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Rückkehr der Eurokrise Warum Zypern Merkels Macht bedroht

Im September ist Bundestagswahl. Die Kanzlerin wird alles tun, bis dahin keine neuen Milliardenzusagen an Eurokrisenländer zu machen, für die der Steuerzahler geradesteht. Hält sie das durch?
Von Thomas Schmoll

Auch - oder gerade - ein wackeres Zugpferd erleidet irgendwann einen Schwächeanfall. Deutschland erlebte gerade einen. Die Wirtschaft schrumpfte im letzten Quartal 2012. Doch nun hat die Ökonomie wieder Tritt gefasst. Für das erste Quartal 2013 sind die Prognosen bestens. Die Zuversicht hängt mit dem Abflauen der Eurokrise zusammen. Der Kurs der Gemeinschaftswährung ist gestiegen und selbst Krisenstaaten können sich wieder zu akzeptablen Zinsen frische Kredite besorgen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler frohlockt: "Diese Schwächephase ist nur temporär." Er mag Recht haben - was Deutschland angeht. Aber Europa?

Im Kern hat sich (noch) nicht viel geändert. Die Länder der Eurozone ächzen nach wie vor unter einer gigantischen Schuldenlast, Reformen in Spanien und Italien müssen erst greifen, Frankreich hat sie noch gar nicht angepackt. Erfolgsmeldungen aus Griechenland und Portugal stehen Hiobsbotschaften aus finanzstarken Staaten entgegen. Frankreich, nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents, steht am Rande einer heftigen Rezession. Die EU-Kommission wird ihre Wachstums- und Defizitschätzung für die Grande Nation nochmals korrigieren - nach unten. Fest steht bereits, dass Frankreich auch 2013 die Defizitgrenze des Stabilitätspakts überschreiten wird.

Europa hat Gründe zu zittern

Zwar drückte Spanien seine Finanzierungslücke 2012 auf "weniger als 7,0 Prozent", verfehlte aber die mit Brüssel vereinbarten 6,3 Prozent. Etliche Banken des Landes sind angeschlagen, der Häusermarkt in einem katastrophalem Zustand. Der drohende Zusammenrbuch des Immobilienkonzerns Reyal Urbis könnte zum zweitgrößten Pleitefall Spaniens werden. Den Niederlanden - bisher ein Musterknabe der Währungsunion - droht der Verlust der Topbonität. Zypern, wirtschaftlich eng mit Griechenland verbunden, steht am finanziellen Abgrund. Und zu allem Überfluss besitzt Silvio Berlusconi Chancen, am Sonntag bei der Wahl in Italien wie Phönix aus der Asche aufzusteigen. Europa hat - wieder einmal - guten Grund zu zittern. Das gilt auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nicht nur, weil Deutschland das höchste finanzielle Risiko trägt, sondern auch, weil ihr jede schlechte Kunde von der Eurorettungsfront den Wahlkampf verderben könnte. Bloß nichts mehr beschließen, was den Steuerzahler schon wieder Milliarden kostet, lautet die Devise Merkels und ihrer Union. Sichtbar wird das vor allem am Fall Zypern, das zwischen 16 und 17,5 Milliarden Euro benötigt, um der Staatspleite zu entgehen. Soll sich also Deutschland stark machen für ein Rettungspaket zu Gunsten des kleinen Inselstaates? "Man kann weder ein Ja noch ein Nein zum gegenwärtigen Zeitpunkt seriös begründen", sagt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Michael Meister, laut "Berliner Zeitung". Zypern sei der zweitgrößte Auslandsinvestor in Russland, was die Frage aufwerfe, warum das Land von einem Dritten überhaupt Hilfe brauche. Klingt das nach unumstößlicher europäischer Solidarität?

