Die Morgenlage Rechtmäßig oder nicht? Juristen des Kanzleramts hegen Zweifel an nächtlicher Ausgangssperre

Bundesregierung beschließt einheitliche Corona-Notbremse – Verschärfungen greifen automatisch
Bundesregierung beschließt einheitliche Corona-Notbremse – Verschärfungen greifen automatisch.
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Sehen Sie im Video: Kanzlerin Merkel verteidigt im Kampf gegen Corona die Änderungen am Infektionsschutzgesetz.




O-Ton Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin: "Wir setzen die Notbremse bundesweit um. Wo die Inzidenz über 100 liegt, sollen künftig bundeseinheitliche Regelungen gelten. Die Notbremse ist dann nicht mehr Auslegungssache, sondern sie greift automatisch. Die Unklarheiten, was in dem einen oder anderen Landkreis wann gilt oder was wann nicht gilt, das ist dann vorbei. Dort, wo die Zahl der Infektionen stabil unterhalb der Inzidenz von 100 ist, sind es weiterhin die Länder, die in ihren Verordnungen über Einschränkungen genauso wie über Lockerungen entscheiden. Die bundeseinheitlich geltende Notbremse ist überfällig. Denn, auch wenn es schwerfällt, das auch heute wieder zu hören: Die Lage ist ernst und wir alle müssen sie auch ernst nehmen. Die dritte Welle der Pandemie hat unser Land fest im Griff. Das sagen die täglichen Infektionszahlen des Robert-Koch-Instituts. Das sagt die Entwicklung des R-Wertes. Und das sagen vor allem die Zahlen der belegten Intensivbetten. Wir dürfen die Ärzte und Pfleger, die seit über einem Jahr in den Krankenhäusern alles geben, um sich gegen die erste, gegen die zweite und jetzt auch gegen die dritte Welle zu stemmen, nicht alleine mit dieser Herkulesaufgabe lassen. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen. Wir müssen ihnen helfen. Ich bin mir ganz bewusst, dass es harte Einschränkungen sind, die das neue Infektionsschutzgesetz insbesondere für Kreise oberhalb der Inzidenz 100 vorsieht. Kontaktbeschränkungen, Schließungen von Geschäften, Kultur- und Sporteinrichtungen, nächtliche Ausgangssperren. Alle diese Maßnahmen, im übrigen auch ein heute beschlossenes verpflichtendes Test-Angebot der Arbeitgeber für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dienen einem einzigen Ziel. Dem Ziel, unser ganzes Land aus dieser Phase der stetig steigenden Infektionszahlen, der sich füllenden Intensivstationen und der bestürzend hohen täglichen Zahl der Corona-Toten herauszuführen. Wir haben es ja schon einmal geschafft, durch konsequentes Handeln die Zahl der Ansteckungen wieder auf einen kontrollierbares Maß zu reduzieren. Und das kann und wird uns auch wieder gelingen."
Bericht: Juristen im Kanzleramt bezweifeln Rechtmäßigkeit der Ausgangssperre +++ Bundeswehr könnte bis Mitte August aus Afghanistan abziehen +++ Ärger über Elfer-Entscheidung gegen BVB +++ Die Nachrichtenlage am Donnerstagmorgen.

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

schon um 9 Uhr stehen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Präsident Lothar Wieler in der Bundespressekonferenz Rede und Antwort zur Corona-Lage in Deutschland. Da werden sie bestimmt auch Fragen zur nächtlichen Ausgangssperre beantworten müssen, an deren Rechtmäßigkeit laut einem Bericht selbst Juristen im Kanzleramt gezweifelt wird.

Ebenfalls Juristen fällen heute am Bundesverfassungsgericht ihr Urteil über den Berliner Mietendeckel. Nicht nur Berliner Mieter und Vermieter dürften auf die Entscheidung gespannt sein.

