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Technikthemen 2012 Flachmänner, Patentkriege und ein Börsengang

Die wichtigen Technikthemen 2012 kommen aus verschiedenen Ecken der digitalen Welt: Spielkonsolen, Lichtfeldfotografie, flache Computer - und Ereignisse, die das Netz völlig verändern können.
Von Ralf Sander

So vielfältig wie die Technik, die unseren Alltag prägt, sind auch die wichtigsten High-Tech-Themen, die 2012 unsere Aufmerksamkeit verdienen. Radikal neue Innovationen sind Mangelware, unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise setzen viele Hersteller auf Bewährtes. Nicht den Produkten stehen die größten Änderungen bevor - sondern dem Netz.

Übrigens: Was Apple im Jahr eins nach Steve Jobs plant, wurde bereits an anderer Stelle besprochen. Deshalb taucht der glamouröse Star unter den High-Tech-Firmen in dieser Vorschau nur indirekt auf, als Gegner, dem viele Konkurrenten endlich einen Treffer verpassen wollen.

Windows 8 - eines für alles

Microsoft gibt Vollgas mit seinem neuen PC-Betriebssystem. Windows 7 ist noch keine drei Jahre alt, da ist der Nachfolger schon fast fertig. In den kommenden Wochen soll Windows 8 in die Beta-Testphase gehen, eine Veröffentlichung in der zweiten Jahreshälfte ist wahrscheinlich.

Zu den offensichtlichen Neuerungen von Windows 8 gehört eine neue Benutzeroberfläche. Dieses "Metro" genannte Interface wird bereits beim Handy-Betriebssystem Windows Phone verwendet. Statt über anklickbare Icons erfolgt die Bedienung über interaktive Kacheln, die auch per Touchscreen mit dem Finger gut erreichbar sind. Wie heutzutage üblich wird es auch einen App-Store geben. Für klassische Windows-Arbeiten kann man aber auf den bekannten Desktop umschalten. Windows 8 ist explizit auch für Tablet-PCs entwickelt worden und das Ergebnis von Microsofts Bestreben, sein Betriebssystem für alle Geräteklassen zu vereinheitlichen.

Spielkonsolen - der Generationenwechsel beginnt

2012 beginnt der Generationenwechsel bei den Videospielkonsolen. Den Anfang macht Sony mit seiner tragbaren Playstation Vita, die am 22. Februar auf den Markt kommen wird. Technisch scheint die Hardware ausgezeichnet zu sein. In Zeiten leistungsfähiger Smartphones stellt sich aber die Frage, ob es genügend Hardcore-Gamer auf der Welt gibt, die mindestens 250 Euro (plus Geld für Spiele) ausgeben, um unterwegs daddeln zu können. Es könnte sein, dass 2012 den Anfang vom Ende der tragbaren Konsolen markiert und die Playstation Vita und der schon länger erhältliche Nintendos 3DS die letzten ihrer Art sind.

Irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahres wird Nintendo seine Wii U auf den Markt bringen, den Nachfolger der erfolgreichen, mehr als fünf Jahre alten Wii-Konsole. Nintendo verfolgt seinen eigenwilligen Weg weiter und stattet die Wii U mit einem Controller aus, der neben den üblichen Knöpfen auch einen 6,2 Zoll großen Touchscreen umfasst. Der zweite Bildschirm soll das Spielerlebnis auf dem großen Fernseher um zusätzliche Elemente wie zum Beispiel Karten erweitern. Die Wii U wurde 2011 vorgestellt, auf der Computerspielemesse E3 in Los Angeles im Juni dieses Jahres soll die endgültige Version gezeigt werden.

Neue Hardware von Sony und Microsoft wird höchstwahrscheinlich nicht in diesem Jahr in die Läden kommen, doch in der Gerüchteküche wird erwartet, dass zumindest einer der beiden Big Player einen ersten Blick auf seine Konsole der nächsten Generation erlauben wird. Die Zeit wäre reif: Microsofts Xbox 360 wurde im Dezember 2005 vorgestellt, Sonys Playstation 3 folgte knapp ein Jahr später. Über die Leistungsfähigkeit der Neulinge wird ebenso viel spekuliert wie über den möglichen Namen des Xbox-360-Nachfolgers. Niemand zweifelt allerdings daran, dass die Japaner ihr Produkt Playstation 4 nennen werden. Mögliche Zeitpunkte für die Präsentation einer neuen Superkonsole sind die E3-Messe oder die Tokio Game Show im September. Wenn es denn passiert.

Tablets und Ultrabooks - alle gegen Apple

Auch 2012 werden die Computerbauer aus aller Welt versuchen, endlich einen erfolgreichen Gegenspieler zu Apples iPad zu etablieren. In den vergangenen Jahren hat die Konkurrenz zwar qualitativ aufgeholt, schwächelt aber bei den Marktanteilen. Der in der Branche gern zitierte Spruch "Es gibt keinen Tablet-Markt, sondern nur einen iPad-Markt" scheint noch gültig zu sein. Dennoch schläft die Konkurrenz nicht: Mit Android 4.0 steht ein verbessertes Betriebssystem bereit, und mit Google und Nokia wollen sich angeblich zwei weitere große Firmen an der Tablet-Produktion versuchen.

