Die Weltwirtschaft erholt sich nur langsam, der Euro taumelt und von Nahost bis Nordkorea kann es jederzeit zu einer schweren politischen Krise kommen. Es gibt viel zu tun und zu besprechen für die Regierungschefs dieser Welt. Eine Auswahl von ihnen kommt am Wochenende in Kanada in der sogenannten G8- und der G20-Formation zusammen. Doch welche Länder kommen eigentlich genau? Welche Themen stehen auf der Tagesordnung und welche Pläne gibt es für die Probleme dieser Welt? Drohen Ausschreitungen beim Gipfel? Hier finden Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wer kommt nach Toronto?
Von Freitag bis Sonntag finden in Kanada die Gipfeltreffen der G8 und G20 statt. Kanada hat die G8-Staaten als turnusmäßiger Gastgeber zunächst nach Huntsville geladen, einem kleinen Ort etwa 220 Kilometer nördlich der Hauptstadt Toronto. Zu den G8-Ländern gehören Kanada, die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Russland und Deutschland. Das Treffen beginnt am Freitag. Am Samstagnachmittag zieht der Tross nach Toronto, dort kommen am Abend die Vertreter 11 weiterer Nationen und der EU hinzu. Gemeinsam bilden sie die G20. Außerdem erscheinen Spitzenvertreter wichtiger internationaler Organisationen wie den Vereinten Nationen (UN), dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Spanien, Äthiopien und weitere Länder treten als Gastteilnehmer auf. Am frühen Sonntagabend ist dann Feierabend.
Wer sind die G8?
Die G8 ist eine Gruppe der sieben wirtschaftsstärksten Demokratien plus Russland. Seit 1975 treffen sich die Regierungen dieser Länder - Russland ist seit 1994 vertreten - regelmäßig, um wichtige Probleme zu besprechen. In den siebziger Jahren war die Wirtschaftskrise noch das bestimmende Thema, mit den Jahren avancierten die G8-Treffen zum wichtigsten Forum für die Regierungen, um auch über außen- und sicherheitspolitische Themen zu sprechen. In den vergangenen zehn Jahren wurden zunehmend auch entwicklungspolitische Ziele thematisiert.
Was machen die G8 in Kanada?
Die G8 treffen sich von Freitag- bis Samstagmittag, bevor sie am Samstag zum G20-Treffen zusammenkommen. Zwei Themen stehen bei dem kurzen Treffen im Mittelpunkt. Zum einen die aktuellen Probleme in der Außen- und Sicherheitspolitik. Zum anderen, wollen die G8-Länder ihre entwicklungspolitische Arbeit bilanzieren. Beim ersten Thema gibt es derzeit viel zu besprechen. Der Nahost-Konflikt droht einmal mehr zu eskalieren. In Kirgisien herrschen blutige Unruhen, die sich Russland alleine nicht zu befrieden traut. Iran und Nordkorea lassen sich weiterhin nicht von der Entwicklung einer eigenen Atombombe abbringen. Überhaupt: Abrüstung ist ein wichtiges Thema, dem sich US-Präsident Barack Obama verschrieben hat. Des Weiteren stehen der weltweite Terrorismus und die ungebremste Klimaerwärmung auf dem engen Themenplan.
Was ist mit den Entwicklungszielen der G8?
Die G8 haben sich in den letzten zehn Jahren viel vorgenommen, um die Armut in der Welt zu lindern. Doch die Bilanz ist enttäuschend. Die G8 hatten sich im Jahr 2000 den Milleniumszielen der Vereinten Nationen verpflichtet. Deren Plan sah vor, die Zahl der Hungernden und der Armen bis 2015 zu halbieren. Außerdem sollte die Kindersterblichkeit um zwei Drittel gesenkt werden. Hierfür hatten sich die G8-Staaten beim Gipfeltreffen im schottischen Gleneagles geeinigt, ihre Hilfe für arme Länder um 50 Milliarden Dollar zu erhöhen. Der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt sollte bis 2015 auf 0,7 Prozent erhöht werden. Keines dieser Ziele wurde erreicht, einzig Großbritannien hat bislang sein Zusagen eingehalten. Derweil hat die Krise der vergangenen zwei Jahre die Situation der Armen verschärft: Drei Milliarden Menschen leben von weniger als einem Dollar am Tag. Hunger und Unterernährung sind noch immer die weltweit häufigsten Todesursachen. Jährlich sterben sechs Millionen Kinder unter fünf Jahren. Beim G8-Gipfel werden sich die Staatschefs mit den Vertretern einiger afrikanischer Länder treffen, um sich über die Entwicklungspolitik auszutauschen.
Wer sind die G20?
Lange Zeit waren die G8 ein exklusives Forum wirtschaftsstarker Nationen. Doch mit der Globalisierung haben immer mehr Länder großen Einfluss auf die Weltwirtschaft genommen. Allen voran China, Indien, Saudi-Arabien oder Brasilien. Diese Länder bilden gemeinsam mit den G8-Mitgliedern, Vertretern der EU, Argentinien, Australien, Indonesien, Mexiko, Südafrika, Südkorea und Türkei die G20. Seit 1999 bilden diese 19 Länder gemeinsam mit der EU die wichtigste Gruppe, um Wirtschaftsfragen zu besprechen und sich zu koordinieren. Der Aufstieg der G20 hängt eng mit der Asienkrise 1997 und der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zusammen, denn die G8 sind in der Ära der Globalisierung nicht mehr in der Lage, die Weltwirtschaft allein zu regulieren.
