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Regierungskrise in Österreich Der Nebendarsteller aus dem Ibiza-Video: Johann Gudenus, Straches "Mann fürs Grobe"

Der ehemalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache spricht in einer Villa auf Ibiza mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen über Parteispenden, die Übernahme der Kronen Zeitung und die Vergabe von Staatsaufträgen.
SPIEGEL / Süddeutsche Zeitung
Sehen Sie hier das Video, das die österreichische Staatskrise ausgelöst hat.


Der Süddeutschen Zeitung und dem SPIEGEL wurden Videoaufnahmen zugespielt, die eine Falle zeigen. Die Situation spielt 2017 kurz vor den Nationalratswahlen in Österreich. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus von der FPÖ wurden in diese Villa auf Ibiza gelockt, unter dem Vorwand, dass dort eine angebliche Nichte eines russischen Oligarchen darüber reden will, wie man russisches Geld in Österreich investieren will. Relevant ist, dass in diesem Video Aussagen getroffen werden, die nicht nur moralisch und politisch fragwürdig sind, sondern möglicherweise auch strafrechtliche Relevanz haben.


Gudenus: „Wenn’s so was überhaupt gibt oder s sagen willst, gibt es Spender für die Wahl jetzt, für den Wahlkampf?“


Strache: „Ja, ja.“


Gudenus: „Erzähl!“


Strache: „Ja, dann musst du übersetzen! Ja, es gibt ein paar sehr Vermögende. Die zahlen zwischen 500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen.“


Gudenus: „Jetzt für die Wahl?“


Strache: „Ja. Die zahlen aber nicht an die Partei, sondern an einen gemeinnützigen Verein. Das musst du erklären. Verein.“


Gudenus: „Ja, das habe ich schon vorher erklärt.“


Strache: „Du musst erklären, dass das nicht an den Rechnungshof geht.“


Auffällig ist, dass Strache und Gudenus darüber reden, wie man denn Spenden an die FPÖ schleusen könnte – im Endeffekt vorbei am Rechnungshof und damit auch vorbei an der Öffentlichkeit. Sie reden nämlich davon, dass wenn sie wolle, spenden könnte. Aber nicht an die Partei sondern an einen gemeinnützigen Verein. Das ist im Endeffekt genommen nichts anderes als ein Umgehung des österreichischen Parteiengesetzes und der österreichischen Vorschriften, was Parteispenden angeht.


Strache: „Die Spender, die wir haben, sind in der Regel Idealisten. Die wollen Steuersenkung. Gaston Glock.“
(Anm.: Der Waffenhersteller dementiert diese Behauptung.)


Gudenus: „Glock. Glock.“


Strache: „Genau. Heidi Horten.“
(Anm.: Horten dementiert diese Behauptung.)


Gudenus: „Heidi Horten. Pistolen. Glock.“


Strache: „Heidi Horten ist ein Beispiel. René Benko, der die FPÖ und uns zahlt – einer der größten Immobilienmakler Österreichs. Novomatic zahlt alle.“
(Anm.: Benko dementiert diese Behauptung.)
Gudenus: „Glücksspiel.“


Strache: „In Wahrheit der größte Steuerzahler Österreichs.“


Wenn das stimmt, dass diese Personen, wie Strache sagt, einen sechs- bis siebenstelligen Betrag über diesen vermutlich illegalen Weg schon an die Partei spenden, ist das sicherlich was, wo ich sogar vermuten würde, dass sich die Staatsanwaltschaft sehr, sehr genau dafür interessieren wird.
In dem Gespräch geht es über Stunden darum, wie sich die angebliche Russin sich möglicherweise in die Kronen Zeitung einkaufen könnte, also Anteile erwerben könnte. Heinz-Christian Strache spricht hier sehr deutlich davon, was man für einen Vorteil haben könnte. Wie gesagt, wir befinden uns ja kurz vor den Nationalratswahlen in Österreich. Das geht hier ganz klar um ein Interesse daran, die Kontrolle über ein unabhängiges Medium zu gewinnen.


