Steuerreform Suche nach Reformkompromiss

Nach dem Nein der Union im Bundesrat beginnt die schwierige Suche nach einem Reformkompromiss im Vermittlungsausschuss.

Der von CDU und CSU dominierte Bundesrat hat das Vorziehen der Steuerreform und ein Bündel anderer Reformgesetze der rot-grünen Regierung zunächst gestoppt. Ob die milliardenschweren Steuerentlastungen für die Bürger kommen, bleibt zunächst ungewiss. Nun beginnt die schwierige Suche nach einem Kompromiss im Vermittlungsausschuss.

Die Union machte heute ihre Zustimmung zur Steuerreform von einer moderaten Schuldenfinanzierung und einer spürbaren Liberalisierung des Arbeitsmarktes abhängig. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wies vor allem die geforderte Lockerung des Arbeitsrechts als "sachfremde Erwägungen, die mit dem Thema überhaupt nichts zu tun haben", zurück. Er erneuerte seine Bereitschaft zu einem "Reformgipfel" mit der Unions-Spitze.

Bis zum 19. Dezember haben Vertreter der unterschiedlichen Mehrheiten im Parlament und in der Länderkammer nun Zeit. Der Bundesrat lehnte heute nicht nur das Vorziehen der Steuerentlastung in Höhe von 15,6 Milliarden Euro um ein Jahr ab, mit der die Bundesregierung die Konjunktur zu beleben hofft. Auch die Arbeitsmarktgesetze und damit die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die Reform der Gewerbesteuer, die Pläne für eine Steueramnestie und die Tabaksteuererhöhung wurden abgelehnt und werden den Vermittlungsausschuss beschäftigen.

Schröder wirft Union "machtpolitische Spielereien" vor

Die Union hatte in der Nacht zum Freitag beschlossen, die Steuerreform dürfe nicht zu 80, sondern höchstens zu 25 Prozent durch Schulden finanziert werden. Die Steuerentlastung mache auch nur dann Sinn, wenn sie mit einer Modernisierung des Arbeitsrechts einhergehe und beispielsweise betriebliche Bündnisse für Arbeit ermögliche, bei denen bestehende Tarifvereinbarungen außer Kraft gesetzt werden könnten.

"Wir blockieren nicht aus parteitaktischen oder - trategischen Gründen die Steuerreform, wie Sie es 1997 getan haben", rief der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Bundesrat Finanzminister Hans Eichel (SPD) zu. "Wir wollen sie mit einer anderen Finanzierung ermöglichen. Aber nicht mit einer Finanzierung auf Pump. Das ist völlig unmöglich. Das Äußerste, was machbar ist, sind 25 Prozent." Stoiber machte deutlich, dass die Union auf einer Lockerung des Kündigungsschutzes bestehen werde: "Ohne eine Entscheidung, dass wir eine Flexibilisierung durch Bündnisse für Arbeit erreichen, macht ein Vorziehen der Steuerreform keinen Sinn."

Schröder reagierte kurz nach der Abstimmung: "Man kann das notwendige Vorziehen der Steuerreform, um Wachstum in Deutschland zu erreichen und um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, doch nicht mit sachfremden Erwägungen, die mit dem Thema überhaupt nichts zu tun haben, verknüpfen", sagte er vor der Presse. "Ich denke, die Union sollte wirklich in sich gehen und überlegen, ob man eine solche Verknüpfung, die reine Parteitaktik ist, wirklich im Interesse der Menschen machen darf." Er wies der Union die "Verantwortung für weniger Wachstum in Deutschland" und "machtpolitische Spielereien" vor.

"Aufregende und anstrengende sieben Wochen bis Weihnachten"

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Eichel hatten in der Länderkammer die Gesetzesvorhaben der Regierung vehement verteidigt und zu gemeinsamen Handeln aufgerufen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte ebenso wie mehrere andere Unionspolitiker Kompromissbereitschaft signalisiert. Die Reformen müssten aber im Paket verhandelt werden. Dies bedeutet, dass die jetzt auf Eis gelegten Gesetze zum Umbau der Bundesanstalt für Arbeit (Hartz III) und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV) ebenso wie beispielsweise die Gemeindefinanzreform mit der von der Union abgelehnten Einbeziehung von Freiberuflern und der Substanzbesteuerung beim bevorstehenden Verhandlungsmarathon gemeinsam mit der Steuerreform zur Entscheidung anstehen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Beratungen sollen am 13. November im 32 Mitglieder zählenden und streng vertraulich tagenden Vermittlungsausschuss beginnen. Dort hat keine der beiden Seiten eine Mehrheit, den Vorsitz führt der Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD). "Das werden sehr aufregende, sehr anstrengende sieben Wochen bis Weihnachten", sagte NRW-Regierungschef Steinbrück.

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