Bundestagsbeteiligung zur Euro-Rettung Die Entscheidung liegt beim Bundesverfassungsgericht

Darf die Politik überhaupt in großem Stil deutsche Steuergelder zur Stabilisierung Griechenlands und anderer Euro-Partner verpfänden? Wenn ja: Ist das Sache der Regierung oder des Bundestages? Das Bundesverfassungsgericht wird am Mittwoch sein Urteil darüber verkünden.

Der Streit um eine stärkere Beteiligung des Bundestags an milliardenschweren Euro-Rettungsaktionen der Bundesregierung geht quer durch die Regierungsfraktionen. Wie weit die künftigen Mitspracherechte reichen müssen, entscheidet sich am kommenden Mittwoch - in Karlsruhe, nicht in Berlin. Dann verkündet das Bundesverfassungsgericht sein in Eiltempo gefasstes Urteil zur Griechenland-Hilfe sowie zum ersten Euro-Rettungsschirm und wird, das wurde in der mündlichen Verhandlung deutlich, voraussichtlich mehr Mitspracherechte für die Abgeordneten anordnen.

Entscheidung über Unzulässigkeit der Euro-Hilfe

Nach Ansicht der Kläger, einer Professoren-Gruppe und des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, sind die deutschen Bürgschaften für Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden Euro und die Beteiligung am Euro-Rettungsschirm mit 123 Milliarden Euro plus einem Risikozuschlag von 20 Prozent unzulässig, weil sie unter anderem gegen EU-Recht sowie das Wahlrecht der Bürger verstoßen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte dies in der mündlichen Verhandlung Anfang Juli zurückgewiesen und versucht, bei den Richtern mit politischen Argumenten zu punkten. Die deutsche Wirtschaft profitiere von der Euro-Rettung mehr als andere EU-Länder, denn "zwei Drittel unsere Exporte gehen in die Länder der Europäischen Union", sagte der Finanzminister. Das Wachstum von 3,6 Prozent im vergangenen Jahr sei ohne die gemeinsame Währung, die vor krisenhaften Wechselkursschwankungen bewahre, nicht möglich gewesen.

Doch die Verfassungshüter werden über diesen Aspekt ebenso wenig befinden, wie über den Vorwurf des Klägervertreters Albrecht Schachtschneider, dass die Auszahlung von Milliardenhilfen zu einer Inflation führen und das Eigentum der Bürger gefährden könnte: Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte mit Blick darauf, dass "die richtige ökonomische Strategie zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise" nicht auf dem Prüfstand stehe. Das Gericht habe vielmehr "die Grenzen auszuloten, die das Grundgesetz der Politik dabei setzt".

Kritiker sehen Wahlrecht der Bürger ausgehebelt

Auf diese Grenzen zielt auch der wichtigste Argumentationsstrang der Kläger: Die 123 Milliarden Euro, für die der deutsche Steuerzahler einstehen müsste, entsprächen fast der Hälfte des Gesamthaushalts von 2009 und würden im Krisenfall die Haushaltsplanungen des Bundestags extrem belasten - und damit nach Ansicht der Beschwerdeführer das Wahlrecht aushebeln: Die gewählten Volksvertreter im Parlament wären ihres Königsrechts beraubt, über jährliche Haushaltsdebatten und Mittelbewilligungen Politik mitzugestalten, wenn kaum noch Gelder zum Verteilen vorhanden sind.

Karlsruhe wird das vermutlich auch so sehen und wie etwa im sogenannten Lissabon-Urteil zum europäischen Einigungsprozess eine weitere Stärkung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte anordnen. Abgeordnete aller Regierungsfraktionen fordern deshalb schon jetzt, dass der Bundestag - ähnlich wie bei Einsätzen der Bundeswehr - künftig in jedem einzelnen Krisenfall der Mittelvergabe zustimmen muss.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dass die Tücke dabei im Detail liegt, haben die Finanzexperten unter den Parlamentariern inzwischen erkannt. So wird diskutiert, dass Schäuble im Rat der Regierungen für den Euro-Rettungsfonds EFSF immer dann mit Nein stimmen muss, wenn ihm der Bundestag keine gegenteilige Ermächtigung mit auf den Weg gegeben hat. Damit wollen die Parlamentarier verhindern, dass sich Schäuble enthält und der Rat dann Beschlüsse fassen kann, an die sich der Bundestag verbindlich halten muss.

Dass Karlsruhe ein entsprechendes Urteil fällen könnte, schließt auch die Bundesregierung nicht mehr aus: Bundestag und Bundesrat sollen Ende September der Ausweitung der deutschen Bürgschaft für den EFSF-Fonds auf 211 Milliarden Euro zwar zustimmen. Zu den vom Bundestag geforderten Mitbestimmungsrechten fasste das Kabinett aber noch keine Beschlüsse. Erst soll der Spruch der Karlsruher Richter abgewartet werden.

Reuters
Jürgen Oeder, AFP/Reuters