Vereidigung der Großen Koalition Happy Hour im Bundestag

  • von Hans Peter Schütz
Alles neu macht die Wahl: Angela Merkel und ihre Minister wurden vereidigt, nun kann die Arbeit der Großen Koalition beginnen. Alle zeigen sich begeistert, selbst Guido Westerwelle jubelt Angie zu.

Schon in der allerersten Minute des neuen, des 18. Bundestags wurde klar, dass jetzt im Parlament alles anders läuft. Als Bundestagspräsident Norbert Lammert am Dienstag den Tagesordnungspunkt 1 - "Die Wahl der Bundeskanzlerin" - aufruft, zeigt die Große Koalition zum ersten Mal ihr politisches Gesicht. Sozialdemokraten und CDU/CSU-Abgeordnete klatschen gemeinsam, quasi Hand in Hand. Klar wurde allerdings dabei, dass die Genossen das noch ein par Mal üben müssen, denn sie stoppten den Beifall Minuten früher als die Unionisten.

Angela Merkel sitzt in dieser Minute in der ersten Reihe der CDU/CSU-Bänke neben Volker Kauder, ihrem Fraktionsvorsitzenden. Sie trägt ein dunkles Kostüm in feierlichem Schwarz, um den Hals eine dunkelbraune Kette. Den schwarz-roten Halsschmuck, den sie auch besitzt, hat sie sich verkniffen.

Im Bundestag ist an diesem Tag nicht nur die Rolle der Beifallspender neu, denn die Mini-Opposition von Grünen (63 Abgeordnete) und Linkspartei (64) ist kaum zu hören, wenn auch die Koalitionäre in die Hände klatschen.

Auch ganz neue politische Kontakte lassen sich besichtigen. Da schäkert der CSU-Star Alexander Dobrindt im schicken grauen Maßanzug mit Ursula von der Leyen, der personellen Sensation im Personal dieser Regierung. Sie wird neue Verteidigungsministerin, was im Berliner Klatschbetrieb gerne als Himmelfahrtsposten bezeichnet wird: Entweder es geht in der weiteren Karriere ganz schnell weiter nach oben bis in die Funktion der Kanzlerkandidatin bei der nächsten Bundestagswahl 2017 oder man wird nach kurzer Zeit aus dem Amt geschossen. Bei den letzten Vorgängern der siebenfachen Mutter im Verteidigungsressort - Thomas de Maizière, Karl-Theodor zu Guttenberg und Franz Josef Jung - erfolgte der "Abschuss" jeweils nach knapp einem Jahr Amtszeit.

Cliquenbildung im Bundestag

Derlei Gedanken scheinen "Uschi" von der Leyen an diesem Tag nicht zu beschäftigen. Mit strahlendem Lächeln zieht sie durch die Abgeordneten. Plaudert lange mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, von dessen Geld die teuren Rüstungsgeschäfte schließlich bezahlt werden müssen. Da empfiehlt sich Kontaktpflege.

Ganz anders Lage und Stimmung offensichtlich bei Peter Ramsauer, als Bundesverkehrsminister von CSU-Chef Horst Seehofer knallhart gefeuert. Einsam steht er zwischen den Stuhlreihen. Keiner spricht mit ihm. Hat ja kein Amt mehr. Annette Schavan, einst Bundesbildungsministerin und dann über Nacht wegen einer umstrittenen Doktorarbeit ebenfalls gefeuert, tätschelt ihm tröstend den Arm.

Das Sagen hat in der CSU jetzt nur noch ein Horst Seehofer, der sich gemütlich auf der Bank des Bundesrates im Parlament räkelt und genießt, wie Merkel und Gabriel zu ihm hinüber kommen. Da ist dann das neue Machtzentrum der deutschen Politik zu besichtigen. Und natürlich drängelt sich noch ein Dobrindt hinzu, das Handy wichtig am Ohr.

Gabriel pflegt danach seine Kontakte mit den Grünen und setzt Claudia Roth neben sich und scheint fast mit der rotschopfigen Grünen zu schmusen. Ein Vorgriff auf die Kanzlerwahl 2017, falls man sich dabei vielleicht auf einen Kanzler Gabriel einigen muss?

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dann steht endlich fest, was alle erwarteten: Die Kanzlerin heißt erneut Angela Merkel. Der Präsident gibt bekannt: Von 621 Abgeordneten haben 462 Angie gewählt. Das war einerseits eine "satte" Mehrheit, denn Merkel brauchte bei der Kanzlerwahl mindestens 316 Stimmen (die Mehrheit der gewählten 631 Abgeordneten); andererseits fehlten ihr 42 Stimmen aus der eigenen Koalition. Auch die SPD klatscht begeistert. Bei dieser Gelegenheit dürften allerdings auch Unions-Abgeordnete ihre Rachegelüste anonym befriedigt haben.

Andrea Nahles, die neue Bundesarbeitsministerin, ist mit dem Ergebnis indes hoch zufrieden und sagt: "Ich bin 43 Jahre alt und trete heute meinen Traumjob an."

Westerwelle hält die Stellung

Am Vortag war Merkel noch in der SPD-Fraktion gewesen und dort bei der Ankunft mit nur mattem Beifall begrüßt worden. Als sie das Treffen verließ, begleitete sie begeisterter Beifall der Genossen. Der wiederholt sich jetzt im Bundestag bei allen. Selbst die Linkspartei beklatscht die Wahl kurz. Seehofer wagt sogar ein Glückwunschküsschen auf die Wange der Kanzlerin, ebenso ihr bisheriger Kanzleramtschef Ronald Pofalla.

Auch in der ersten Reihe der Zuschauertribüne im Bundestag wird eifrig applaudiert. Dort steht Ex-Außenminister Guido Westerwelle, der einzige ehemalige FDP-Würdenträger, der sich an diesem Tage in den Bundestag getraut hat, aus dem seine Partei, auch dank seiner Mithilfe, geflogen ist. Neben Westerwelle sitzen die bewährten Mitarbeiterinnen der Kanzlerin, Beate Baumann und Sabine Christiansen, und staunen über die Begeisterung des FDP-Mannes. Ob dessen Auftritt der Rest-FDP ebenso gefallen hat, darf bezweifelt werden.

Eine Stunde später kehrt Merkel von der Vereidigung bei Bundespräsident Gauck zurück. Als Lammert sie ebenfalls zur Vereidigung bittet, eilt sie schnellen Schrittes zum Platz des Präsidenten hinauf. Trittsicher ist sie auf diesem Wege längst, sie macht ihn ja jetzt bereits zum dritten Mal. Dem Wohl des deutschen Volkes wolle sie dienen, sagt sie und fügt hinzu "so wahr mir Gott helfe".

Dann kehrt Angela Merkel auf ihren Sitzplatz auf der Regierungsbank zurück und blickt hoch zufrieden auf ihre Abgeordneten. Den Sitzplatz kennt sie gut, er gehört ihr schließlich seit acht Jahren. Und wer weiß, ob sie 2017 nicht noch eine Runde dreht.