BND-Ausschuss Leibesvisite bei rot-grünen Alpha-Tieren

Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier gehörten zu den Leitfiguren der rot-grünen Ära, nun müssen sie vor dem BND-Ausschuss aussagen. Den interessiert, was sie wann von der Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri durch die CIA wussten.

Eigentlich ist der Termin für den Außenminister denkbar ungünstig. Denn eigentlich muss Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag nach Brüssel. Um acht am Abend dinieren die EU-Kollegen, und eigentlich darf Steinmeier da nicht fehlen. Immerhin übernehmen die Deutschen im Januar den EU-Vorsitz. Tatsächlich aber kann es gut sein, dass Steinmeier in Berlin aufgehalten wird. Lange. Und zwar von einer Sache, die mit seinem alten Job zu tun hat, mit seiner Rolle als Kanzleramtschef des vormaligen Kanzlers Gerhard Schröder.

Der Fall el Masri

Es geht um die Frage, ob die rot-grüne Regierung in den bisweilen völkerrechtswidrigen Anti-Terror-Kampf der USA verstrickt war. Steinmeier, 50, muss vor dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri aussagen. Vor ihm, am gleichen Tag, wird ein weiteres Alphatier der rot-grünen Ära gehört: Joschka Fischer, 58, Steinmeiers Vorgänger im Amt, derzeit Lehrbeauftragter an der US-Elite-Uni Princeton, vormals deutscher Außenminister. Es sind die prominentesten Zeugen, die in dem Ausschuss aussagen. Vor Fischer kommt der derzeitige Geheimdienst-Koordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, zu Wort.

Der mittlerweile 43-jährige Khaled el Masri war im Dezember 2003 von dem US-Geheimdienst CIA in Mazedonien entführt und kurze Zeit später nach Afghanistan verschleppt worden. Unschuldig. In Afghanistan folterten ihn die Amerikaner nach seinen Angaben. Erst im Mai 2004 wurde er auf freien Fuß gesetzt. El-Masri wurde so Opfer des Verschleppungsprogramms der Amerikaner ("renditions"): Die CIA entführte Terror-Verdächtige und brachte sie an geheime Orte, an denen sie ihre völkerrechtlichen Schutzansprüche nicht geltend machen konnten und den Methoden des US-Geheimdienstes ausgeliefert waren.

Wer ist "Sam"?

Ein Sonderausschuss des EU-Parlaments untersucht mittlerweile die Verstrickung der Regierungen der EU-Mitgliedsländer in dieses System der Verschleppung. Ende November bezichtigte das Gremium zehn EU-Mitglieder, bei den berüchtigten CIA-Gefangenenflügen "passiv oder aktiv" mit dem US-Geheimdienst zusammen gearbeitet zu haben. Polen steht sogar im Verdacht, dass auf seinem Gebiet ein geheimes CIA-Gefängnis betrieben worden ist.

Für die Bundesregierung ist der Fall prekär. Zum einen berichtete el Masri nach seiner Freilassung, dass er in Afghanistan von einem deutschsprachigen Agenten namens "Sam" verhört worden sei. Sollte sich erweisen, dass dieser "Sam" im Auftrag oder mit Wissen der Bundesregierung in Afghanistan war, hätte sie die Verschleppung aktiv unterstützt anstatt einem deutschen Staatsbürger in einer Notlage zu helfen. Hier wird es vor allem für den BND brenzlig, aber auch für Steinmeier. Der hatte in der Berliner Machtzentrale die Aufgabe, die Arbeit der Dienste zu überwachen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Panne in der Informationskette

Der damalige BND-Chef August Hanning, mittlerweile Staatssekretär im Innenministerium, bestritt vor dem Ausschuss, vor el-Masris Freilassung von der Entführung Kenntnis gehabt zu haben. Dasselbe gilt für den damaligen Geheimdienstkoodinator im Kanzleramt, Ernst Uhrlau, heute BND-Chef. Dass ein BND-Mitarbeiter im mazedonischen Skopje von der Entführung zwar gehört hatte, aber diese Information nicht nach Berlin weiter gegeben hat, wird als "Panne" gewertet. Auch Steinmeier behauptete bislang immer, erst nach der Freilassung el Masris von der Entführung gehört zu haben.

