Verfilmungen von Stephen-King-Romanen feiern aktuell Hochkonjunktur. Kurz nach dem sehenswerten "The Life of Chuck", basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte, kommt am 11. September eine über 45 Jahre alte Story des Horrormeisters ins Kino. "Todesmarsch", im Original "The Long Walk", wurde 1979 veröffentlicht und gilt als eines von Kings heftigsten Schreckensszenarien. Nicht trotz, sondern aufgrund der simplen Prämisse.
Wer zu langsam ist, stirbt - darum geht es
Fans des US-amerikanischen Schriftstellers sind sich einig, dass King einige seiner erschütterndsten Bücher unter dem Pseudonym Richard Bachman verfasst hat. 1977 hatte er erstmals unter der fiktiven Identität den Roman "Amok" veröffentlicht, in dem ein Jugendlicher ein Blutbad an seiner Schule anrichtet. Zwei Jahre später folgte dann "Todesmarsch" und erst 1985, nach drei weiteren Romanen, kam die Wahrheit ans Licht, dass King und Bachman ein und dieselbe Person sind.
Der Plot von "Todesmarsch" ist denkbar einfach: Einhundert Jugendliche nehmen unter einer Militärdiktatur an einem perfiden Wettbewerb teil, bei dem sie sich auf einen Fußmarsch begeben. Die einzige Regel: Wer unter eine bestimmte Schrittgeschwindigkeit fällt, wird verwarnt - und nach drei Warnungen erschossen. Eine Ziellinie gibt es nicht, nur ein Teilnehmer kommt am Ende mit seinem Leben davon und wird fürstlich entlohnt. Aber kann der größte Reichtum dieser Erde jemals über das Erlebte hinweghelfen?
"Squid Game" trifft "Hunger Games"
In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche Film- und Buchschaffende von Kings Roman inspirieren lassen. "The Long Walk: Todesmarsch" mutet aus heutiger Sicht wie eine lange Episode von "Squid Game" an, in der jedoch nur ein unmenschliches Spiel gespielt wird. Zu "Die Tribute von Panem" gibt es sogar einen direkten Bezug: Die Regie von "The Long Walk" hat Francis Lawrence (54) übernommen, der drei der vier "Tribute von Panem"-Filme sowie das Prequel "The Ballad of Songbirds and Snakes" auf Leinwand bannte. Mit dystopischen Killer-Wettbewerben kennt er sich also wahrlich aus.
Dabei hatte King/Bachman beim Schreiben eine in die Vergangenheit gerichtete Symbolik im Kopf: Sein Buch war als Allegorie auf den Vietnamkrieg zu verstehen, der rund vier Jahre vor der Veröffentlichung endlich sein Ende fand. Also das sinnlose Verheizen der Jugend unter fragwürdigen Beweggründen.
Die Verfilmung will ihrerseits eine aktuelle Thematik über ihre Zukunftsdystopie ansprechen: den "Verlust des amerikanischen Traums". Statt von einer goldenen Zeit zu träumen, treibe junge Menschen inzwischen die Sorge um, überhaupt über die Runden zu kommen. "Wirst du genug Geld verdienen? Kannst du dir ein Haus leisten? Kannst du Essen auf den Tisch bringen?" Und wie weit würdest du (buchstäblich) gehen, um dich dieser Ängste endgültig zu entledigen? "The Long Walk: Todesmarsch" steht sinnbildlich für eine Gesellschaft, in der jeder schuftet und trotzdem 99 Prozent der Menschen auf der Strecke bleiben.
Viel Gewalt und Mark Hamill
Ein Name scheint bei King-Verfilmungen gerade hoch im Kurs zu stehen: "Star Wars"-Mime Mark Hamill (73) ist keine zwei Monate nach "The Life of Chuck" auch in "The Long Walk" mit von der Partie. Spielte er im Drama von Mike Flanagan (47) noch den liebevollen Großvater der Titelfigur, zeigt er sich nun von seiner diabolischen Seite. Er verkörpert den erbarmungslosen Initiator des Todesmarschs, der lediglich "Der Major" genannt wird. Eine der jugendlichen Hauptrollen wird derweil von Cooper Hoffman (22) gespielt - Sohn des 2014 verstorbenen Oscarpreisträgers Philip Seymour Hoffman.
King hatte erst vor Kurzem in Bezug auf "The Long Walk" gesagt, dass ihm die gezeigte Gewalt darin sehr wichtig sei. Nicht aus voyeuristischen Gründen, sondern weil nur so deren Folgen bewusst werden: "Ich sagte, wenn ihr [Gewalt] nicht zeigen wollt, dann dreht den Film nicht. Also haben sie einen ziemlich brutalen Film gemacht." Das mag verstörend sein. So bestünde seiner Meinung nach aber auch nicht die Gefahr, dass die Konsequenzen von Gewalt marginalisiert werden. Einen derartigen Vorwurf hatte er im "The Times"-Interview an Marvel- und DC-Comicverfilmungen gerichtet.
Zumindest für die Kinogänger ist die Marschroute also glasklar: "The Long Walk" ist ungemein schwere Kost, die als gewaltsame und knüppelharte Sozialkritik an unserer aktuellen Gesellschaft verstanden werden darf.