Steinbrück kann auch Attacke

Sollte die Eurokrise wieder aufflammen, muss Merkel fürchten, dass SPD-Herausforderer Peer Steinbrück sie auf einem Gebiet attackiert, von dem er viel versteht. Am Donnerstag zeigte der Sozialdemokrat im Bundestag, wohin die Reise geht - und dass er im Wahlkampf vor wilden Thesen nicht zurückschreckt. Der "Last-Minute-Kanzlerin" warf Steinbrück vor, mit ihrer Zustimmung zum neuen, gekürzten EU-Haushalt Länder wie Griechenland in Depression und Verelendung zu treiben. Die Haushaltssanierung laufe ins Leere, wenn "aus Sparen ein Kaputtsparen" werde. Merkel blieb nach außen hin cool. Sie sagte: "Es wäre niemand in Europa vermittelbar gewesen, wenn alle in Europa sparen müssen, nur Europa nicht." Ein Vorgeschmack der Auseinandersetzungen, die die Deutschen in den kommenden Wochen erwartet.

Die Koaliton könnte Hilfen für Zypern allein mit ihrer Mehrheit beschließen. Allerdings besteht das Risiko einer Niederlage, wenn schwarz-gelbe Eurokritiker gegen den Kurs der Kanzlerin votieren. Und selbst wenn Merkel die eigenen Reihen schließen kann - geht etwas schief bei der Eurorettung, ist die Angriffsläche für die Opposition nur umso größer. Also wird die Union versuchen, die SPD mit ins Boot zu holen. Fraktionsvize Michael Meister lobte dann auch Steinbrücks Bedingungen für eine Unterstützung Zyperns. Der SPD-Mann hatte gefordert, das Land müsse seinen "völlig aufgeblähten" Bankensektor aufmöbeln, Geldwäsche erschweren, das Steuerdumping beenden und die Finanztransaktionsteuer einführen. "Diese vier Kriterien sollte die Kanzlerin sehr frühzeitig adressieren. Von der Reaktion machen wir die Zustimmung zu einer Hilfsmaßnahme abhängig", meinte Steinbrück im "Spiegel" - sehr wohl wissend, dass die Regierung in Nikosia einen Teufel tun wird, all diese Wünsche zu erfüllen.

"Im Fall des Abdriftens droht Ansteckungsgefahr"

Zyperns Finanzminister Vassos Shiarly setzt auf die Karte mit der Aufschrift "Zusammenhalt". Seine Heimat sei schließlich nicht durch dubiose Geschäfte oder Misswirtschaft in die finanzielle Bredouille geraten, sondern durch "Kooperationsgeist und Solidarität", erklärte er unter Verweis auf die Tatsache, dass Banken und Anleger seines Landes den griechischen Schuldenschnitt erheblich zu spüren bekamen. Nun klagt er eine Gegenleistung ein. Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" basteln die Strategen von Merkel schon an einer Lösung, wie sie dem Konflikt mit der SPD aus dem Weg gehen kann. Demnach soll vermieden werden, dass allein der Steuerzahler die Lasten trägt. Anders als bei anderen Ländern mit maroden Banken sollen dem Blatt zufolge die ruinösen Teile zyprischer Geldhäuser nicht in eine Bad Bank ausgelagert werden, für die die übrigen Eurostaaten mit einer Garantie geradestehen, während Aktionäre und Geldgeber von den Gewinnen des gesunden Zweigs der Finanzkonzerne profitieren.

Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt: Nichts beunruhigt Anleger so sehr wie Unsicherheit. Klaus Regling, Chef des Eurorettungsfonds, warnt die deutsche Politik davor, die Entscheidung über ein Rettungspaket für den Inselstaat bis zur Bundestagswahl Ende September zu verschleppen. "Nach den Zahlen, die ich gesehen habe, droht Zypern im Sommer in Zahlungsschwierigkeiten zu kommen. Die (zyprischen) Banken haben bedeutende Filialen in Griechenland. Und die Märkte beobachten Zypern sehr genau. Im Fall des Abdriftens droht Ansteckungsgefahr." Mal wieder.

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