Der Trend zur Flachheit hat auch die Notebooks erfasst. Auch hier stellt Apple mit dem Macbook Air den Platzhirsch, gegen den eine Allianz bestehend aus dem Chipgiganten Intel und großen PC-Herstellern antritt. Ultrabooks heißt die neue Klasse leichter und extrem flacher Laptops. Vor Weihnachten sind erste Modelle auf den Markt gekommen, 2012 werden viele weitere folgen. Allein auf der IT-Messe CES, die Mitte Januar in Las Vegas stattfindet, werden rund 60 Modelle erwartet. Intel & Co. werden die flache Vielfalt mit Macht bewerben. Wann sich die noch happigen Preise deutlich unter der 1000-Euro-Marke einpendeln werden, wird sich zeigen.

Lichtfeldkamera - eine der wenigen echten Innovationen

Eine echte Neuheit wird die Digitalfotografie bereichern: Das US-Unternehmen Lytro bringt Anfang des Jahres eine sogenannte Lichtfeldkamera auf den Markt. Lichtfeldfotografie ermöglicht es, in bereits aufgenommenen Fotos verschiedene Objekte zu fokussieren. Das nachträgliche Scharfstellen wird durch ein Spezialobjektiv mit vielen kleinen Linsen möglich, als befänden sich viele Mini-Kameras in einem Gehäuse. Das Prinzip der Lichtfeldfotografie ist nicht neu, doch Produkte für Verbraucher (Preis: ab 400 US-Dollar) gab es bisher nicht.

Abgesehen von den kreativen Möglichkeiten, die die Technik bietet, verblüfft die Kamera mit einem extrem schlichten Design: Sie erinnert an einen kleinen Bauklotz.

Wie das nachträgliche Fokussieren aussieht, zeigen Beispiele in Lytros Bildergalerie.

NFC - drahtloses Bezahlen, jetzt aber wirklich

Seit einigen Jahren wartet der Funkstandard NFC (Near Field Communication), der den kontaktlosen Austausch von Daten über Strecken von wenigen Zentimetern ermöglicht, schon auf den Durchbruch. Die Technik, die für bargedloses Zahlen per Handy, in Hausausweisen und oder als Ersatz für Eintrittskarten benuzt werden kann, ist in Japan bereits weit verbreitet. In Europa führt sie aber nur ein Nischendasein, die benötigte Hardware und entsprechende Kontaktstellen waren bisher Mangelware.

Doch es tut sich etwas: Das Android-Betriebssystem für Smartphones unterstützt NFC schon länger, zukünftige Telefone mit der aktuellen Version 4.0 werden über die Technik standardmäßig verfügen. Es gilt außerdem als sicher, dass Apple das kommende iPhone 5 mit NFC ausstattet. Das Kreditkartenunternehmen Visa will bis Ende des Jahres eine NFC-Lösung anbieten. Den größten Einfluss auf die Verbreitung der Nahfeldkommunikation könnten aber die Sparkassen haben. Sie haben angekündigt, dass ab August sukzessive die Girocards (früher EC-Karte) von Millionen Kunden durch eine Karte mit NFC-Chip ersetzt werden. Die bekannte Geldkartenfunktionen soll auf diese Weise attraktiver werden. Beträge bis 20 Euro können dann bezahlt werden, indem man die Girocard einfach vor ein Lesegerät hält.

Facebook - hübsch machen für die Börse

Wenn das gewöhnlich gut informierte "Wall Street Journal" Recht behält, wird Facebook zwischen April und Juni einen der größten Börsengänge der Geschichte hinlegen. Das Unternehmen könnte mit mehr als 100 Milliarden Dollar bewertet werden.

Gewaltig ist auch eine andere Zahl: Zurzeit hat das soziale Netzwerk 800 Millionen aktive Nutzer, allein 2011 sind laut Social Media Examiner 200 Millionen dazugekommen. Sollte Facebook dieses Wachstum beibehalten, könnte es - wenn auch knapp - in diesem Jahr die Grenze von einer Milliarde Mitglieder überschreiten.

Die spannende Frage ist, wie sich Mark Zuckerbergs Company nach dem Börsengang verändern wird. Mit Sicherheit wird Facebook durch neue Funktionen und die Integration von Kooperationspartnern weiterhin alles versuchen, zu einem geschlossenen Garten zu werden, den seine Bewohner nicht mehr verlassen wollen, weil sie hier alles finden, was sie brauchen: Freunde, Musik, Spiele, Informationen.

