Er galt als Intimus von Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, er war Vizebürgermeister von Wien und Vorsitzender der FPÖ-Parlamentsfraktion im österreichischen Nationalrat: Gudenus, der Nebendarsteller im Ibiza-Video ist bereits von all seinen Funktionen zurückgetreten und hat die FPÖ verlassen. Beim berüchtigten Treffen in der Finca fungierte er als Dolmetscher, jetzt fürchtet er weiteres Material, das ihn "in kompromittierenden Situationen" zeige. In der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" entschuldigte er sich für sein Fehlverhalten, das "an Peinlichkeit nicht zu überbieten" sei und nahm gleich vorweg, dass die Veröffentlichung weiterer Videos bevorstehen könnte.
Doch wer ist der Mann, der sich selbst als Nadelstreif-Rechten bezeichnet und dessen James-Bond-Pose aus den Aufnahmen für viel Spott und Häme sorgte?
Johann Gudenus, der Ehrgeizling
Gudenus wird 1976 als zweitältester von vier Brüdern in Wien geboren. Die Familie entstammt ursprünglich einem niederösterreichischen Adelsgeschlecht. Dementsprechend verläuft sein Leben: Er besucht eine der ältesten Schulen Österreichs, das Wiener Elitegymnasium "Theresianum". Die Ferien verbringt er am Landsitz der Familie. Nach dem Abitur absolviert er ein Jurastudium, belegt Sommerkurse an einer Universität in Moskau und besucht anschließend die Diplomatische Akademie in Wien. Auch drei Fremdsprachen zählen zu Gudenus' Repertoire: Englisch, Französisch, Russisch. Sie alle beherrscht er gut. Eigentlich ungewöhnlich für jemanden, der als "Mann fürs Grobe" gilt.
Als Sohn des früheren FPÖ-Politikers und verurteilten Holocaustleugners John Gudenus hat Johann bereits von Kindheitstagen an Kontakt mit der Partei, die später seine politische Heimat werden sollte. Den Aufstieg von FPÖ-Übervater Jörg Haider in den 90er-Jahren bekommt der Teenager durch seinen Vater hautnah mit.
Doch die familiäre Prägung sei nicht der einzige Grund gewesen, warum er in die Politik gegangen sei. "Dass der Johann in die Politik gegangen ist, hat auch damit zu tun, dass er mehrmals von Ausländern grundlos zusammengeschlagen worden ist", sagte Vater John 2011 dem Monatsmagazin Datum. Diese Erlebnisse hätten ihn geprägt, meinte Gudenus Junior 2018 dazu in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Mit 17 tritt er in die Vorfeldorganisation der FPÖ, den Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) ein.
Johann Gudenus, der Strache-Freund
Gudenus arbeitet sich schnell hoch. Er kennt Strache bereits seit sieben Jahren, als dieser ihn 1998 zu seinem Nachfolger als Chef des RFJ Wien macht. Dazwischen und danach folgen mehrere Funktionen im Wiener Landtag und in den Bezirken. Gemeinderat, Bezirksrat, Landtagsmitglied und Fraktionsvorsitzender im Ausschuss für Jugend, Bildung, Information und Sport sowie Mitglied im Kulturausschuss: All diese Funktionen hatte Gudenus bereits inne, bevor er 2010 Obmann der FPÖ im Wiener Rathaus wird. Den letzten Schritt auf der Karriereleiter erklimmt er 2018. Gudenus wird zum Chef der FPÖ-Parlamentsfraktion bestellt, als sein damaliger Parteichef und Freund Strache als Vizekanzler in die Regierung einzieht.
Mit dem mehr als sieben Jahre älteren, nun geschassten Vizekanzler verbindet den Wiener eine lange Freundschaft. "Er ist jemand, dem ich stark vertraue. Er hat sich sehr um mich gekümmert", sagte Gudenus 2011 Datum über seinen politischen Ziehvater. Sein leiblicher Vater John macht den 15-Jährigen damals mit Strache bekannt, während dessen Anfängen als Bezirkspolitiker in Wien. Strache erkennt schnell Gudenus' Talent und seinen Fleiß. "Johann Gudenus ist mir aufgefallen, weil er eine sehr gute Jugendarbeit machte und viele junge Leute für den RFJ gewonnen hat", sagte Strache 2011 im Monatsmagazin Datum. 1998 holt ihn der Parteifreund in seine Burschenschaft, die schlage Verbindung Vandalia. Gudenus bekommt in der Studentenverbindung laut österreichischen Medien den Couleurnamen Wotan, so wie der germanische Göttervater. Wotan wird zum Schüler von Heinrich, wie Strache in der Burschenschaft genannt wird.

Später beginnen die beiden zusammen mit anderen FPÖ-Politikern nach Ibiza in den Urlaub zu fliegen. Die sonnige Partyinsel im Mittelmeer scheint schnell das Urlauberherz der Gruppe um Gudenus und seinen Mentor Strache zu erobern. So schnell, dass die Gruppe intern den Spitznamen "Ibiza-Partie" bekommt, berichten österreichische Medien.
