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Amtsenthebung des US-Präsidenten Mit dem Abschied von Donald Trump könnte enden, was im Jahr 2016 begann – doch man lässt ihn nicht gehen

US-Präsident Donald Trump sitzt in einem Büro des Weißen Hauses an einem hölzernen Schreibtisch und spricht
Sehen Sie im Video: Trump sendet Videobotschaft an die US-Bürger - ohne das Impeachment zu erwähnen.






Washington, 14.01.21: Kurz nach der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn hat sich der abgewählte US-Präsident Donald Trump mit einem Aufruf zur Versöhnung an die Nation gewandt. In der Videobotschaft sagte Trump, er verurteile eindeutig die Gewalt, die man in der vergangenen Woche gesehenen habe.
O-Ton "I unequivocally condemn the violence that we saw last week violence and vandalism have absolutely no place in our country and no place in our movement."
Er rief die Bevölkerung dazu auf, Spannungen abzubauen, Gemüter zu beruhigen und zum Frieden im Land beizutragen.
O-Ton "Now I am asking everyone who has ever believed in our agenda to be thinking of ways to ease tensions calm tempers and help to promote peace in our country"
Aufgebrachte Trump-Unterstützer waren am Mittwoch vergangener Woche nach einer aufstachelnden Rede des Präsidenten gewaltsam in das Kapitol eingedrungen. Mehrere Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben.
Die Demokraten warfen Trump vor, er habe die Ausschreitungen angezettelt, und bereiteten innerhalb weniger Tage ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn vor, das das Repräsentantenhaus am Mittwoch offiziell eröffnete.

Der Brexit – vor kurzem besiegelt. Ebenso wie Donald Trumps Abschied aus dem Weißen Haus. Damit könnte enden, was im Jahr 2016 begann. Tut es aber nicht. Denn das Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten blockiert den ersehnten Neuanfang.

2016 könnte zum längsten Jahr der jüngeren Geschichte werden. Es begann mit dem Tod David Bowies (überhaupt starben dann noch ungewöhnlich viele Großprominente wie George Michael, Fidel Castro, Mohammed Ali, Prince und Guido Westerwelle) und es endete mit dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt (nachdem Islamisten schon in Nizza und Brüssel zahllose Menschen ermordet hatten). Überschattet aber wurde es dann von zwei Ereignissen, deren Folgen bis jetzt zu spüren sind: der Brexit und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.

Großbritanniens EU-Austritt ist erst seit einigen Tagen formell besiegelt, ebenso wie Trumps Abschied aus dem Weißen Haus. Doch es steht zu befürchten, dass sowohl der Brexit als auch der Ex-US-Präsident in spe noch eine lange Zeit herumgeistern werden – in gewisser Weise will und will das Jahr 2016 nicht enden.

EX-FBI-Chef würde Trump begnadigen

Donald Trump hat sich in den vergangenen vier Jahren so gut wie mit jedem zerstritten oder überworfen, der in seiner Nähe war. Darunter auch James Comey, FBI-Chef. Nach dessen Entlassung 2017 (von der er durchs Fernsehen erfahren hatte) schrieb er die Abrechnung "Größer als das Amt", auf die der US-Präsident mit dem üblichen Twitter-Kleinkrieg reagierte. Angesichts des juristischen Ärgers der Trump droht sowie des laufenden Amtsenthebungsverfahren, äußert sich Comey nun überraschend milde: Der künftige Präsident Joe Biden solle zumindest darüber nachdenken, Trump zu begnadigen: "Als Teil der Heilung des Landes und damit wir uns auf Dinge konzentrieren können, die künftig von Bedeutung sein werden", so Comey in einem BBC-Interview.

Stand Mitte Januar 2021 dürfte dieser fromme Gedanke aus unerwarteter Ecke wohl ungehört verhallen. Eine Woche nach Trumps unrühmlicher Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol hat das Repräsentantenhaus bereits sein zweites Impeachment in die Wege geleitet. Obwohl es auch für diesen Amtsenthebungsversuch handfeste Gründe gibt, wirkt er wie voreiliges Nachtreten. Zum einen ist Donald Trump nur noch eine Woche im Amt, zum anderen sind Dauer und Ausgang des Verfahrens ungewiss.