Schilys Stelldichein bei Coats

Offen ist auch der Inhalt eines Gesprächs des damaligen Innenministers Otto Schily mit dem damaligen US-Botschafter in Berlin, Daniel Coats. Ende Mai 2004, nach der Freilassung el Masris, unterrichtete Coats Schily über den Fall. Der Innenminister sicherte dem Botschafter Vertraulichkeit zu - und gab die neue Erkenntnis offiziell nicht weiter. Offiziell erfuhr die Regierung von der Verschleppung erst Anfang Juni durch ein Schreiben von el Masris Anwalt. Der Öffentlichkeit wurde erst viel später über das Schily-Coats-Tête-á-Tête informiert, nämlich im Dezember 2005 von der "Washington Post", die den Fall el-Masri in einem Artikel mit dem Titel "Anatomy of a Mistake" ("Anatomie eines Fehlers") beleuchtete. Bei seiner Aussage vor dem Ausschuss bestritt Ex-Innenminister Schily jedwedes Fehlverhalten. Zum Inhalt seines Gesprächs mit Coats wollte er keine Aussagen machen. Er berief sich auf sein Schweigerecht.

Hans-Christian Ströbele, Grünen-Obmann im Ausschuss, zog am Mittwoch eine gemischte Bilanz der bisherigen Ausschussarbeit. Die Befragungen zum Fall el Masri hätten in wichtigen Punkten Aufklärung gebracht, sagte er. Demnach habe man keine Belege dafür gefunden, dass die deutschen Geheimdienste gezielt Informationen an die US-Kollegen weiter gegeben hätten oder in die Entführung el Masris verwickelt gewesen seien. Offen sei dagegen nach wie vor die Identität des ominösen "Sam" sowie der Inhalt des Gesprächs Schilys mit Coats. Hier hätten sich in der Ausschussarbeit erhebliche Schwierigkeiten aufgetan, weil die Regierung schlicht zu viele Unterlagen als geheim eingestuft habe und so die Aufklärung erschwert habe.

Ströbele hofft auf Karlsruhe

"Noch nie hat ein Untersuchungsausschuss so oft geheim getagt", sagte Ströbele. Er hoffe jedoch auf zwei "mächtige Freunde", um dennoch an diese Informationen zu gelangen: Zum einen hoffe er, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Anfang 2007 die Bundesregierung ermächtige, zu diesem Thema auszusagen - dann sei etwa Schily gezwungen, auch über sein Gespräch mit Coats Auskunft zu geben. Zum anderen setze er auf den neuen, von Demokraten dominierten Kongress in den USA. Sobald dieser die Praxis der "renditions" untersuche, hoffe er auf einen Austausch von Informationen, sagte Ströbele.

Bei der Befragung Steinmeiers dürften sich Ströbele und die weiteren Vertreter der Opposition am Donnerstag auf die Frage konzentrieren, ob der Außenminister Informationen zum Fall el-Masri dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) und den ermittelnden Staatsanwälten in München vorenthielt. Die "Berliner Zeitung" berichtete am Donnerstag, dass Steinmeier bereits Mitte Januar 2005 eine Bestätigung von US-Seite erhalten habe, dass el-Masri monatelang in Afghanistan gefangen gehalten worden sei. Diese Information habe er an die zuständigen Stellen jedoch nicht weiter gegeben.

Kurnaz steht nicht auf der Agenda. Noch nicht

Für Steinmeier, und auch für Fischer, ist die Befragung zum Fall el Masri möglicherweise ohnehin nur eine Übung für den Ernstfall. Dass hier der konkrete Nachweis erbracht werden kann, dass sie etwas wussten aber untätig blieben, ist unwahrscheinlich. Eindeutiger dürfte die Beweislage dagegen im Fall des in Bremen aufgewachsenen türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz werden. Kurnaz war Ende 2001 von den Amerikanern in Pakistan entführt und anschließend mehr als vier Jahre, im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba unschuldig und völkerrechtswidrig interniert worden.

Nach Informationen des stern lehnte die Bundesregierung mit Wissen Steinmeiers im Oktober 2002 ein Angebot der USA ab, Kurnaz aus dem Lager zu entlassen. Fischer soll demnach bereits im Januar 2002 von dem Fall erfahren haben. Weshalb die Bundesregierung das Angebot der Amerikaner ablehnte, wird im neuen Jahr Gegenstand einer weiteren Anhörungsrunde des Untersuchungs-Ausschusses sein. Vermutlich werden dann beide rot-grünen Alphatiere erneut aussagen müssen. EU-Vorsitz hin oder her.