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Bundestagsdebatte zum Kanzler-Etat Auf die Allgemeinplätze, fertig, los

Den Euro-Ländern steht das Wasser bis zum Hals. Aber bei der Generaldebatte im Bundestag sind nur Plattitüden zu hören. Eine Rezension.
Von Hans Peter Schütz

Was ist von einer Generaldebatte im Bundestag zu erwarten? Was sollte erkennbar sein, wenn die parlamentarische Elite den politischen Kurs sondiert, analysiert und diskutiert? Das Publikum sollte feststellen können, wohin die politische Reise geht.

Nichts dergleichen hat die jüngste Generalaussprache des Bundstags geliefert. Viel heiße Luft waberte durch den Plenarsaal, zuweilen setzte es nette Sottisen, wenn etwa der grüne Fraktionschef Jürgen Trittin erklärt, die "FDP ist ein Problem mit abnehmender Tendenz". Oder wenn der Linkspartei zugerufen wird: "Der männliche Vorsitzende [Klaus Ernst] steht für Hummer, die weibliche Vorsitzende [Gesine Lötzsch] für Sichel." Oder wenn sich Außenminister Guido Westerwelle gegen die Kritik der Linkspartei an seiner Libyen-Politik mit dem Satz wehrt: "Wer Fidel Castro Liebesbriefe schreibt, braucht der Bundesregierung keine Vorhaltungen in der Außenpolitik zu machen." Politisch wegweisender ist es allerdings auch nicht, wenn der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle der SPD zuruft: "Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste Sozi im Land?" Klar doch, was Brüderle hören möchte: Brüderle, Brüderle.

Zum xten Mal: Eurobonds

Es hätte aus diesem Parlamentstag angesichts der politischen Lage mehr werden können, mehr werden müssen. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht der erkennbar unruhigen Kanzlerin Angela Merkel die Blamage erspart, die Beschlüsse zur Griechenlandhilfe und zum EU-Rettungsschirm zu missbilligen. Das löste immerhin einen Hauch mehr rednerische Leidenschaft aus, als man es sonst bei Merkel kennt. Kopfschütteln war aber selbst bei einigen Abgeordneten der CDU/CSU zu erkennen, als Merkel das Urteil mit dem Satz bewertete, die Richter in den roten Roben hätten ihre bisherige Politik "absolut bestätigt".

Merkel beschwor ansonsten wortreich einmal mehr die Rettung Europas, muss dabei künftig indes die Zustimmung des Haushaltsausschusses einholen, und wiederholte zum x-ten Male, dass es mit ihrem Einverständnis keine Eurobonds geben wird. Dass ihre politische Glaubwürdigkeit in der Eurokrise längst ausgehöhlt ist, war ihr keinen Satz wert. Vergessen längst, dass es für die überschuldeten Griechen zunächst keinen Cent geben sollte und jetzt die Milliarden bereitstehen. Unterdrückt, dass man vor kurzem das Wort "Rettungsschirm" in dieser Koalition noch gar nicht kannte.

Opposition macht Trittin

Nicht viel besser der Starredner der SPD, Frank-Walter Steinmeier. Spricht der ganz in Schwarz gekleideten Merkel, deren Vater jüngst gestorben war, das Beileid der Sozialdemokraten aus, verliert darüber aber offenbar die Konzentration: Steinmeier plädiert dafür, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu verbieten, die niedrigere Neuverschuldung im neuen Haushalt und die unter drei Millionen gesunkene Zahl der Arbeitslosen als Verdienste der schwarz-gelben Bundesregierung zu bezeichnen. Die CDU/CSU-Fraktion quittiert das indirekte Lob mit frenetischem Applaus. Eine Klatsche, die Steinmeier weh getan haben muss. Sehnsucht nach dem Beinahe-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück macht sich bei den Sozialdemokraten breit, als Steinmeier noch den Satz von sich gibt, schlimmer als das Handeln der Regierung sei "ihr Nichthandeln". Ein Steinbrück wollte schon mal die "Kavallerie" in die Schweiz schicken, um der Steuerhinterzieher habhaft zu werden, der freundliche Herr Steinmeier rügt das jüngste, von Schäuble ausgehandelte Abkommen mit der Schweiz, das Steuerhinterzieher rundum schont, als "Etikettenschwindel". Irgendeine Attacke auf die Kanzlerin riskiert er nicht. Ein Beifall ohne jedes Feuer der eigenen Leute verabschiedete Steinmeier nach diesem Auftritt.

Wie man Opposition macht, hätte der Sozialdemokrat bei Jürgen Trittin lernen können, der sich bei seinem Auftritt als neuer Bundeswirtschaftsminister empfiehlt, sofern es nach der nächsten Bundestagswahl zu einer rot-grünen oder schwarz-grünen Koalition kommen sollte. Elegant, wie er beide Volksparteien gleichermaßen unter Beschuss nimmt. Die CDU, so analysiert Trittin, leide offenbar am "Volksparteienbazillus". Und gibt guten, giftigen Rat: "Fragen Sie mal Sigmar Gabriel, wie das ist, die SPD hat den schon länger." Als der Grüne redet, kehrt auch die Kanzlerin wieder in ihren Stuhl mit der erhöhten Lehne zurück und lauscht Trittin fast andächtig.

Ein mattes "Weiter so"

Es ist unterm Strich eine Generaldebatte der Allgemeinplätze. Klar, es fehlt nicht an Ratschlägen und Ankündigungen, wie denn nun die Eurokrise zu meistern sei. Mal wird für Sparprogramme plädiert, mal nach Schuldenbremsen gerufen, aber kein Redner skizziert ein Gesamtkonzept zur Euro-Rettung. Die Frage, ob die CDU/CSU und die FDP Ende September überhaupt eine Mehrheit im Bundestag haben, wenn es um die nächsten Schritte geht, wird an keiner Stelle erwähnt. Auch von den Steuersenkungen, die die FDP fordert, ist kein Ton zu hören. Keiner sagt, was denn mit Griechenland nun geschehen soll, wenn es sich weiterhin energischer Sparaktionen verweigert. Schuldenschnitt oder Rauswurf aus der Eurozone? Keine Antworten, sondern nur ein Vorwurf aus dem Mund des Oppositionsführers Steinmeier an Schwarz-Gelb: "Für Deutschland ist jeder Monat ein Gewinn, den dieses Drama früher zu Ende geht."

"Es wird ein langer, schwieriger Weg", prophezeit Angela Merkel. Ob der zu meistern ist mit ihrem "Weiter so!", bleibt allerdings offen.

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