Strache: „Schau, wenn sie wirklich die Zeitung vorher übernimmt – wenn’s wirklich vorher, um diese Wahl herum, zwei, drei Wochen vorher, die Chance gibt, über diese Zeitung uns zu pushen, dann passiert ein Effekt, den die anderen ja nicht kriegen. Wenn DAS Medium zwei, drei Wochen vor der Wahl, DIESES Medium, auf einmal uns pusht, dann hast du recht. Dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34 (Anm.: Prozent). Schau, schau. Sobald sie die Kronen Zeitung übernimmt, sobald das der Fall ist, müssen wir ganz offen reden. Da müssen wir uns zusammenhocken, müssen sagen: So, da gibt es bei uns in der Krone: zack, zack, zack. Drei, vier Leute, die müssen gepusht werden. Drei, vier Leute, die müssen abserviert werden. Und wir holen gleich noch mal fünf neue rein, die wir aufbauen. Und das ist der Deal.“


Was wir hier sehen, ist auch deswegen interessant, weil die FPÖ unter Strache sich immer als die Saubermann-Partei dargestellt hat. Die Korruption, das sind die anderen, oder die eigene Partei vor langer Zeit unter Heider. Aber das sind nicht wir. Wir sind diejenigen, die sich an Recht und Gesetz halten. Wenn wir jetzt aber sehen, wie hier geschachert wird, wie Dinge in Aussicht gestellt werden – wie zum Beispiel der Entzug von Staatsaufträgen von einem sehr, sehr einflussreichen österreichischen Unternehmer – da muss man sich dann schon fragen, ob dieses Saubermann-Image in Wahrheit wirklich nur so eine Fassade ist, hinter der es ganz anders aussieht.


Strache: „Schau, und dann sind wir genau beim Thema Strabag, Autobahnen. Du, das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich zusagen kann, ist: Der Haselsteiner (Anm.: ehemaliger Chef von Strabag) kriegt keine Aufträge mehr. So, dann haben wir ein Riesenvolumen an infrastrukturellen Veränderungen. Wenn da eine Qualität da ist und ein qualitativer Anbieter da ist, bin ich der Erste, der sagt – `Tschuldigung, `Tschuldigung – dann sag ich ihr, dann soll sie nämlich eine Firma wie die Strabag gründen. Weil alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann.“   


Am 16.05.2019 dementieren Benko, Glock, Horten und Noomatic gegenüber dem SPIEGEL und der Süddeutschen Zeitung, direkt oder indirekt an die FPÖ Geld gespendet zu haben.


Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache kommentierten:
  • „Bei allen Themen“ hätten beide an dem Abend auf „die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung“ Wert gelegt.
  • Allenfalls sei es um in Aussicht gestellte Parteispenden bzw. Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten gegangen.
  • Von den angeblichen Spendern seien „keine Spenden an die FPÖ“ eingegangen.
  • Es sei viel Alkohol geflossen, es habe eine hohe Sprachbarriere gegeben und keinen professionellen Übersetzer.

Johann Gudenus gab den Dolmetscher in dem Ibiza-Video. Seine Schützenpose in den Aufnahmen sorgte für Häme in den sozialen Medien. Der Nebendarsteller des Skandals im Porträt.
Von Nikolaus Pichler

Er galt als Intimus von Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, er war Vizebürgermeister von Wien und Vorsitzender der FPÖ-Parlamentsfraktion im österreichischen Nationalrat: Gudenus, der Nebendarsteller im Ibiza-Video ist bereits von all seinen Funktionen zurückgetreten und hat die FPÖ verlassen. Beim berüchtigten Treffen in der Finca fungierte er als Dolmetscher, jetzt fürchtet er weiteres Material, das ihn "in kompromittierenden Situationen" zeige. In der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" entschuldigte er sich für sein Fehlverhalten, das "an Peinlichkeit nicht zu überbieten" sei und nahm gleich vorweg, dass die Veröffentlichung weiterer Videos bevorstehen könnte.

Doch wer ist der Mann, der sich selbst als Nadelstreif-Rechten bezeichnet und dessen James-Bond-Pose aus den Aufnahmen für viel Spott und Häme sorgte?

Johann Gudenus, der Ehrgeizling

Gudenus wird 1976 als zweitältester von vier Brüdern in Wien geboren. Die Familie entstammt ursprünglich einem niederösterreichischen Adelsgeschlecht. Dementsprechend verläuft sein Leben: Er besucht eine der ältesten Schulen Österreichs, das Wiener Elitegymnasium "Theresianum". Die Ferien verbringt er am Landsitz der Familie. Nach dem Abitur absolviert er ein Jurastudium, belegt Sommerkurse an einer Universität in Moskau und besucht anschließend die Diplomatische Akademie in Wien. Auch drei Fremdsprachen zählen zu Gudenus' Repertoire: Englisch, Französisch, Russisch. Sie alle beherrscht er gut. Eigentlich ungewöhnlich für jemanden, der als "Mann fürs Grobe" gilt.

