Klima-Katastrophe Alles ganz normal?

Extreme Wetterlagen, düstere Zukunftsprognosen - viele fürchten die Folgen der Globalen Erwärmung. Und mit den Vorhersagen der Klimaforscher wird große Politik gemacht. Doch so sicher, wie manche Erkenntnis präsentiert wird, scheint sie bei näherem Hinsehen nicht zu sein

Lasst euch nicht verarschen. Vor allem nicht beim Klima. Auf diese simple Botschaft lässt sich Michael Crichtons jüngster Thriller "Welt in Angst" zusammendampfen, wenn es einem Leser nicht gerade auf die schöne Sarah im Slip oder die kulinarischen Absonderlichkeiten gewisser Südseekannibalen ankommt.

Das Erscheinungsdatum der deutschen Ausgabe, die derzeit die Bestsellerlisten hinaufmarschiert, könnte günstiger nicht gewählt sein: Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erklärte Großbritanniens Premierminister Tony Blair Ende Januar den Temperaturtrend der Erdatmosphäre aufs Neue zur erstrangigen Weltbedrohung. Und im südenglischen Exeter tagten hochkarätige Wissenschaftler vergangene Woche zum selben Thema, auf Einladung von Blair. Am 16. Februar schließlich tritt das internationale Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz in Kraft. 128 Nationen haben es unterzeichnet. Michael Crichtons Heimatland, die USA, weigert sich, die Maßnahmen umzusetzen.

Als gewiefter Provokateur ist Crichton in einen Wissenschafts- und Propagandakrieg eingetreten, der nicht erst seit gestern tobt: Seit rund zwei Jahrzehnten streiten Wissenschaft und Politik - zugespitzt - um diese Fragen: Steuert unser Planet auf den Hitzetod durch sorg- und skrupellos herausgeblasene Treibhausgase zu? Oder verendet eher die Vernunft in den schwülen Visionen grüner Apokalyptiker? Crichton befürchtet offenbar Letzteres. Wenn das jemand mit Millionen-Startauflage schreibt, hat das Folgen.

Seit "Welt in Angst" vor ein paar Wochen in den USA erschienen ist, dreschen nicht nur Literaturkritiker, sondern auch Wissenschaftler von Rang auf das Buch ein. Konnten Genetiker über die Klon-Dinos aus Crichtons "Jurassic Park" noch schmunzeln, platzt vielen Klimatologen bei der Lektüre seines neuesten "Techno Thrillers" der Kragen. Ihr Hauptvorwurf: Crichton verniedliche die Gefahren des Treibhauseffekts.

Es geht dabei um einen Effekt, der besser ist als sein Ruf: Kohlendioxid, Methan und Wasserdampf sorgen in der Atmosphäre dafür, dass vom Erdboden reflektierte Wärmestrahlung der Sonne wie vom Glasdach eines Treibhauses wieder zurückgeworfen wird, statt ins All zu entweichen. Folglich steigt die Temperatur. Und das ist gut so: Gäbe es diesen natürlichen Treibhauseffekt nicht, würden uns bei minus 18 Grad im Jahresmittel die Glieder schlottern. So aber pendelt das globale Thermometer derzeit um die 15 Grad plus.

Als Gefahr gilt dagegen der "anthropogene", der von Menschen gemachte Treibhauseffekt durch zusätzlich ausgestoßenes Kohlendioxid, Methan und andere Gase. Heize sich die Erde weiter auf wie befürchtet, so der Vorsitzende des UN-Klimabeirats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), Rajendra Pachauri, drohten gewaltige Schäden. Seit 1988 haben Hunderte von ihren Regierungen entsandte Experten des IPCC den Auftrag, die Klimaentwicklung zu analysieren und Prognosen für die Zukunft zu machen.

Wird der Hitzestau nicht gravierend vermindert, droht nach den jüngsten IPCC-Schätzungen Verheerendes:

Mindestens 150 Millionen Menschen müssten in einigen Jahrzehnten aus überfluteten Küstenregionen oder von Dürre und Stürmen verwüsteten Gebieten auswandern. Extreme Wetterepisoden nähmen an Zahl und Stärke zu. Wahrscheinlich sei auch ein Anstieg von Malariafällen und Hunger in der Welt. Ein Abriss noch stabiler Meeresströmungen und das Abschmelzen gewaltiger Eismassen an den Polen seien nicht ausgeschlossen. Obdachlose, Kranke, Tote zu Millionen und Abermillionen. Die Hölle.