Als börsennotiertes Unternehmen wird Facebook allerdings sein anarchisches Start-up-Image ablegen müssen. Aus dem großmäuligen Jungspund wird ein seriöser Businessmensch werden. Fehlverhalten bestraft der Aktienkurs sofort. Dass Facebook im November eingewilligt hat, sich einer Datenschutzkontrolle der US-Wirtschaftsaufsicht FTC zu unterwerfen, ist ein erstes Zeichen: Das Unternehmen wird anfälliger für Gegenwind.

Patente - Sprengstoff für die ganze Branche

Irgendwann haben auch Experten den Überblick verloren: Wer verklagt jetzt wen wegen was? Die ganze IT-Branche stolpert durch einen unübersichtlichen Dschungel von Patenten und Gebrauchsmustern. Microsoft beispielsweise verdient an jedem verkauften Android-Smartphone mit, nach Analystenschätzungen allein im laufenden Geschäftsjahr rund 444 Millionen Dollar.

Eigene Patente sind aber nicht nur bares Geld wert, sie sind auch wichtige Verhandlungsmasse, um Ansprüche anderer Unternehmen abzubügeln. Das Hin und Her aus Klagen und Gegenklagen - wie das Scharmützel zwischen Apple und Samsung wegen des Galaxy-Tablets - wird weitergehen. Oracle und Google beispielsweise beharken sich seit eineinhalb Jahren wegen angeblicher Patentverletzungen durch die Nutzung der Programmiersprache Java im Android-Betriebsystem. Der Prozess wurde in dieses Jahr verschoben. Sollte Java-Besitzer Oracle Recht bekommen, drohen Google Milliardenzahlungen an Lizenzgebühren oder eine komplette Überarbeitung von Android. Die Patentstreitereien werden 2012 nicht nur Anwälte in Atem halten, auch der Verbraucher wird ihre Auswirkungen zu spüren bekommen.

Datenschutz - Kämpfe an vielen Fronten

Datenschützer und Politiker in der einen Ecke des Boxrings, die fleißigen Datensammler wie Google und Facebook in der anderen: Das Thema Datenschutz wird in diesem Jahr mehr denn je Anlass zu Diskussionen, Streit und gesetzlichen Regelungen sein. In Deutschland werden die Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar und Thilo Weichert und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner die lautesten Kritiker der Internetriesen sein. Aber auch in anderen Ländern - sogar in den USA - stehen große und kleine Tech-Unternehmen zunehmend unter Druck wegen ihres Umgangs mit Nutzerdaten. Regulierung könnte viele Geschäftsmodelle gefährden, die auf personalisierter Werbung beruhen.

In Europa kann es schon bald ernst werden: Justizkommissarin Viviane Reding will in diesem Jahr neue und schärfere Datenschutzregeln erarbeiten: Die Luxemburgerin fordert unter anderem stärkere nationale Datenschutzbehörden und gilt als Gegnerin personalisierter Werbung. Außerdem soll EU-Bürger ein "Recht auf Vergessen" eingeräumt werden, also die Möglichkeit, selbst Daten zu löschen, die man selbst im Internet veröffentlicht hat. Wenn diese Pläne so umgesetzt wird, hätte sie gravierende Folgen für das Internetbusiness.

Sopa und Acta - die das Internet völlig verändern können

Zwei Abkürzungen könnten das Internet, wie wir es kennen, völlig verändern: Acta und Sopa. Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Acta) ist ein Handelsabkommen, das den Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsveletzungen vereinfachen soll. Das Abkommen beinhaltet auch Maßnahmen zur Kontrolle des Internet, die weltweit für Kritik und Widerstand gesorgt haben. Zu den unterzeichnenden Ländern gehören auch die USA und Staaten der EU. Allerdings muss Acta in diesem Jahr noch das EU-Parlament passieren.

Der Stop Online Piracy Act (Sopa) ist ein Gesetzentwurf, der zurzeit in den USA für intensive Diskussionen sorgt. Sopa soll es US-Inhabern von Urheberrechten ermöglichen, die Verbreitung Copyright-geschützter Inhalte zu verhindern. Die Gesetzesvorlage sieht für Copyright-Inhaber verschiedene Möglichkeiten vor, gegen Betreiber von Internetangeboten, Bezahldiensten und Suchmaschinen vorzugehen. Große Internetunternehmen wie Google, Facebook und Ebay sowie Journalistenverbände und Bürgerrechtler haben sich zu einer Initiative gegen Sopa zusammengeschlossen.

Sollten beide Initiativen wie geplant in die Tat umgesetzt werden, wären drastische Einschnitte bei der Internetnutzung die Folge. Das Herunterladen und Weitergeben von geschützten Inhalten würde schwieriger und härter bestraft. Kritiker befürchten allerdings, dass auch Zensur um sich greifen würde und unliebsame Inhalte aller Art aus dem Netz verbannt würden. Die Freiheit des Internet werde den privatwirtschaftlichen Interessen der Unterhaltungsindustrie geopfert, kritisieren sie.

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