Abstimmung im Bundestag Abgeordnete nicken Fiskalpakt und ESM ab

Kanzlerin Merkel hatte eifrig um Zustimmung geworben. SPD und Grüne kritisierten nur verhalten. Mit breiter Mehrheit beschloss der Bundestag den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsfonds ESM.

Nach langem Ringen zwischen Koalition und Opposition hat der Bundestag am Freitagabend dem neuen EU-Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin in Europa und dem Euro-Rettungsfonds ESM zugestimmt.

Das Parlament votierte wie von der Regierung angestrebt mit Zwei-Drittel-Mehrheit für den Pakt, der ein Kernstück der Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist. Die breite Parlamentsmehrheit war erst nach zähen Verhandlungen von Union und FDP sowie SPD und Grünen über eine ergänzende Wachstumsstragegie für Europa und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zustande gekommen.

Für den Fiskalpakt votierten 491 Abgeordnete, dagegen waren 111. Mit Enthaltung stimmten sechs Parlamentarier. Mit dem Fiskalpakt verpflichten sich 25 der 27 EU-Länder in einem völkerrechtlichen Vertrag zur Einführung nationaler Schuldenbremsen. Bei Verstößen greift ein automatischer Sanktionsmechanimus. Für den Rettungsfonds stimmten 493 Abgeordnete, mit Nein votierten 106 Abgeordnete.

Entscheidung des Bundesrates noch am Abend

Nach dem Bundestag wollte am Abend auch der Bundesrat über den Fiskalpakt und den ESM abstimmen. Auch dort wurde mit einer breiten Mehrheit gerechnet. Gegen den Fiskalpakt und den ESM-Vertrag sind jeweils Verfassungsklagen angekündigt. Kritiker bemängeln, beide Abkommen griffen tief in die Haushaltshoheit des Bundestages ein und verstießen deshalb gegen das Grundgesetz. Wann das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet, ist noch unklar. Bis zu einem Urteil hatte es Bundespräsident Joachim Gauck gebeten, die Ratifizierungsgesetze nicht zu unterzeichnen.

Der ESM kann daher auch nicht wie geplant zum 1. Juli den bisherigen Rettungsschirm EFSF ablösen. Der ESM soll mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro ausgestattet werden. Die Hilfe richtet sich an Euro-Länder, die sich wegen ihrer Schieflagen nicht mehr am freien Markt mit frischem Geld versorgen können. Beim ESM haftet Deutschland mit fast 200 Milliarden Euro für Schuldenstaaten.

Merkel erklärt den EU-Gipfel

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unmittelbar vor der Entscheidung des Parlaments für den europäischen Fiskalpakt und den neuen Euro-Rettungsschirm ESM geworben. In einer Regierungserklärung bemühte sie sich am Freitagabend, Irritationen in und außerhalb der Koalition über die Beschlüsse des EU-Gipfels auszuräumen. Merkel musste sich aber massive Kritik von der Opposition gefallen lassen. SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin stellten zwar die überwiegende Zustimmung ihrer Fraktionen in Aussicht. Sie gaben Merkel aber auch Mitschuld an der Krise in Europa. Die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht sprach von einer "Ausplünderung der Steuerzahler" in Europa.

"Mit diesen Verträgen machen wir unumkehrbare Schritte hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsunion", erklärte Merkel zu den anstehenden Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat. Sie sprach von einem "wegweisenden Integrationsschritt" in Europa. Mit der Verabschiedung der Verträge sende Deutschland parteiübergreifend ein wichtiges Signal an die Welt für Ge- und Entschlossenheit in die Welt. Es gehe um das Signal, "dass für uns Europa unsere Zukunft ist", sagte Merkel.

Die Kanzlerin lobte die Beschlüsse des EU-Gipfels, wonach unter anderem direkte Bankenhilfen durch die Euro-Rettungsfonds ermöglicht werden, zuvor aber eine europäische Bankenaufsicht geschaffen werden soll. Mit den Beschlüssen des Bundestages zu Fiskalpakt und ESM hätten diese Entscheidungen des Gipfels aber nichts zu tun, sagte Merkel.

Schäuble: Hilfen nur gegen Auflagen

Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte: "Natürlich brauchen wir den Fiskalvertrag." Eine gemeinsame Haftung für Schulden ohne eine gemeinsame Finanzpolitik in Europa lehnte er ab. "Gemeinsame Haftung ohne gemeinsame Finanzpolitik, das will ich auch zu meiner Lebenszeit nicht haben", sagte er in Anspielung an eine Äußerung Merkels. Sie hatte in einer FDP-Fraktionssitzung am Dienstag Teilnehmern zufolge gesagt, eine gesamtschuldnerische Haftung werde es nicht geben - "solange ich lebe". Schäuble fügte hinzu, es gelte der Grundsatz, dass es Hilfen nur im Gegenzug für Auflagen und Kontrollen geben könne. Das gelte auch für Käufe von Anleihen von Krisenstaaten durch die Euro-Rettungsfonds.

SPD-Chef Gabriel bekannte sich zur Solidarität in Europa, auch wenn das Deutschland etwas koste. Man gebe damit einen Teil dessen zurück, "was wir selbst an der europäischen Einigung verdient haben". Merkel aber warf er vor: "Die Krise hat sich in Europa in den letzten drei Jahren unter Ihrer Führung massiv vergrößert." Es sei ein Verdienst der SPD, dass der Fiskalpakt durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und einen Wachstumspakt ergänzt worden sei.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte den ESM ein notwendiges Instrument. Auch der Fiskalpakt sei - ergänzt durch mehr Investitionen und eine neue Finanzsteuer - sinnvoll. Er schrieb es dem Druck der Opposition zu, dass Merkel Zugeständnisse gemacht habe beim Weg zur Bankenunion und bei Hilfen für Länder, die unter hohen Zinsen litten. Europa leide an mangelndem politischen Mut und Schwächen. "Dazu haben Sie auch beitragen, Frau Bundeskanzlerin", sagte Trittin.

Reuters
swd/Reuters