur sowie die Commerzbank, BASF Antwerpen und die Deutsche Börse.
Auch der ehemalige Forschungsminister und CDU-Politiker Riesenhuber übt neben seinem Mandat mehrere Nebentätigkeiten der Stufe drei und andere bezahlte lukrative Funktionen in Unternehmen aus. Einkünfte in den jeweiligen Abgeordneten-Biografien werden, sofern vorhanden, in drei Einkommensstufen ausgewiesen: Stufe 1 erfasst monatliche Einkünfte von 1.000 bis 3.500 Euro, Stufe 2 Einkünfte bis 7.000 Euro und Stufe 3 Einkünfte über 7.000 Euro.
Merkel ist in Stufe drei
Auch andere prominente Politiker geben Auskunft: Im Eintrag von Angela Merkel (CDU) heißt es in der Rubrik "Entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat": "Bundeskanzlerin, Berlin, monatlich Stufe 3." Will heißen: Merkel ist nicht nur Kanzlerin, sondern auch Abgeordnete und bezieht insofern zwei Gehälter. Auch bei Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und den anderen Minister mit Parlamentsmandat wird für ihre "Nebentätigkeit" im Bundeskabinett naturgemäß mit Stufe 3 angegeben.
Ex-Außenminister Joschka Fischer hat hat elf Nebenverdienste, die ihm mindestens 7000 Euro eingebracht haben (Stufe 3), zusätzlich zwei der Stufe 2 (jeweils mindestens 3500 Euro). Bei Oskar Lafontaine ist nur seine - inzwischen eingestellte - Autorenschaft für den Springer-Verlag angegeben (Stufe 2), sein Parteifreund Gregor Gysi kommt auf mindestens 38.000 zusätzlich.
Transparency International geht Veröffentlichung nicht weit genug
Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International übte Kritik an der Veröffentlichung. "Nach unserem Eindruck wird das Gesetz von den Abgeordneten nicht einheitlich angewendet", sagte der Geschäftsführer Christian Humborg zu stern.de. "Es gibt einige Anwälte, die keine Verdienststufe angeben. Doch um ob diese wirklich weniger als 1000 Euro verdienen, ist zumindest anzuzweifeln." Humborg nannte CDU-Politiker Merz oder den SPD-Abgeordneten Peter Danckert. Aber es gebe auch positive Beispiele. So etwa Anette Kramme (SPD), die jedes ihrer Anwalts-Mandate einzeln aufführt oder den FDP-Parteichef Guido Westerwelle, der seine Vorträge einzeln auflistet.
Um alle Politiker gleich zu behandeln, forderte Humborg den Bundestagspräsidenten auf, zu prüfen, ob wirklich alle Abgeordneten vollständig und einheitlich Auskunft über ihre Nebenjobs geben.
Die Veröffentlichung sei zwar ein schritt in die richtige Richtung, doch Humborg warnte vor einer Neiddebatte. "Wir halten es für gefährlich, wenn nun eine Hitliste der Abgeordneten mit den meisten Nebenjobs erstellt wird. Das ist nicht zielführend und lässt für sich genommen keine Rückschlüsse zu." Vielmehr sei es wichtiger, detaillierte Auskünfte zu erhalten. Humborg kritisierte, dass die Einkünfte der Abgeordneten bisher nur in Stufen veröffentlicht werden.
Nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch die Klage von neun Parlamentariern gegen das entsprechende Gesetz zurückgewiesen. Die Entscheidung fiel bei einem Patt von vier zu vier Richterstimmen. Die Kläger hatten in der Offenlegungspflicht einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit und die Unabhängigkeit des Abgeordnetenmandats gesehen. Gerade für Selbstständige und Anwälte sei ein Parlamentsmandat kaum noch zumutbar, wenn sie detailliert offen legen müssten, wie viel Geld sie von welchem Auftraggeber oder Mandanten erhielten.
Ausschlaggebend für das Urteil war aber die Auffassung der Richter, mit der Freiheit des Mandats seien nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten verbunden. Mit der Pflicht zur Offenlegung von Einkünften ab einer bestimmten Höhe könne sich der Wähler selbst ein Bild über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Volksvertreter machen. Der Bundestag hatte bereits im Oktober 2005 einen neuen Verhaltenscodex verabschiedet. Auf Grund der in Karlsruhe anhängigen Klage entschied Lammert, das Gesetz bis zu einer Urteilsfindung nicht umzusetzen. Experten wie der Parteienrechtler Hans-Herbert von Arnim hatten dieses Vorgehen als "glatten Gesetzesbruch" kritisiert.