Und wieder träfe es jenen Teil der Welt, der Katastrophen anzuziehen scheint: die Inseln der Karibik, die Küstenregionen des Indischen Ozeans, Afrika. Allerdings gäbe es nicht nur Verlierer. Russland zum Beispiel könnte den Schätzungen zufolge von einer moderaten globalen Erwärmung von bis zu zwei Grad erheblich profitieren: Die Gewinne der dann erblühenden Landwirtschaft, so war in Exeter zu hören, könnten sämtliche Verluste in anderen Weltgegenden wettmachen. Ob das auch "fair" wäre, ist eine andere Frage.

Um das Schlimmste zu verhindern, haben sich Klimaschützer darum für das Kyoto-Protokoll eingesetzt. Wird dessen Erfüllung einen erheblichen Effekt auf die globale Temperatur haben? Die ernüchternde Antwort: Nein.

Crichton habe Recht, wenn er in seinem Roman behauptet, alles in allem machten solche Verminderungen nicht einmal ein Zehntel Grad aus, räumen Klimaforscher ein. "Kyoto hat vor allem einen symbolischen Wert", sagt Professor Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. "Das heutige Kyoto-Protokoll kann den Klimawandel nur ganz geringfügig bremsen", bestätigt Professor Martin Heimann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. "Es sind sich aber alle seriösen Klimawissenschaftler einig, dass Kyoto nur ein Anfang sein kann, dem weitere Schritte folgen müssen, wenn man dem Klimawandel ernsthaft entgegentreten will."

In London hatten "Klima-Skeptiker" schon kurz vor dem Treffen in Exeter auf einer eigenen Konferenz zum Gefecht geblasen. Was eine ihrer Leitfiguren dort verkündete, schien sich im Vergleich zu gängigen Katastrophenszenarien allerdings auf einen anderen Planeten zu beziehen.

Mit einem halben

, vielleicht mit einem Grad Erwärmung sei bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen, so Professor Richard Lindzen. Von einer Herausforderung für die Menschheit könne keine Rede sein, auch nicht von wachsender Gefahr durch Stürme oder andere Wetter- extreme. Dabei stimmt Lindzen den Grundannahmen, die in Exeter vertreten wurden, durchaus zu: Es wird wärmer, die Menschheit ist für den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre verantwortlich, Kohlendioxid ist ein Treibhausgas. Nur in die angekündigte Katastrophe will er nicht folgen - obwohl auch er vom Fach ist: Lindzen arbeitet als Meteorologe und Klimaforscher am amerikanischen Massachusetts Institute of Technology, keiner akademischen Klitsche also.

Ein Exot könnte er trotzdem sein. Einer, der, warum auch immer, nicht wahrhaben will, wohin der Planet tatsächlich steuert. Einer, der sich mit rechten Neo-Cons verbandelt. Die wiederum könnten Industriezweigen nahe stehen, die kein Interesse daran haben, künftig weniger Kohle und Öl zu verheizen. Lindzen könnte aber auch Recht haben.

Ganz ohne eigene Interessen ist offenbar niemand in dieser hitzigen Auseinandersetzung, die vor harschen persönlichen Attacken nicht Halt macht. Die bekam jüngst der Klimatologe Professor Hans von Storch vom GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht zu spüren. Im Wissenschaftsmagazin "Science" hatte sein Team demonstriert, dass Standardverfahren zur Bestimmung Jahrhunderte zurückliegender Temperaturwerte wohl fehlerhaft sind. Damit erlitt das Fundament derzeitiger Klimaszenarien gefährliche Risse. Und das kam nicht gut an. Selbst wenn seine Befunde richtig seien, diene er der falschen Seite, sei ihm nach seiner Veröffentlichung vorgeworfen worden, beklagt von Storch und diagnostiziert bei einigen seiner klimaschützenden Kollegen "Verfolgungswahn".

Das Scheinwerferlicht

der Öffentlichkeit schwäche schon mal die üblichen Mechanismen der Selbstkontrolle, meint auch Professor Jochem Marotzke, selbst Klimaforscher und geschäftsführender Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie. "In einer wissenschaftlichen Debatte Recht zu haben oder nicht ist dann keine rein akademische Frage mehr. Plötzlich glaubt man zu wissen, Recht zu haben, könnte die Menschheit retten."