Die Schlagzeilen zum Start in den Tag

Wir haben für Sie zusammengefasst, was in der Nacht passiert ist:

Juristen im Bundeskanzleramt zweifeln wohl an Rechtmäßigkeit der Ausgangssperre

Experten im Bundeskanzleramt haben laut einem Medienbericht rechtliche Bedenken angesichts der Notbremse des Bundes zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Mehrere Referate des Kanzleramts stellten laut einem Bericht der "Bild" (Bezahlinhalt) die Verhältnismäßigkeit der geplanten nächtlichen Ausgangssperre in Frage. 

In einem Vermerk von Anfang März erklärte demnach eine Rechtsexpertin des Gesundheitsreferats, die "grundsätzliche Geltung einer nächtlichen Ausgangssperre" sei mit Blick auf die "Verhältnismäßigkeit" und die "derzeit nicht belegte Wirksamkeit" problematisch und vor Gericht als rechtswidrig eingestuft worden. 

Zudem wird in dem Vermerk laut "Bild" kritisiert, dass der Gesetzentwurf einen "rein inzidenzbasierten Maßstab" vorsieht, um die bundesweite Notbremse auszulösen. Neben den Inzidenzen müssten andere Faktoren wie der R-Faktor und die Zahl der Intensivpatienten aufgenommen werden. 

Als "besonders problematisch" wird in dem Vermerk "Bild" zufolge auch die "automatischen Schließungen von Kitas und Schulen" eingestuft, da sie das "Recht auf Bildung" nicht angemessen berücksichtigten. Dem Bericht zufolge wurde der Vermerk von sieben weiteren Referaten im Kanzleramt abgezeichnet. 

Nato-Abzug aus Afghanistan beginnt am 1. Mai

Die Bundeswehr könnte nach den Plänen der Bundesregierung bereits bis Mitte August aus Afghanistan abgezogen werden. Das sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch in einer telefonischen Unterrichtung der Fachpolitiker aller Bundestagsfraktionen zu den Abzugsplänen, wie die Deutsche Presse-Agentur von mehreren Teilnehmern erfuhr. US-Präsident Joe Biden hatte kurz zuvor im Weißen Haus angekündigt, dass der Abzug amerikanischer Soldaten am 1. Mai beginnen werde. Abgeschlossen wird er nach Bidens Angaben bis zum 11. September, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington.

Die Nato verkündete in Brüssel nach Beratungen der Außen- und Verteidigungsminister ihrer Mitgliedsstaaten, das Bündnis werde bis zum 1. Mai den Abzug seiner Truppen aus Afghanistan einleiten. Damit endet nach fast 20 Jahren auch die Bundeswehr-Mission am Hindukusch. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Derzeit sind noch 1100 deutsche Soldaten dort stationiert. Insgesamt sind es rund 10 000 Soldaten, darunter 2500 Amerikaner.

Aufregung um Elfmeterpfiff gegen den BVB in der Champions League

Der Elfmeterpfiff für Manchester City hat bei Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund nach dem Aus in der Champions League für große Verärgerung gesorgt. "Ich habe den Ball erst mit dem Kopf berührt, dann mit der Hand. Ich glaube, in den Regeln steht es so, dass es dann kein Elfmeter ist. Das ist bitter. Schon im Hinspiel wurde uns ein Tor weggenommen", sagte Dortmunds Emre Can, der den Elfmeter verursacht hatte, nach dem 1:2 gegen Manchester City am Mittwoch im Viertelfinal-Rückspiel der Königsklasse.

Can hatte nach einer Flanke in der 52. Minute zunächst den Ball mit dem Kopf, dann mit seinem abgespreizten Arm berührt. Schiedsrichter Carlos Del Cerro Grande (Spanien) entschied auf Strafstoß, den Riyad Mahrez zum 1:1 verwandelte (55.). Der Video-Schiedsrichter überprüfte die Szene, blieb aber bei der Entscheidung. "So richtig Glück mit den Schiedsrichter-Entscheidungen hatten wir in den letzten sieben Tagen nicht", sagte Dortmunds Trainer Edin Terzic.