Als Sohn des früheren FPÖ-Politikers und verurteilten Holocaustleugners John Gudenus hat Johann bereits von Kindheitstagen an Kontakt mit der Partei, die später seine politische Heimat werden sollte. Den Aufstieg von FPÖ-Übervater Jörg Haider in den 90er-Jahren bekommt der Teenager durch seinen Vater hautnah mit. 

Doch die familiäre Prägung sei nicht der einzige Grund gewesen, warum er in die Politik gegangen sei. "Dass der Johann in die Politik gegangen ist, hat auch damit zu tun, dass er mehrmals von Ausländern grundlos zusammengeschlagen worden ist", sagte Vater John 2011 dem Monatsmagazin Datum. Diese Erlebnisse hätten ihn geprägt, meinte Gudenus Junior 2018 dazu in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Mit 17 tritt er in die Vorfeldorganisation der FPÖ, den Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) ein.

Johann Gudenus, der Strache-Freund

Gudenus arbeitet sich schnell hoch. Er kennt Strache bereits seit sieben Jahren, als dieser ihn 1998 zu seinem Nachfolger als Chef des RFJ Wien macht. Dazwischen und danach folgen mehrere Funktionen im Wiener Landtag und in den Bezirken. Gemeinderat, Bezirksrat, Landtagsmitglied und Fraktionsvorsitzender im Ausschuss für Jugend, Bildung, Information und Sport sowie Mitglied im Kulturausschuss: All diese Funktionen hatte Gudenus bereits inne, bevor er 2010 Obmann der FPÖ im Wiener Rathaus wird. Den letzten Schritt auf der Karriereleiter erklimmt er 2018. Gudenus wird zum Chef der FPÖ-Parlamentsfraktion bestellt, als sein damaliger Parteichef und Freund Strache als Vizekanzler in die Regierung einzieht.

Mit dem mehr als sieben Jahre älteren, nun geschassten Vizekanzler verbindet den Wiener eine lange Freundschaft. "Er ist jemand, dem ich stark vertraue. Er hat sich sehr um mich gekümmert", sagte Gudenus 2011 Datum über seinen politischen Ziehvater. Sein leiblicher Vater John macht den 15-Jährigen damals mit Strache bekannt, während dessen Anfängen als Bezirkspolitiker in Wien. Strache erkennt schnell Gudenus' Talent und seinen Fleiß. "Johann Gudenus ist mir aufgefallen, weil er eine sehr gute Jugendarbeit machte und viele junge Leute für den RFJ gewonnen hat", sagte Strache 2011 im Monatsmagazin Datum. 1998 holt ihn der Parteifreund in seine Burschenschaft, die schlage Verbindung Vandalia. Gudenus bekommt in der Studentenverbindung laut österreichischen Medien den Couleurnamen Wotan, so wie der germanische Göttervater. Wotan wird zum Schüler von Heinrich, wie Strache in der Burschenschaft genannt wird. 

Der ehemalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache spricht in einer Villa auf Ibiza mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen über Parteispenden, die Übernahme der Kronen Zeitung und die Vergabe von Staatsaufträgen.
SPIEGEL / Süddeutsche Zeitung

Später beginnen die beiden zusammen mit anderen FPÖ-Politikern nach Ibiza in den Urlaub zu fliegen. Die sonnige Partyinsel im Mittelmeer scheint schnell das Urlauberherz der Gruppe um Gudenus und seinen Mentor Strache zu erobern. So schnell, dass die Gruppe intern den Spitznamen "Ibiza-Partie" bekommt, berichten österreichische Medien.