Die Menschheit selbst klagt in unseren Breiten bislang zwar mal über verregnete Sommer, mal über fehlenden Schnee zu Weihnachten. Doch alles in allem fällt der Wunsch, sich retten zu lassen, eher verhalten aus. Wie auch sollte heute jemand spüren, welche Wärmeplagen in einigen Jahrzehnten drohen könnten? Und passiert tatsächlich etwas Dramatisches wie die Oderflut 1997, das Hochwasser der Elbe 2002 oder der Glutsommer ein Jahr darauf, wiegeln die Forscher ab. Auf Schlagzeilen wie "Liegt Köln in 60 Jahren an der Nordsee?" oder "Will die Erde uns loswerden?" antworten sie allenfalls mit "Jein": Solche Ereignisse seien für sich genommen kein Beweis für den Anfang vom Ende. Wie soll sich da Krisenstimmung breit machen?

Temperaturen messen ohne Thermometer ist also nicht ohne Tücken. Darum werden gleich mehrere Methoden kombiniert. Auch die Untersuchung von bestimmten Pollen, Mikroben oder Korallen, deren Gedeihen wärmeabhängig ist, kann helfen, dem Klima der Vorzeit auf die Spur zu kommen.

Vergangenen September gelang es Wissenschaftlern des North Greenland Ice Core Project erstmals, einen Kern aus dem Grönlandeis herauszubohren, dessen Schichtungen ununterbrochen rund 123 000 Jahre zurückreichen. Über drei Kilometer lang ist der nur zehn Zentimeter dicke Zylinder aus Eis. Vor allem soll der Bohrkern weiteren Aufschluss über eine Periode geben, in der die Erde schon einmal fieberte. Damals, in der "Eem-Warmzeit", lagen die Temperaturen deutlich höher als heute: Flusspferde tummelten sich in den lauen Wassern von Rhein und Themse. Dann aber kam nicht der Hitzetod, sondern eine Eiszeit. Vorerst zum letzten Mal.

Seit Entstehung der Erdatmosphäre vor gut vier Milliarden Jahren strömen und stürmen die Gasmassen um den Globus. Die Temperaturen gehen rauf und wieder runter. Mal rücken kilometerdicke Eispanzer auf den Äquator zu, mal ziehen sie sich Richtung Pol zurück. Klimawandel ist nicht außergewöhnlich. Er ist der Normalfall. Auch wenn er zumindest bis jetzt zu langsam vor sich gegangen ist, um über die Spanne eines Menschenlebens wahrgenommen zu werden. Selbst das, was Klimatologen einen "abrupten Wandel" nennen, misst sich in Jahrzehnten.

Zur Veränderung der über längere Zeiträume betrachteten statistischen Wetterverhältnisse - das ist "Klima" im Gegensatz zu Kachelmanns Blumenkohlwolken oder Pladderregen - führen planetare, ja kosmische Kräfte mit Schwankungen von Monaten bis zu Millionen von Jahren. Eiszeiten sind ein Beispiel. Rhythmische Veränderungen der Erdbahn um die Sonne, dazu das Taumeln und Wippen der Erdachse bewirken über Jahrzehntausende wechselnde Sonneneinstrahlungen. Tiefgreifend ändern können sie das Klima allerdings erst im Zusammenwirken mit irdischen Kreisläufen. Mit dem gigantischen System der Meeresströmungen etwa. Oder mit chemischen Zyklen zwischen Himmel und Erde, die auch die Konzentration der - natürlichen - Treibhausgase über lange Perioden erheblich verändern.

Kann es angesichts solcher mächtigen natürlichen Veränderungen überhaupt eine Rolle spielen, was wir auf diesem Planeten treiben? Zumindest bleibt es nicht folgenlos, welche Energie wir verbrauchen und was dabei nach oben geblasen wird. Denn die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich in relativ kurzer Zeit offenbar tatsächlich erheblich verändert.

Angegeben wird die Konzentration atmosphärischer Gase in "ppmv" (Parts Per Million by Volume), also entsprechend ihrem Anteil an einer Million Volumeneinheiten. Seit fast 50 Jahren wird auf Hawaiis zweithöchstem Vulkan Mauna Loa der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre gemessen. Andere Observatorien sind später dazugekommen. Das aktuelle Ergebnis lautet übereinstimmend: gut 370 ppmv. Und das liegt etwa 35 Prozent über dem mittleren Wert aus der vorindustriellen Zeit.