Drastischere Worte wählten die Sky-Experten Dietmar Hamann und Ewald Lienen. "Da gibt es keinen Interpretationsspielraum. Das ist skandalös. Wir haben den Videobeweis reingebracht, um die Sache gerechter zu machen. Wenn solche Sachen nicht zurückgenommen werden, dann weiß ich nicht, ob der Videobeweis eine Zukunft hat. Der Videobeweis wurde für mich heute begraben", sagte Hamann.

Was heute wichtig wird

Das sind die wichtigsten Themen und Termine des Tages:

Karlsruhe veröffentlicht Entscheidung zum Berliner Mietendeckel

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe veröffentlicht um 9.30 Uhr seine Entscheidung zum umstrittenen Berliner Mietendeckel. Er soll in der Hauptstadt den Anstieg der Mieten bremsen. Im Februar 2020 wurden die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Ab 2022 dürfen sie nur eng begrenzt steigen. Bei Wiedervermietungen gelten Obergrenzen. Mieten, die um mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen, sind seit 23. November verboten und müssen vom Vermieter gesenkt werden. Eine Ausnahme gibt es für Neubauwohnungen. Die auf fünf Jahre befristete Regelung ist bundesweit einmalig.

Seehofer und BKA-Chef Münch stellen Kriminalstatistik 2020 vor

Wie hat sich die Kriminalität in Deutschland im vergangenen Jahr – auch angesichts der besonderen Umstände der Corona-Pandemie – entwickelt? Diese Frage soll ab 14.30 Uhr bei einer Pressekonferenz in Berlin beantwortet werden. Zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 nehmen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Holger Münch als Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) und Baden-Württembergs Ressortchef Thomas Strobl als Chef der Innenministerkonferenz (IMK) Stellung. 

Bundestag debattiert Nachtragshaushalt mit neuen Schulden

Der Bundestag debattiert darüber, ob Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr noch mehr Schulden aufnehmen darf als ursprünglich geplant. Scholz hat einen Nachtragshaushalt vorgelegt, in dem vor allem mehr Geld für Unternehmenshilfen und Gesundheitspolitik vorgesehen sind. Zugleich muss er niedrigere Steuereinnahmen ausgleichen. Deshalb will der Vizekanzler 60,4 Milliarden Euro mehr an Krediten aufnehmen als der Bundestag bisher genehmigt hat.

Anschlag mit Auto auf A100 in Berlin – Prozess gegen 30-Jährigen

Acht Monate nach einem mutmaßlichen Anschlag mit einem Auto auf der Berliner Stadtautobahn beginnt aum 11 Uhr am Landgericht der Prozess gegen den Verdächtigen. Der 30-Jährige soll sich nach Justizangaben vor der Tat entschlossen haben, aus "wahnhaft religiösen und islamistisch geprägten Motiven" zufällig ausgewählte Menschen zu töten. Er habe mit seinem Wagen auf der A100 andere Verkehrsteilnehmer durch Kollisionen verletzen und töten wollen. Dem Beschuldigten werden unter anderem versuchter Mord in drei Fällen, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Unfallflucht zur Last gelegt. 

Wirtschaftsforschungsinstitute legen Frühjahrsprognose vor

Mitten in der dritten Corona-Welle legen führende Wirtschaftsforschungsinstitute am Vormittag ihre Frühjahrsprognose vor. Erwartet wird, dass sie ihre bisherige Vorhersage für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland wegen des anhaltenden Lockdowns nach unten korrigieren. Im Oktober hatten die Institute damit gerechnet, dass die Wirtschaftsleistung 2021 nach einem Kriseneinbruch im Vorjahr wieder um 4,7 Prozent wachsen würde. 

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Ihre stern-Redaktion

DPA · AFP
wue / tkr