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Linken-Politikerin Wagenknecht liebäugelt mit eigenem Bündnis: Wie gründet man eigentlich eine Partei?

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht trägt einen pinken Blazer und blickt starr in die Kamera
Bis Ende des Jahres will Sahra Wagenknecht entscheiden, ob sie eine neue Partei gründen möchte
© Britta Pedersen / dpa-Zentralbild / DPA
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht lotet öffentlich ihre Chancen aus, eine eigene Partei ins Leben zu rufen. Aber was braucht man dafür eigentlich und was muss man beachten?

Die Grünen (1979) oder die AfD (2013) haben es erfolgreich vorgemacht: Sie haben eine neue Partei gegründet, die bis heute eine gewisse Relevanz hat. Der Großteil der neuen Parteien scheitert langfristig an der Finanzierung oder schafft es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Ein Beispiel ist die Piratenpartei, die 2011/12 in vier Landesparlamente einzog, diesen Erfolg aber nie wiederholen konnte. 2012 warb die Partei noch mit dem Slogan "Fertigmachen zum Entern" – 2017 gab man sich in Schleswig-Holstein selbstironisch: "Totgesagte leben länger". Andere Kleinstparteien lösen sich nach kurzer Zeit wegen innerer Querelen oder schlicht Irrelevanz auf, wie die Blaue Partei von Ex-AfD-Parteichefin Frauke Petry 2019.

Nun spielt die ehemalige Gallionsfigur der Partei Die Linke öffentlich mit dem Gedanken, eine eigene Partei zu gründen. In einem ZDF-Interview sagte Sahra Wagenknecht, sie wolle die Bundestagsfraktion der Linken zwar nicht ohne Not gefährden, der Kurs der Parteispitze sei allerdings nicht der ihre. Bis zum Jahresende will sie eine Entscheidung treffen, ob sie ihre politische Karriere mit den Linken fortsetzen wird, oder doch mit einer eigenen Partei. Aber was braucht es überhaupt für eine eigene Partei?

Das ist nötig, um eine Partei zu gründen

Ohne Parteien geht in der politischen Landschaft in Deutschland so gut wie nichts. Sie wirken auf die politische Willensbildung der Bevölkerung ein und repräsentieren das Volk in Institutionen wie dem Bundestag. Wer ein politisches Amt anstrebt, wird es schwer haben ohne Partei im Rücken.

Die wichtigsten Grundlagen regelt das Parteiengesetz in Artikel 21 des Grundgesetzes. Die Gründung muss frei sein und die innere Ordnung den demokratischen Grundsätzen entsprechen. Außerdem müssen Parteimitglieder natürliche Personen sein, mehrheitlich die deutsche Staatsbürgerschaft haben, der Sitz muss in Deutschland liegen und ihr Name muss sich von anderen Parteien unterscheiden.

Parteien sollten ernsthaft und langfristig angelegt sein

Eine Mindestanzahl von Gründungsmitgliedern gibt es laut Parteiengesetz nicht. Aber der Vorstand muss aus mindestens drei Personen bestehen und in einer geheimen Wahl gewählt werden. Auch sollten Parteien anstreben, das Volk langfristig in politischen Institutionen vertreten zu wollen. Das unterscheidet sie von anderen politischen Organisationen wie Bürgerinitiativen oder Wählergemeinschaften. Wenn eine Partei über sechs Jahre weder an Bundes- noch an Landtagswahlen teilnimmt, verliert sie ihre rechtliche Anerkennung als Partei.

Parteien finanzieren sich selbst und damit auch ihre eigenen Wahlkämpfe, zum Beispiel durch Mitgliedsbeiträge oder Spenden. Sie erhalten aber je nach Wahlerfolg staatliche Zuschüsse, sofern sie gültige Stimmen von mindestens 0,5 Prozent bei einer Europa- oder Bundestagswahl erringen, oder mindestens ein Prozent bei einer Landtagswahl. Über ihr Vermögen, Herkunft und Ausgaben müssen Parteien öffentlich Rechenschaft ablegen.

Es gibt keine inhaltliche Prüfung von neuen Parteien

Die Beteiligten benötigen einen Gründungsvertrag, in dem der Wille bekräftigt wird, diese Partei zu gründen. Auch müssen Parteiprogramm und -satzung beschlossen werden, also die inhaltliche Ausrichtung und der Aufbau der neuen Gruppierung. Beides muss freiheitlich-demokratischen Grundsätzen entsprechen und Mitglieder müssen eine angemessene Möglichkeit haben, sich zu beteiligen. Eine inhaltliche Prüfung von neuen Parteien gibt es aber nicht, auch ein Parteiverbot ist nur schwer durchzusetzen.

Mit dem Verbot einer Partei wird auch verboten, Ersatzorganisationen zu schaffen. Falls Abgeordnete im Bundestag oder in Landtagen sitzen, verlieren diese ihre Mandate. Das Vermögen der Partei wird ebenfalls aufgelöst und wurde in der Vergangenheit auf gemeinnützige Zwecke umverteilt.

Ein Parteienverbot ist sehr schwierig

In der Geschichte der Bundesrepublik wurden bisher nur zwei Parteien verboten. Die Sozialistische Reichspartei (SRP) wurde 1952 als Nachfolgeorganisation der NSDAP vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft und damit verboten. Als zweite Partei wurde 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten.

Dagegen scheiterte ein Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) gleich zweimal. Denn einer Partei muss nachgewiesen werden, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv bekämpft und potenziell Erfolg haben könnte, also eine Gefahr für die Demokratie darstellen könnte. Die pure Ablehnung dieser Ordnung reicht nicht aus, weshalb beispielsweise ein Verbot der AfD in näherer Zukunft illusorisch erscheint. Obwohl der Bundesverfassungsschutz die Partei beobachtet und gerichtlich bestätigt als "rechtsextremistischen Verdachtsfall" einstuft.

Sahra Wagenknecht könnte 2024 zur Europawahl antreten

Sollte die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sich tatsächlich dazu entscheiden, eine neue Partei zu gründen, könnte sie schon im Frühjahr 2024 zur Europawahl antreten. Dafür spricht, dass die Hürden bei einer Wahl für das Europäische Parlament niedriger sind. Es gibt beispielsweise keine Fünf-Prozent-Klausel und lediglich 4.000 Unterschriften werden benötigt, damit eine Liste zur Wahl zugelassen werden kann. Deshalb ist zum Beispiel die bundesweit eher unauffällige Tierschutzpartei mit einem Sitz im Europaparlament vertreten.

QuellenDie Bundeswahlleiterin, Bundeszentrale für politische Bildung, Bundesjustizministerium, Bundesverfassungsgericht, Bundesinnenministerium, "ZDF"

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