"Treibhausgase"

Kohlendioxid (CO2) Natürlicher Bestandteil von Gewässern und Luft. Anteil in der Atmosphäre derzeit 0,037 Prozent. CO2 wird von den meisten Organismen bei der Atmung abgegeben und von Pflanzen bei der Fotosynthese aufgenommen. Vor allem durch die Verbrennung von Kohle und Erdöl sowie die Zerstörung von Wäldern stieg der CO2-Gehalt seit dem Beginn der Industrialisierung um rund 35 Prozent. Reduktion möglich durch Aufforstungsmaßnahmen und Verzicht auf Verfeuerung fossiler Brennstoffe. Es gibt Überlegungen, Kohlendioxid in ehemaligen Erdöl- und Kohlelagerstätten zu deponieren. Ein Pionierprojekt ist das "Schneewittchen"-Gasfeld vor der Nordküste Norwegens: Bei dessen Ausbeutung ab 2006 wird das anfallende CO2 zurück in das unterseeische Reservoir gepumpt.

Methan (CH4)

Etwa 21-mal so klimaverändernd wie Kohlendioxid, fällt aber wegen der geringeren Konzentration weniger ins Gewicht.* CH4 ist Hauptbestandteil von Erd- und Biogas. Es entsteht durch mikrobielle Prozesse beim Abbau von organischem Material, etwa in Feuchtgebieten oder Mülldeponien und durch Viehzucht (bei der Verdauung in Rindermägen). Etwa zwei Drittel aller CH4-Emissionen werden durch die Landwirtschaft verursacht.

Distickstoffoxid (N2O), "Lachgas"

Seine klimaverändernde Wirkung ist etwa 310-mal so hoch wie die von Kohlendioxid.* Die wichtigste Quelle für N2O sind mikrobielle Abbauprozesse von Stickstoffverbindungen in den Böden. Insbesondere aus schweren, überdüngten und feuchten Böden entweicht viel N2O in die Luft. Auch der Niederschlag von Ammonium-Stickstoff, der von Gülleverdunstungen herrührt, kann zur Bildung von Lachgas beitragen.

Halogenierte Kohlenwasserstoffe (CHF3, CF4, u. a.)

Während die klassischen Treibhausgase meist als unerwünschte Nebenprodukte entstehen, werden fluorierte Treibhausgase überwiegend gezielt produziert und als Treibgas, Kühl- oder Feuerlöschmittel eingesetzt. Einige dieser Stoffe sind bis zu 11 000-fach stärker klimawirksam als CO2.* Reduzierung: vor allem durch Entwicklung von Ersatzstoffen.

Schwefelhexafluorid (SF6)

Eines der stärksten Treibhausgase, Gesamtmenge aber gering. Wirkt etwa 23 900-mal stärker als CO2.* Wird etwa als Isolationsgas in Hochspannungsanlagen verwendet. Seit rund 20 Jahren kommt es auch als Füllgas in Schallschutzscheiben und Autoreifen zum Einsatz. Etwa 75 Prozent der Emissionen stammen aus der Entsorgung dieser Produkte.

Von: Rüdiger Braun

*Bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren; die Verweildauer der Gase in der Atmosphäre ist stark unterschiedlich.

Was droht uns also wirklich? Und wie genau können Wissenschaftler das auf dem heutigen Kenntnisstand überhaupt einschätzen?

Wer von Erwärmung spricht, muss Temperaturen messen können. Eine Binsenweisheit - und zugleich eines der heikelsten Probleme der Klimatologen. Denn die Verlässlichkeit aller Analysen und Folgerungen hängt von der Verlässlichkeit solcher Messungen ab. Man muss kein studierter Klimatologe sein, um das zu begreifen.

Einigermaßen verlässliche meteorologische Messungen begannen erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Wie also können wir wissen, wie viel wärmer oder kälter es heute ist als zur Zeit von Barbarossa oder Nofre- tete? Allenfalls durch penible Detektivarbeit und durch "Proxys" (vom lateinischen proximus: nächstkommend, sehr ähnlich).