Johann Gudenus, der Hardliner

Inhaltlich zählte er immer zu den Hardlinern. "Straches Kettenhund", "Haudegen", "Scharfmacher": alles Titel, die Gudenus schon von der österreichischen Presse verliehen bekam. Nicht ganz zu unrecht. Auch wenn er immer "schaue, den Ton so zu treffen, dass er nicht mit dem Gesetz in Konflikt" komme, wie er dem Magazin profil 2015 sagte, reizte Gudenus die Grenzen des Sagbaren bereits des Öfteren aus. Vokabel aus dem NS-Jargon scheute er ebenfalls nicht. Gudenus sprach bereits von "Umvolkung", vom "Knüppel aus dem Sack gegen Zuwanderer". Er half bei der Verbreitung des von vielen als antisemitisch kritisierten Narrativs vom ungarischen Milliardär George Soros, der die "Migrantenströme nach Europa" unterstütze, oder trat für eine "Kondomsteuer" zur Hebung der Geburtenrate und gegen Massenzuwanderung ein.

Das war selbst dem als besonnen geltenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zu kantig. Während der laufenden Koalitionsverhandlungen 2017 zwischen der ÖVP von Sebastian Kurz und Straches FPÖ, war Gudenus für ihn nicht ministrabel. Van der Bellen warnte im Falle, dass Gudenus als Minister vorgeschlagen werden würde, ihn nicht ernennen zu wollen.

Im Video aus Ibiza liegt auf dem Tisch vor Gudenus ein verdächtig aussehendes Pulver und nach der Aufdeckung sprach er von "psychotropen Substanzen", die er zum Zeitpunkt der Aufnahme eingenommen habe. Jahrelang hatte zuvor in Wien gegen Drogenzentren und Suchthilfeeinrichtungen kampagnisiert.

Johann Gudenus, der Russland-Versteher

Dass Gudenus im Video aus Ibiza den Vermittler zu der vermeintlichen russischen Oligarchin gibt, ist kein Zufall. Nach Russland hat er seit jeher beste Kontakte. Immer wieder setzte er sich für eine Öffnung gegenüber Russland ein. Im Februar 2012 besuchte Gudenus Tschetscheniens prorussischen Präsidenten Ramasan Kadyrow. Kadyrow wird in Tschetschenien nicht nur Korruption vorgeworfen, sondern auch gezielte Tötungen, Folter, Entführungen und weitere Menschenrechtsverletzungen. Gudenus schreckte das nicht ab. Er stimmte danach mit Kadyrow überein, dass die Tschetschenen in Österreich "fast ausschließlich Asylbetrüger und Wirtschaftsflüchtlinge" seien, die gefahrlos zurückkehren könnten. Schließlich gebe es in Tschetschenien "keine Anzeichen von Krieg oder Diskriminierung", wie er gegenüber den Medien betonte. Das österreichische Außenministerium bezeichnete die Reise als "absurd" und "ohne jegliche außenpolitische Relevanz". Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte den Besuch heftig.

Im März 2014 reiste Gudenus als angeblicher Wahlbeobachter in die Ukraine zum Referendum über den Status der Krim-Halbinsel. Organisiert wurde die Reise durch das vom belgischen Rechtsextremisten Luc Michel betriebene "Eurasian Observatory for Democracy and Elections", das bereits in der Vergangenheit ähnliche Missionen nach Russland organisiert hatte. Gudenus und seine Parteifreunde attestierten dem Referendum, es sei legitim und ohne "Druck oder Zwang" vonstattengegangen. Gläserne Wahlurnen, das offene Ausfüllen und das Fehlen von Kuverts für die Stimmzettel erklärten sie als ortsübliche Gegebenheiten.

Zum vorläufigen Höhepunkt der Russland-Beziehungen kam es 2016. Damals reiste eine FPÖ-Delegation um Gudenus und Strache nach Moskau und unterschrieb einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland.

Was Gudenus nun nach seiner politischen Karriere tun wird, bleibt offen. Aktuell sind keine Pläne bekannt. Womöglich kehrt er zurück ins Unternehmertum. Lange hatte er ein Handelsunternehmen mit russischen Partnern betrieben. 2010 legte er es still, als er Obmann der Wiener Stadtpartei wurde. Ob die Freundschaft mit Strache die Affäre überdauert, ist ebenfalls noch unklar. Denn als die Lockvögel im Ibiza-Video ihren Haken auswarfen, soll Gudenus als erster angebissen haben. Der engste Vertraute Straches könnte sich so als eben dessen politischer Totengräber erwiesen haben.

Regierungskrise in Österreich: Der Nebendarsteller aus dem Ibiza-Video: Johann Gudenus, Straches "Mann fürs Grobe"

Quellen:"Die Presse","Die Presse", "Der Standard", "Der Falter", "ORF", "profil", "Datum"

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