Wie wollen die G20 das Wirtschaftswachstum fördern?
Durch die G20 geht ein tiefer Riss, der auf dem Gipfeltreffen für ein größeres Zerwürfnis sorgen könnte. Die eine Seite, angeführt von US-Präsident Barack Obama, will das Wachstum durch mehr Ausgaben fördern. So soll die Arbeitslosenquote gesenkt werden und der Konsum gestärkt werden. Das bedeutet aber auch, die ohnehin schon drückende Schuldenlast vieler Staaten weiter ansteigen zu lassen. Genau davor fürchtet sich die andere Seite, angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Bundesregierung wirbt für mehr Einsparungen und Haushaltsdisziplin, um die Schulden- und Zinslast zu drücken. Das Beispiel Griechenlands vor Augen, das am Abgrund des Staatsbankrotts taumelt, fürchtet die Bundesregierung eine weitere Destabilisierung des Euro. Deutschlands Kritiker von Washington D.C. bis Paris hingegen fürchten, dass die Sparmaßnahmen und der schwache Konsum in Deutschland die Konjunktur abwürgen. Jetzt gilt es für die G20, sich auf einen Zeitpunkt zu einigen, an dem die Konjunkturmaßnahmen koordiniert zurückgefahren werden und die Staaten beginnen, ihre Schulden abzubauen.
Was planen die G20 zur Regulierung der Finanzmärkte?
Alle Teilnehmer sprechen sich für eine bessere, weltweite Kontrolle der Finanzmärkte aus. Die Vorstellungen darüber, wie das genau geschehen soll, gehen jedoch weit auseinander. Gut möglich, dass die USA hier die Initiative ergreifen. In der Nacht von Donnerstag zu Freitag einigten sich die US-Vertreter im Vermittlungsausschuss von Senat und Repräsentantenhaus auf die umfassendste Reform der US-Finanzmärkte seit Jahrzehnten. Banken und Investoren müssen sich künftig auf mehr Transparenzvorgaben und Kontrollen einrichten. Der Handel mit Derivaten, der als ursächlich für die Finanzkrise gilt, wird entflechtet. Banken dürfen künftig weniger stark als Investoren auftreten und andersherum. Obwohl Obamas Gesetzesvorschlag in den Verhandlungen deutlich abgeschwächt wurde, kommt der US-Präsident mit viel Rückenwind nach Toronto. Auch die Europäer fordern eine engere Kontrolle der Finanzmarktakteure. Ob aber tatsächlich das noch junge Financial Security Board (FSB) weitreichende Befugnisse erhält, um die Finanzmärkte global zu koordinieren, gilt als unwahrscheinlich. Im Wettbewerb um die attraktivsten Finanzplätze, will zum Beispiel Großbritannien sich nicht einschränken lassen.
Wollen die G20, die Banken an den Kosten der Krise beteiligen?
Nicht nur in der Wirtschaftspolitik sind die G20 gespalten. Deutschland macht sich für die Einführung einer Bankenabgabe stark. So sollen die Verursacher der Krise an deren Kosten beteiligt werden. Allerdings will Kanzlerin Angela Merkel keinen nationalen Alleingang riskieren, weil sie in diesem Fall Wettbewerbsnachteile für den Finanzplatz Deutschland fürchtet. Deshalb will die Bundesregierung in Toronto für ihre Idee werben. Frankreich und wohl auch Großbritannien sind mit im Boot. Vor allem Gastgeber Kanada lehnt diesen Vorstoß kategorisch ab. Die kanadische Regierung unter Premier Stephen Harper hält eine Bankenabgabe für unfair. Kanadas Banken hatten sich an den Spekulationen mit riskanten Derivaten kaum beteiligt, weshalb sie auch von der Finanzkrise nicht so stark betroffen waren. Die Bundesregierung rechnet nach eigenem Bekunden auch nicht mit einem Erfolg in Toronto. "Aber eine klare Antwort wäre mir lieber als gar keine Antwort, weil wir dann auf europäischer Ebene versuchen können, einen eigenen Weg zu gehen.", so Angela Merkel vor ihrem Abflug nach Kanada.
Wird es wieder Proteste und Ausschreitungen geben?
Seit dem Gipfel 2001 in Genua (Italien) ist bei G8-Treffen die Angst vor Ausschreitungen stets präsent. Damals starb ein junger Demonstrant, es gab massive Ausschreitungen, dutzende Verletzte und schwere Sachschäden. Auch diesmal wird es in Toronto Demonstrationen geben. Zudem ist im Vorfeld des Treffens ein 37-Jähriger Mann in Toronto verhaftet worden, der im Besitz von Waffen und Sprengstoff war und geplant haben soll, den Polizeifunk abzuhören und via Twitter weiter zu verbreiten. Größere Ausschreitungen durch die Demonstranten sind aber unwahrscheinlich. Seit Genua finden die G8-Treffen in kleinen Orten statt, die sich von den Sicherheitskräften gut abschotten lassen. Die Sicherheitsmaßnahmen machen die Veranstaltung aber auch extrem kostspielig: 870 Millionen Euro lässt sich Kanada seine Gastgeberrolle kosten. Die G8/G20-Kritiker monieren vor allem die Intransparenz und die vermeintlich fehlende Fairness des Treffens. Hier würden sich die Staatschefs der wenigen reichen und mächtigen Staaten treffen, um im Hinterzimmer Politik zu betreiben, so der Vorwurf. Globale Probleme wie Klimaerwärmung und Armut bleiben derweil ungelöst.