So lassen zum Beispiel Bäume an ihren Wachstumsringen erkennen, welche klimatischen Bedingungen in einem bestimmten Jahr herrschten. Einigermaßen genau zumindest. Denn die Ringe eines einzigen Baumes zu analysieren bringt nichts. Viele Daten müssen miteinander abgeglichen werden, schließlich wächst nicht jeder Stamm wie der andere. Die Steigung des Untergrundes ist wichtig, die Feuchtigkeit der umgebenden Luft und deren Zusammensetzung, Insektenbefall und Krankheiten spielen hinein und nicht zuletzt die Temperatur, auf die es den Klimatologen ja ankommt. Doch deren Einfluss muss erst herausgefiltert werden. Solche "Kalibrierungen" sind bereits eine Wissenschaft für sich.

Nicht weniger kompliziert

ist die Untersuchung von Eisbohrkernen. Auch solche Sondierungen erlauben nachträgliche Temperaturmessungen für viele Jahrtausende zurückliegende Zeiträume. Analysiert wird dabei der Sauerstoffanteil des zu Eis gewordenen Schnees.

Je nach Temperatur zu der Zeit, als dieses Wasser einmal aus den Meeren aufstieg und zur Wolke wurde, aus der es später schneite, ändert sich das Verhältnis verschiedener atomarer Sauerstoffarten. Solche "Isotope" unterscheiden sich gewichtsmäßig und können mengenmäßig im Labor bestimmt werden. Ein bestimmtes Verhältnis entspricht einer bestimmten Temperatur. Auch bei Messungen im Eis aber muss die Kalibrierung stimmen. So bleiben die unterschiedlichen Sauerstoffarten über die Jahrtausende nicht da, wo sie zu Beginn gewesen sind. Sie wandern allmählich durch das Eis. Das kann Messungen verfälschen.

Temperaturen messen ohne Thermometer ist also nicht ohne Tücken. Darum werden gleich mehrere Methoden kombiniert. Auch die Untersuchung von bestimmten Pollen, Mikroben oder Korallen, deren Gedeihen wärmeabhängig ist, kann helfen, dem Klima der Vorzeit auf die Spur zu kommen.

Vergangenen September gelang es Wissenschaftlern des North Greenland Ice Core Project erstmals, einen Kern aus dem Grönlandeis herauszubohren, dessen Schichtungen ununterbrochen rund 123 000 Jahre zurückreichen. Über drei Kilometer lang ist der nur zehn Zentimeter dicke Zylinder aus Eis. Vor allem soll der Bohrkern weiteren Aufschluss über eine Periode geben, in der die Erde schon einmal fieberte. Damals, in der "Eem-Warmzeit", lagen die Temperaturen deutlich höher als heute: Flusspferde tummelten sich in den lauen Wassern von Rhein und Themse. Dann aber kam nicht der Hitzetod, sondern eine Eiszeit. Vorerst zum letzten Mal.

Seit Entstehung der Erdatmosphäre vor gut vier Milliarden Jahren strömen und stürmen die Gasmassen um den Globus. Die Temperaturen gehen rauf und wieder runter. Mal rücken kilometerdicke Eispanzer auf den Äquator zu, mal ziehen sie sich Richtung Pol zurück. Klimawandel ist nicht außergewöhnlich. Er ist der Normalfall. Auch wenn er zumindest bis jetzt zu langsam vor sich gegangen ist, um über die Spanne eines Menschenlebens wahrgenommen zu werden. Selbst das, was Klimatologen einen "abrupten Wandel" nennen, misst sich in Jahrzehnten.

Zur Veränderung der über längere Zeiträume betrachteten statistischen Wetterverhältnisse - das ist "Klima" im Gegensatz zu Kachelmanns Blumenkohlwolken oder Pladderregen - führen planetare, ja kosmische Kräfte mit Schwankungen von Monaten bis zu Millionen von Jahren. Eiszeiten sind ein Beispiel. Rhythmische Veränderungen der Erdbahn um die Sonne, dazu das Taumeln und Wippen der Erdachse bewirken über Jahrzehntausende wechselnde Sonneneinstrahlungen. Tiefgreifend ändern können sie das Klima allerdings erst im Zusammenwirken mit irdischen Kreisläufen. Mit dem gigantischen System der Meeresströmungen etwa. Oder mit chemischen Zyklen zwischen Himmel und Erde, die auch die Konzentration der - natürlichen - Treibhausgase über lange Perioden erheblich verändern.