Johann Gudenus, der Hardliner
Inhaltlich zählte er immer zu den Hardlinern. "Straches Kettenhund", "Haudegen", "Scharfmacher": alles Titel, die Gudenus schon von der österreichischen Presse verliehen bekam. Nicht ganz zu unrecht. Auch wenn er immer "schaue, den Ton so zu treffen, dass er nicht mit dem Gesetz in Konflikt" komme, wie er dem Magazin profil 2015 sagte, reizte Gudenus die Grenzen des Sagbaren bereits des Öfteren aus. Vokabel aus dem NS-Jargon scheute er ebenfalls nicht. Gudenus sprach bereits von "Umvolkung", vom "Knüppel aus dem Sack gegen Zuwanderer". Er half bei der Verbreitung des von vielen als antisemitisch kritisierten Narrativs vom ungarischen Milliardär George Soros, der die "Migrantenströme nach Europa" unterstütze, oder trat für eine "Kondomsteuer" zur Hebung der Geburtenrate und gegen Massenzuwanderung ein.
Das war selbst dem als besonnen geltenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zu kantig. Während der laufenden Koalitionsverhandlungen 2017 zwischen der ÖVP von Sebastian Kurz und Straches FPÖ, war Gudenus für ihn nicht ministrabel. Van der Bellen warnte im Falle, dass Gudenus als Minister vorgeschlagen werden würde, ihn nicht ernennen zu wollen.
Im Video aus Ibiza liegt auf dem Tisch vor Gudenus ein verdächtig aussehendes Pulver und nach der Aufdeckung sprach er von "psychotropen Substanzen", die er zum Zeitpunkt der Aufnahme eingenommen habe. Jahrelang hatte zuvor in Wien gegen Drogenzentren und Suchthilfeeinrichtungen kampagnisiert.
Johann Gudenus, der Russland-Versteher
Dass Gudenus im Video aus Ibiza den Vermittler zu der vermeintlichen russischen Oligarchin gibt, ist kein Zufall. Nach Russland hat er seit jeher beste Kontakte. Immer wieder setzte er sich für eine Öffnung gegenüber Russland ein. Im Februar 2012 besuchte Gudenus Tschetscheniens prorussischen Präsidenten Ramasan Kadyrow. Kadyrow wird in Tschetschenien nicht nur Korruption vorgeworfen, sondern auch gezielte Tötungen, Folter, Entführungen und weitere Menschenrechtsverletzungen. Gudenus schreckte das nicht ab. Er stimmte danach mit Kadyrow überein, dass die Tschetschenen in Österreich "fast ausschließlich Asylbetrüger und Wirtschaftsflüchtlinge" seien, die gefahrlos zurückkehren könnten. Schließlich gebe es in Tschetschenien "keine Anzeichen von Krieg oder Diskriminierung", wie er gegenüber den Medien betonte. Das österreichische Außenministerium bezeichnete die Reise als "absurd" und "ohne jegliche außenpolitische Relevanz". Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte den Besuch heftig.
Im März 2014 reiste Gudenus als angeblicher Wahlbeobachter in die Ukraine zum Referendum über den Status der Krim-Halbinsel. Organisiert wurde die Reise durch das vom belgischen Rechtsextremisten Luc Michel betriebene "Eurasian Observatory for Democracy and Elections", das bereits in der Vergangenheit ähnliche Missionen nach Russland organisiert hatte. Gudenus und seine Parteifreunde attestierten dem Referendum, es sei legitim und ohne "Druck oder Zwang" vonstattengegangen. Gläserne Wahlurnen, das offene Ausfüllen und das Fehlen von Kuverts für die Stimmzettel erklärten sie als ortsübliche Gegebenheiten.
Zum vorläufigen Höhepunkt der Russland-Beziehungen kam es 2016. Damals reiste eine FPÖ-Delegation um Gudenus und Strache nach Moskau und unterschrieb einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland.
Was Gudenus nun nach seiner politischen Karriere tun wird, bleibt offen. Aktuell sind keine Pläne bekannt. Womöglich kehrt er zurück ins Unternehmertum. Lange hatte er ein Handelsunternehmen mit russischen Partnern betrieben. 2010 legte er es still, als er Obmann der Wiener Stadtpartei wurde. Ob die Freundschaft mit Strache die Affäre überdauert, ist ebenfalls noch unklar. Denn als die Lockvögel im Ibiza-Video ihren Haken auswarfen, soll Gudenus als erster angebissen haben. Der engste Vertraute Straches könnte sich so als eben dessen politischer Totengräber erwiesen haben.

Quellen:"Die Presse","Die Presse", "Der Standard", "Der Falter", "ORF", "profil", "Datum"