Chaos in Trumps Team Ausgerechnet die Presse siegt über Trump: Fünf Thesen zu Flynns Abgang

Nicht einmal vier Wochen ist Donald Trump US-Präsident und hat schon das zweite Großproblem am Hals. Nach dem Scheitern des "Muslim-Bann", muss nun sein Nationaler Sicherheitsberater gehen. Fünf Thesen zu Trumps Chaos-Wochen.

1. Michael Flynn war von Anfang an die falsche Wahl

Der nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten ist einer der wichtigsten Posten im Weißen Haus. Er koordiniert sämtliche außen- und sicherheitspolitischen Entscheidung in enger Absprache mit dem Präsidenten. Mit dem nun zurückgetretenen Michael Flynn, der schon früh Donald Trump unterstützte, hatte sich der US-Präsident von Beginn an einen unsicheren Kantonisten ins Boot geholt. Für den Drei-Sterne-General ist es der dritte (unehrenhafte) Abgang. Im Afghanistan-Krieg verriet er Geheimnisse, als Chef des Militärgeheimdienstes DIA wurde er von Barack Obama entlassen und nun trat er wegen dubioser Telefonate mit einem russischen Botschafter zurück. In Washington gilt er schon lange als schwierig. Nicht nur wegen seiner unklaren Beziehung zur Moskauer Regierung und eines harschen Führungsstils, sondern auch wegen umstrittener Ansichten: So bezeichnete er etwa den Islam als "Krebs", machte abfällige Äußerungen über Juden und verbreitete ehrenrührige Gerüchte über Hillary Clinton.

2. Donald Trump hat kein gutes Händchen fürs Personal

Zugegeben: Ein neuer US-Präsident hat in den ersten Monaten verdammt viel zu tun. Neben dem ohnehin fordernden Tagesgeschäft muss er rund 3000 Posten in seiner Umgebung neu besetzen - da kann auch ein Donald Trump schon einmal danebenliegen. Allerdings ist es auffällig, wie schwer sich Trump auch mit anderen Personalien tut. Seine Bildungsministerin Betsy DeVos etwa wurde nur im Amt bestätigt, weil Vizepräsident Mike Pence von seinem Sonderrecht bei Patt-Situationen Gebrauch machte - ein Novum in der amerikanischen Geschichte. Justizminister Jeff Sessions, an dem der Vorwurf des Rassisten klebt, wurde erst nach einigen Verzögerungen vereidigt. Andere designierte Minister wie Rick Perry (Energie) und  Andrew Puzder (Arbeit) warten immer noch auf ihre Bestätigungen. Selbst enge Trump-Vertraute wie Pressesprecher Sean Spicer und Medienberaterin Kellyanne Conway sind nach umstrittenen Äußerungen offenbar nicht mehr sakrosant, wenn man den Gerüchten glaubt. Im Wahlkampf hatte Donald Trump noch angekündigt, er kenne die "besten Leute" - den Beweis bleibt er schuldig.

3. Flynns Abgang ist auch ein Sieg der Presse

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Mit den Medien verbindet Donald Trump eine Hassliebe. Erst Presse und Fernsehen haben den jetzigen US-Präsidenten über Jahrzehnte zu einem der amerikanischen Super-Promis gemacht. Doch seit Trump auch Politiker ist, beschwert er sich lautstark über die "unehrliche, voreingenommene und unfaire" Berichterstattung über ihn. In zahllosen Tweets unterstellt er vor allem dem Sender CNN und der "New York Times", regelmäßig "Fake-News" zu verbreiten. Nun war es die ebenfalls Trump-skeptische "Washington Post", die durch saubere Berichterstattung über den Fall Michael Flynn den Sicherheitsberater zu Fall brachte. Das ist zweifellos ein Sieg der Presse. Auch wenn unklar ist, welche Rolle die Geheimdienste gespielt haben. Die, wenn man Kennern der Spionageszene glauben mag, der Regierung von Donald Trump den "Krieg" erklärt haben.

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4. Donald Trump hat ein ernsthaftes Russland-Problem

Mit Michael Flynn musste sich bereits Trumps dritter Mitarbeiter verabschieden, der enge Verbindung zum Kreml hatte. Paul Manafort, umstrittener Polit-Lobbyist und Wahlkampfberater ging im August 2016, weil er Millionen von der pro-russischen Regierungspartei in der Ukraine erhalten hatte. Carter Page folgte rund einen Monat später. Der Industrieberater mit besten Kontakten zum halbstaatlichen russischen Öl-Konzern Gazprom geriet wegen undurchsichtiger Verbindungen nach Moskau ins Visier der Staatsanwaltschaft. Mit Außenminister Rex Tillerson sitzt ein weiterer "Russland-Versteher" in Trumps-Kabinett. Der ehemalige Chef von ExxonMobil kennt den russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Jahrzehnten und wurde in Moskau vor ein paar Jahren mit dem "Orden der Freundschaft" ausgezeichnet. Dass US-Präsidenten zu Beginn ihrer Amtszeit stets um ein freundschaftliches Verhältnis zu Russland bemüht sind, ist nichts Ungewöhnliches. Doch Donald Trumps weicher Kurs gegenüber dem Kreml nährt immer wieder Gerüchte, dass Russland tatkräftig mitgeholfen habe, Trump zum Wahlsieg zu verhelfen.

Davon ist auch im "Steele-Report" eines britischen Geheimdienstlers die Rede. Zwar sind die Vorwürfe nicht bewiesen, US-Geheimdienste aber haben durchblicken lassen, dass auch sie einen Einfluss Russlands auf die US-Wahl für möglich halten. Donald Trump selbst trägt auch nicht besonders zur Aufklärung der mutmaßlichen Verbindungen bei. Vor kurzem bestritt er noch vehement, Geschäftsbeziehungen zu Russland zu haben, hatte aber in einem TV-Interview ein paar Jahre zuvor noch genau das Gegenteil behauptet.

5. Michael Flynn ist nur die Spitze von Trumps Problemberg

Der Rücktritt eines wichtigen US-Präsidentenberaters nach nur wenigen Wochen ist auch im notorischen Personalkarussell Washington selten. Offenkundig muss die neue, unerfahrene Regierung das Regieren erst noch lernen. Personell wie inhaltlich: Einige, eilig zusammengeschusterte Dekrete, wie der sogenannte "Muslim-Ban", haben die erste Prüfung durch Gerichte nicht überstanden. Vielsagend war die Ankündigung des Trump-Teams, nun einen "erfahrenden Beamten" daranzusetzen, um das Einreiseverbot von Muslimen neu zu formulieren. Andere vollmundige Wahlversprechen wie die Abschaffung von "Obamacare" oder der Bau einer Mauer zu Mexiko nehmen Trumps Leute Stück für Stück zurück - auch wenn sie es so klar nicht zu sagen trauen. Das immer noch ungeklärte Verhältnis Russlands zu Donald Trump droht ebenfalls zu einer Dauerbelastung zu werden. Auch weil der Fall Michael Flynn die Geheimdienste derartig alarmiert hat und dem Präsidenten deshalb nun ihre Unterstützung verwehren wollen. Absurde Streitigkeiten wie über die Zuschauerzahl bei der Vereidigungsfeier, Mitarbeiter, die öffentlich Interna aus dem Weißen Haus twittern oder der offene Kaufaufruf von Produkten der Präsidententochter durch offizielle Mitarbeiter nagen zusätzlich am Vertrauen an der Regierungsfähigkeit von Donald Trump.