Kann es angesichts solcher mächtigen natürlichen Veränderungen überhaupt eine Rolle spielen, was wir auf diesem Planeten treiben? Zumindest bleibt es nicht folgenlos, welche Energie wir verbrauchen und was dabei nach oben geblasen wird. Denn die Zusammensetzung der Atmosphäre hat sich in relativ kurzer Zeit offenbar tatsächlich erheblich verändert. Angegeben wird die Konzentration atmosphärischer Gase in "ppmv" (Parts Per Million by Volume), also entsprechend ihrem Anteil an einer Million Volumeneinheiten. Seit fast 50 Jahren wird auf Hawaiis zweithöchstem Vulkan Mauna Loa der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre gemessen. Andere Observatorien sind später dazugekommen. Das aktuelle Ergebnis lautet übereinstimmend: gut 370 ppmv. Und das liegt etwa 35 Prozent über dem mittleren Wert aus der vorindustriellen Zeit.

Zwar steigt über die Jahrhunderttausende auch der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre mit schöner Regelmäßigkeit an und sinkt wieder ab. Doch hat er inzwischen ein Maß erreicht, das zumindest für die vergangenen 400 000 Jahre aus dem Rahmen fällt und mit natürlichen Schwankungen kaum mehr erklärt werden kann. Selbst die meisten "Klima-Skeptiker" wie Richard Lindzen bestreiten nicht, dass Menschen diesen CO2-Rekord verursacht haben. Dann ist doch alles klar, oder nicht?

Noch lange nicht.

Denn was das für die Temperatur der Atmosphäre bedeutet, ist bei weitem noch nicht verstanden. Vereinfacht gesagt, geht es darum: Wie warm ist es durch den CO2-Anstieg tatsächlich schon geworden bis heute? Und wie warm wird es noch werden?

Die Temperaturmessungen aus allen Proxys zusammengenommen, ergänzt um die direkten Messungen seit dem 19. Jahrhundert, ergeben für die vergangenen 1000 Jahre eine Kurve, die an einen liegenden Hockeyschläger erinnert. Auf das Temperaturmittel von 1961 bis 1990 bezogen, reicht der Stiel mit leichter Neigung nach unten ungefähr bis 1900. Dann aber geht es mächtig aufwärts. Vor allem diese Kurve ist es, die zur Grundlage der Prognosen des UN-Klimabeirats wurde.

Der Kurven-Stiel jedoch bekam vor wenigen Monaten einen empfindlichen Knacks, als Hans von Storchs Arbeitsgruppe in "Science" seine Entstehung in- frage stellte. Größere Temperaturschwankungen der vergangenen Jahrhunderte würden durch das Berechnungsverfahren zu glatt dargestellt, hieß es. Es sei nicht auszuschließen, dass es zum Beispiel im Mittelalter weit größere Temperaturausschläge gegeben habe als bisher angenommen.

Was ist mit den direkten Temperaturmessungen seit dem 19. Jahrhundert? Wenigstens die können ja von Instrumenten abgelesen werden - und führen doch zum nächsten Problem.

Verfolgt man den Verlauf der globalen Temperatur der letzten 140 Jahre, stößt die Kurve in den 30er Jahren durch die gewählte Null-Linie und steigt deutlich an. Kurz darauf aber sinkt sie wieder und bleibt unter dem mittleren Niveau - für gut 30 Jahre. In dieser Zeit stieg der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre allerdings unentwegt weiter an. Hätte das den Treibhauseffekt nach geltender Lehre nicht anheizen müssen?

Die auch von Crichton gestellte Frage beantwortet der Klimatologe Gavin Schmidt vom New Yorker Goddard Institute for Space Studies der Nasa so: Nicht nur CO2, sondern auch andere Gase, dazu die landwirtschaftliche Nutzung, Vulkane oder Veränderungen der Sonneneinstrahlung beeinflussten die globale Temperatur. In der Summe könnte das durchaus zu einer Abkühlung geführt haben. Könnte dann nicht auch die nun beobachtete Erwärmung andere Gründe als menschengemachte Gase haben? Schmidt verpackt sein Nein in vorsichtige Worte: "Jedenfalls ist es bisher niemandem gelungen, die gegenwärtige Erwärmung ohne einen Anstieg von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zu erklären."