Donald Trump und die Mär von der Verschwörung

Ab dem 20. Januar, dem Tag der Amtsübergabe, könnte der 45. Präsident der Vereinigten Staaten langsam aber sicher in die Geschichtsbücher diffundieren – doch je länger sich die Abgeordneten und Senatoren in Washington mit dem Fall  beschäftigen müssen, desto mehr Gelegenheiten bekommt der Noch-Staatschef, sich selbstmitleidig als Opfer eines rachsüchtigen Systems zu inszenieren. Dabei ist es unerheblich, dass sowohl Abwahl als auch Amtsenthebung nach Recht und Gesetz von statten gingen, seine hartgesottenen Unterstützer werden weiter die Mär von der großen Verschwörung spinnen. Trump bekommt weiter maximale Öffentlichkeit, ganz ohne Twitteraccount.

Das "Simpsons-Orakel": Hat die Serie den Sturm aufs US-Kapitol wirklich vorhergesehen?

Natürlich glaubt niemand ernsthaft, dass sich The Donald nach Bidens Amtsübernahme stillschweigend zurückziehen würde. Warum auch? Umfragen zufolge besteht rund die Hälfe der 74 Millionen Republikaner-Wähler aus Trump-Anhängern. Das entspricht ungefähr zehn Prozent der US-Bevölkerung. Darunter sind natürlich rechte Extremisten, Waffenfreaks und christliche Eiferer, doch die Masse besteht aus Durchschnittsbürgern: All die "Joe und Jane Averages", für die der amerikanische Traum noch nie funktioniert hat oder nicht mehr funktioniert. Diejenigen, die der politischen Spielchen und Tricksereien überdrüssig sind und hoffen, dass Donald Trump die Hauptstadt ordentlich brandrodet. Schon Barack Obama kam 2008 mit dem Slogan "Change" ("Wechsel") ins Amt, der Wunsch danach ist in all den Jahren eher noch größer geworden. Übrigens auch bei den Demokraten, deren Zerreißprobe aber erst noch bevorsteht.

Republikaner entsorgen ihre Alt-Präsidenten

Die "Washington Post" schrieb neulich, dass die Amerikaner dazu tendierten, ihre verrenteten Staatsoberhäupter stolz "wie Neuwagen im Schaufenster zu präsentieren". Natürlich mit Ausnahmen: Richard Nixon als auch George W. Bush wurden schnell und lieblos entsorgt, ganz vorne beim In-die-Wüste-schicken: ihre eigene republikanische Partei. Folge: Beide zogen sich ins Privatleben zurück und waren bald vergessen. Für die auch damals schon nicht mehr ganz so Einigen Staaten von Amerika war das ein Segen, konnte das Land wieder etwas Luft holen. Das aber wird das Noch-Staatsoberhaupt zu verhindern wissen. Schon allein, um seine künftigen politischen und/oder finanziellen Ambitionen am Köcheln zu halten. Außerdem ist Aufmerksamkeit das einzige Kapital Donald Trumps: Er existiert nur, wenn man hinsieht.

Womit wir wieder im Jahr 2016 sind. Es war eine Welle aus Unglaube, Abscheu, Neugierde und Faszination, die Donald Trump erst in den Mittelpunkt spülte und dann ins Weiße Haus. Jetzt aber, wo es an der Zeit wäre, kann der Milliardär nicht gehen, selbst wenn er es wollte. Nur weil bald, demnächst, irgendwann der demokratisch-dominierte Senat über seine Amtsenthebung befinden muss. Joe Biden hat die Abgeordneten der Kongresskammer gebeten, sich erst einmal um die drängenen Angelegenheiten zu kümmern. Corona-Hilfen zum Beispiel. Leider bedeutet das auch: Das abgelaufene 2016er-Modell Donald Trump wird weiter bräsig im Weg herumstehen und sich am Licht der Öffentlichkeit sattsaufen.

Quellen: BBC, CNBC, Cook Political Report, "Washington Post", Election Results

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