Wenn es eine belastbare Gewissheit über Stimmungslagen gibt, dann vielleicht diese: Sie können sich schnell drehen, mitunter ins komplette Gegenteil.
Im vergangenen Bundestagswahlkampf konnten alle drei Kanzlerkandidaten irgendwann davon ausgehen, das Rennen zu machen. Anfangs Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), zwischendurch Armin Laschet (CDU, für die Union) und zuletzt Olaf Scholz (SPD). Alle drei erlebten Höhen und Tiefen, nicht zuletzt in den Umfragen.
Baerbock setzte ihrem einstigen Höhenflug durch Patzer und Plagiatsvorwürfe ein jähes Ende, Laschet lachte sich seinen Vorsprung im Hochwassergebiet weg und Scholz profitierte vor allem von den Fehlern der anderen. Monatelang schien die SPD im Umfragekeller einzementiert, nun sitzt Scholz im Kanzleramt.
Umfragen sind Momentaufnahmen der Stärke und der Schwäche. Im Saarland liegt das Momentum gerade bei der SPD. Allerdings in einer Deutlichkeit, dass sich die Sozialdemokraten fünfeinhalb Wochen vor den Landtagswahlen durchaus Hoffnungen auf die Staatskanzlei machen können.
Eine Hypothek für Hans
Dem aktuellen "Saarlandtrend" zufolge, würden 38 Prozent der Saarländer:innen die SPD wählen und nur 29 Prozent die Union. Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.
Das kleinste Flächenland Deutschlands wird seit 20 Jahren von der CDU regiert, seit 2012 von einer großen Koalition unter Führung der Christdemokraten. Bei der letzten Landtagswahl hatte Annegret Kramp-Karrenbauer, gegen den Bundestrend, mehr als 40 Prozent der Stimmen geholt.
Zu Tisch, bitte: Die vielen Botschaften hinter dem machterfüllten Möbelstück

Es war ein Kantersieg von Kramp-Karrenbauer – und eine Hypothek für ihren auserkorenen Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Tobias Hans, der sich nun erstmals zur (Wieder-)Wahl stellt und schlimmstenfalls um eine Regierungsbeteiligung bangen muss.
Nun kann innerhalb von fünf Wochen noch viel passieren (und wird es vermutlich auch, aber dazu später mehr). Doch kann eine weitere Besonderheit Hans' außerordentlich beliebte Herausforderin und Stellvertreterin Anke Rehlinger hoffnungsvoll stimmen.
Die SPD bleibt im Saarland an der Spitze
In diesem Jahr stehen mehrere Landtagswahlen an. Den Auftakt macht am 27. März das Saarland, im Mai wird zunächst in Schleswig-Holstein und dann in Nordrhein-Westfalen gewählt – in all diesen Ländern führt die CDU die Regierungsgeschäfte. Einzig in Niedersachsen, wo die Wahl im Herbst ansteht, hat die SPD mit Ministerpräsident Stephan Weil ihre Vormachtstellung zu verteidigen.
Das Saarland kann die SPD hoffen lassen, denn nur dort behalten die Sozialdemokraten offenbar den schönen Schwung bei, der von dem Wahlsieg im Bund ausging.
Die Eroberung des Kanzleramtes gab der SPD ordentlich Auftrieb in den Umfragen, kurz nach der Bundestagswahl setzten sich die Sozialdemokraten auch in Nordrhein-Westfalen deutlich von der CDU ab. Nun, wo die Euphorie des Anfangs zunehmend den Unannehmlichkeiten des politischen Alltags weicht, verliert die SPD wieder an Höhe. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Schleswig-Holstein scheint für die CDU wieder alles drin zu sein. Während die SPD im Saarland erhaben an der Spitzenposition der Stimmungslage verharrt.
Berlin schaut zu
Das muss natürlich nicht so bleiben. SPD-Herausforderin Rehlinger darf sich einerseits keine Fehler erlauben und muss, andererseits, darauf hoffen, dass andere keine machen – zumal Ministerpräsident Hans nicht die Wahlkampfwaffen strecken wird, für ihn geht es um alles oder nichts. Außerdem könnte der behagliche Vorsprung der SPD durch allerhand Reizthemen schwinden.
Die derzeitige Bedrohungslage durch Russland an der ukrainischen Grenze hält die Deutschen im Bann – und in unregelmäßiger Regelmäßigkeit auch den SPD-Altkanzler Gerhard Schröder, der im Sold russischer Gaskonzerne steht und der Ukraine "Säbelrasseln" vorwarf. Hinzu kommt das Ringen um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, für die sich Kanzler Scholz zwar wiederholt einsetzt, aber immer weiter ins Abseits rückt. Eine Entscheidung des Bundestags, also auch ein Scheitern des Vorhabens, könnte praktisch parallel zur Landtagswahl im Saarland fallen. Und dann wären da noch die steigenden Energiepreise und die hohe Inflation, die für die SPD auch im Bund schon jetzt zum Problem werden.
In Berlin wird man die Abstimmung mit besonderem Interesse verfolgen. Nach der Bundestagswahl stellt der Urnengang auch einen ersten Stimmungstest dar – für die neue Bundesregierung unter Kanzler Scholz, aber auch für die Union im Allgemeinen und Friedrich Merz im Besonderen, der als neuer CDU-Parteichef und Unionsfraktionsvorsitzender federführend die Oppositionsarbeit verantwortet.
Wie der Showdown im Saarland ausgeht, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen – die Stimmung kann sich schnell drehen. Stand jetzt könnte dieser besonders der CDU schmerzen.