Teures Klima

Das atmosphärische Geschehen ist ökonomisch hoch brisant Das atmosphärische Geschehen ist ökonomisch hoch brisant Alles hat seinen Preis - auch das Klima. Daher die Weigerung der USA, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren: Mit fast 25 Prozent Anteil am globalen Kohlendioxid-Ausstoß liegen sie mit Abstand an der Weltspitze, vor China mit knapp 14 Prozent. Die Amerikaner haben viel zu verlieren: ein sattes Wirtschaftswachstum und - nach Meinung von Kyoto-Gegnern - Millionen Arbeitsplätze. Nicht nur das Weiße Haus lehnt daher das Protokoll ab. Auch der Senat v otierte noch zu Clintons Zeiten dagegen: mit 95 zu null Stimmen.

Ganz anders die Interessenlage der Europäer. Weil Kyoto die Emissionen von 1990 zugrunde legt, hat es beispielsweise Deutschland (Rang sechs der CO2-Produzenten mit 3,7 Prozent der Emissionen) leicht: Durch die Stilllegung der qualmenden DDR-Industrie erfüllt es bereits einen Großteil der Forderungen. Russland hat gar die Chance, Milliarden Dollar durch den Verkauf von CO2-Emissionsrechten einzunehmen. Ökonomisch vorteilhaft ist die Lage zudem für Länder, die massiv auf Atomstrom setzen, wie etwa Frankreich.

Ökonomen müssen aber auch fragen: Wie teuer wird es, wenn die Prognosen von Klimaforschern zutreffen und zahlreiche Naturkatastrophen über uns hereinbrechen? Bei einer globalen Erwärmung um ein Grad könnten bis 2050 Schäden von bis zu 214 Billionen Dollar durch Stürme, Überflutungen und Trockenheit entstehen, schätzt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Peter Höppe, Leiter der Geo-Risiko-Forschung bei der Münchener Rückversicherung, versucht, derartige Unwetter und ihre Folgen vorauszusagen. Er speist die weltgrößte Datenbank über Naturkatastrophen mit seinen Berechnungen. Sie bildet die Grundlage für die Prämien der Erstversicherer. Und die werden steigen. "Noch können wir das Risiko tragen, aber in den nächsten Jahren wahrscheinlich nicht mehr zu den Preisen wie bisher", sagt Höppe. Auch die Selbstbeteiligungen werden steigen. Und Hausbesitzer dann wohl handeln - und bei Sturmwarnung alles niet- und nagelfest machen. Bilder, die man bislang nur aus Florida kannte. Sonia Shinde/Elke Schulze

Ist der Mensch also schon als Verursacher überführt?

Noch vor fünf Jahren scheute sich die Deutsche Meteorologische Gesellschaft vor solch eindeutiger Schuldzuweisung. Sie leitete damals ihre Klimastellungnahme mit einem Juwel akademisch verquaster Formulierungen ein: "Es ist unstrittig, dass der anthropogene Treibhauseffekt noch nicht unzweifelhaft nachgewiesen werden konnte." Und heute?

"Es gibt einen internationalen wissenschaftlichen Konsens", so der neueste Klimareport des "Arctic Climate Impact Assessment", bei dem sich eine Heerschar von Wissenschaftlern mit der Erwärmung des nördlichen Polargebiets befasste, "dass der größte Teil der in den vergangenen 50 Jahren beobachteten Erwärmung menschlichen Aktivitäten zugeschrieben werden kann." Der größte Teil von 0,6 Grad weltweiten Temperaturanstiegs also. Denn mehr wurde global nicht gemessen. Nicht in den vergangenen 50 Jahren. Nicht seit Beginn der Industrialisierung. Merken wir deshalb vielleicht nichts von der angeblich nahenden Klimakatastrophe, weil noch gar nichts Gravierendes passiert ist?

Professor Jochem Marotzke vom Hamburger Max-Plack-Institut für Meteorologie sagt: "Ich persönlich glaube nicht, dass die Erwärmung um 0,6 Grad seit vorindustrieller Zeit besorgniserregend ist." Auch der jüngste Arktis-Report schreibe, sofern es um die Auswirkung von Klimaänderungen auf Menschen und Ökosysteme gehe, nur von kommenden Entwicklungen. "Einzige Ausnahme ist der Rückgang des Eises auf breiter Front, der stattgefunden hat. Selbst der aber hat unklare ökologische Konsequenzen."

Optimisten

kalkulieren schon die zu erwartenden Profite, wenn das Eis neue Bodenschätze freigibt oder polare Schiffsrouten länger befahren werden können als heute. Doch zugleich würden in Sibirien wohl ganze Siedlungen und Industrieanlagen im Schlamm versinken, weil der Permafrostboden auftaut. Selbst wenn der Meeresspiegel nicht gleich um ein paar Meter steigt, könnte es schon durch ein paar Grad mehr auch in den gemäßigten Breiten ungemütlich werden. Zum Beispiel durch Krankheitserreger, die sich über veränderte Zugvogel- oder Moskito-Populationen neue Räume erschließen. So gelang zum Beispiel dem West-Nil-Virus vor fünf Jahren der Sprung vom Mittelmeerraum über den Atlantik. Es wurde in den USA zur vorerst bleibenden Plage, die dort allein im vergangenen Jahr fast 2500 Menschen mit Fieber und schweren Hirnhautentzündungen erkranken ließ.

Solche Gefahren drohen also vermehrt - falls es tatsächlich noch erheblich wärmer wird.

Um 1,4 bis 5,8 Grad werde sich die Erde bis zum Ende des 21. Jahrhunderts aufheizen, prophezeien die Experten des IPCC. Eine Variationsbreite von über 400 Prozent. Was so weit auseinander klafft, sei nicht wissenschaftlich berechnet, mäkelt Crichton, das sei schlicht geraten. Also setzt er einen Tipp dagegen: 0,812436 Grad Erwärmung. Und fordert von den Experten den Nachweis, dass er falsch liege.

Der Nasa-Klimatologe Gavin Schmidt kontert: Da die Computermodelle von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgingen - im schlimmsten Fall von weiterhin ungehemmter Kohlendioxidproduktion zum Beispiel, im günstigen von etwas mehr politisch gelenkter Beschränkung -, kämen auch unterschiedliche Prognosen heraus. Tatsächlich läge die Fehlerrate nicht bei 400, sondern nur bei 60 Prozent. Für den Mittelwert von 3,6 Grad heißt das aber immer noch, es könnten, Pi mal Daumen, auch zwei Grad mehr oder weniger sein - die Experten sollten sich nicht wundern, wenn respektlose Laien das immer noch "geraten" nennen.

Die Modellunsicherheit werde überbewertet, sagt Professor Mojib Latif. "Alle Modelle sagen bei weiterhin stark ansteigenden Treibhausgas-Konzentrationen eine sehr starke globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 vorher. Ob es nun drei oder fünf Grad sind, halte ich für irrelevant."

Die derzeitigen Simulationen seien nicht besser als die Prognosen von Kachelmann und Co., hält die IPCC-Klimarechnerin Annette Rinke vom Alfred-Wegener-Institut dagegen. Zwar werde in manchen politischen Institutionen geglaubt, alle Grundlagenprobleme der Modelle seien gelöst. "Das sehe ich allerdings anders." Vor allem fehlen ihr Anpassungen der Rechnungen an die Wirklichkeit. "Es müssen mehr und über längere Zeiträume Beobachtungsdaten gesammelt werden, damit Modelle überhaupt auf ihre Richtigkeit überprüft werden können. Hier gibt es große weiße Flecken in Arktis und Ozeanen." Ganz anders als bei Crichton klingt das nicht.

Es sind längst nicht mehr nur einsame Ketzer, die den prophezeiten Hitzekollaps in Zweifel ziehen und Computersimulationen mit Skepsis sehen. Auch die Front der "Mainstream"-Klimatologen bröckelt bedenklich.

Das könnte einer breiteren Öffentlichkeit allerdings egal sein, ginge es nur um einen Streit unter Schmetterlingsforschern. Doch der Einsatz ist hoch. Das Schicksal von Millionen Menschen steht auf dem Spiel, folgt man den Mahnern unter den Klimatologen. Andererseits kosten die geforderten Gegenmaßnahmen gewaltige Milliardensummen. Die wären gut angelegt, wenn die Katastrophenszenarien stimmten. Sie wären zum Fenster hinausgeworfen und für die Lösung anderer Menschheitsprobleme verloren, wenn sich die Prophezeiungen am Ende in heiße Luft auflösten. Darum ist es höchste Zeit gewesen, dass jemand wie Crichton, der Millionen Menschen mehr erreicht als jeder Wissenschaftler, laut und vernehmlich Fragen stellt.

Frank Ochmann print

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