Es war ein Ereignis, das nicht alle Tage zu sehen ist: Der chinesische Staatschef Xi Jinping lud zum Parteitag. Nach dem Treffen der Getreuen und Delegierten startet er nun in die dritte Amtszeit – und Ex-Präsident Hu Jintao spürt offenbar Xis Macht. Er wurde beim Parteitag aus dem Saal geführt. Unfreiwillig, wie Bilder nahelegen, wegen Unwohlsein halten chinesische Staatsmedien dagegen.
Für Xi war der Parteitag dagegen ein voller Erfolg. Deutsche Medien sehen das allerdings kritisch. Die Meinungen aus der Presse im Überblick:
China wird diktatorischer als je zuvor
"Süddeutsche Zeitung": "Diese Revolution wird China für die nächste Dekade prägen und die Welt mit sich reißen. Nach außen zeigt sie sich in der absoluten Kontrolle, die Xi Jinping nun über die KP ausübt. Dieser Parteiapparat zeigte in der Vergangenheit häufig Risse – nun nicht mehr. Xis Herrschaftsmethoden sind kaum zu sehen, aber ihr Effekt ist gewaltig: Konkurrierende Parteiströmungen sind versiegt. Die Privatwirtschaft, ähnlich der russischen Oligarchie, wurde auf ihren Platz verwiesen. Militär und Sicherheitsapparat stehen loyal an der Seite des Vorsitzenden."
"Volksstimme" (Magdeburg): "Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ist spätestens seit dem Wochenende Alleinherrscher des bevölkerungsreichsten Staates der Welt. Im engsten Führungszirkel sitzen nur noch treue Gefolgsleute des 69-Jährigen, der sich inzwischen wahlweise als 'Überragender Führer' oder mit dem Mao-Titel 'Vorsitzender' anreden lässt. Was tatsächlichen oder nur vermuteten Kritikern droht, hat der Volkskongress warnend gezeigt: Xis direkter Amtsvorgänger, der vergleichsweise moderate Hu Jintao, wurde vor laufenden Kameras abgeführt; seitdem wird sein Name in chinesischen Suchmaschinen zensiert. Das erinnert beklemmend an Nordkorea: Machthaber Kim Jong-un hatte vor neun Jahren seinen Onkel Jang Song Thaek ebenfalls live vor TV-Kameras abführen und später hinrichten lassen. Dem Westen mit seiner starken Wirtschafts-Abhängigkeit vom Reich der Mitte muss klar sein: 'Wandel durch Handel' ist gescheitert. Aus China ist die Volksrepublik Xina geworden – mit einem der gefährlichsten Männer der Welt an der Spitze."
"OM Medien": "Die Gegenwart verspricht ein China, das endgültig im Zeitalter der Diktatur angekommen ist. Das kollektive Regieren weicht der Ideologie eines Alleinherrschers, dem Begriffe wie Menschenrechte, Demokratie oder Freiheit schon immer fremd waren. Ein fatales Signal, nicht nur für die rund 1,4 Milliarden Chinesen, die nun noch mehr Repressalien befürchten müssen. Der Griff nach Taiwan oder die neue Seidenstraße sind nur die Vorboten dessen, was möglicherweise auf die Welt zukommen wird: ein China, das die Geschicke des Planeten diktieren will und die Welt offen zum Wettstreit zwischen Autokratie und Demokratie aufruft."
"Der 'Wandel durch Handel' ist gescheitert"
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Schon bislang war Xi Jinpings China kein Land, dem Deutschland unüberlegt seine kritische Infrastruktur anvertrauen sollte. Nach dem jüngsten Parteitag gilt das umso mehr. Im obersten Führungsgremium in Peking sitzen jetzt nur noch Männer, die Xi ihre Karriere zu verdanken haben. Von ihnen ist kein Widerstand zu erwarten, sollte der Staats- und Parteichef sein Land weiter auf Kollisionskurs mit dem Westen halten und in der Wirtschaft auf staatlichen Dirigismus setzen. Alle, die für mehr Pragmatismus standen, wurden ins Abseits gedrängt. Nichts, was in den vergangenen Tagen passiert ist, deutet darauf hin, dass Xi sich künftig mäßigen könnte. Im Gegenteil: Er hat deutlich gemacht, dass er den Machterhalt der Partei durch die amerikanische Eindämmungspolitik bedroht sieht."
"Augsburger Allgemeine": "Die Zeiten, in denen der Westen vergleichsweise pragmatisch mit China zusammenarbeiten konnte, solange nur die Wirtschaft davon profitierte, sind vorbei. Die Regierungen vor allem in Europa werden sich künftig fragen müssen, wie sie mit einem System kooperieren wollen, das unberechenbar geworden ist. Wie hoch das Risiko fragwürdiger Geschäfte für die eigene Bevölkerung ist, hat Russland in den vergangenen Monaten eindrücklich vor Augen geführt. Das Problem ist: Ganz ohne China geht es auch nicht. Für die Weltwirtschaft sind das keine guten Nachrichten. Statt gemeinsam den Wachstumsmotor anzuwerfen, blockieren sich die Nationen gegenseitig. China wird mehr und mehr zum Risikofaktor."
"Nordwest Zeitung": "Es ist ein schlechter Witz, dass es noch deutsche Politiker gibt, die Chinas Landnahme in Hamburg verteidigen. Am Wochenende ist in Peking eine politische Richtungsentscheidung getroffen worden – hin zu noch extremerer autoritärer Herrschaft. Wollen wir solchen Leuten Einfluss auf unsere Wirtschaft gewähren? China ist vor allem Systemgegner und Konkurrent, kein Partner. Peking verfolgt zudem konsequenten Wirtschaftsimperialismus. Das Projekt 'neue Seidenstraße' ist dazu angetan, andere Nationen dauerhaft in Abhängigkeit zu bringen. In Europa ist China in diesem Rahmen schon an einem Dutzend Häfen beteiligt. Das ist ein gezieltes Programm zum Kauf wirtschaftlichen Einflusses. Fazit: Xi, nimm Deine Millionen und geh nach Hause!"
"Märkische Oder-Zeitung": "Xi Jinping geht in seine dritte Amtszeit und regiert das bevölkerungsreichste Land der Erde ab sofort nur noch mit loyalen Ja-Sagern an seiner Seite. Das macht den chinesischen Staats- und Parteichef endgültig zu einem der gefährlichsten Männer auf diesem Planeten. Wie sollten wir auf diese Bedrohung reagieren? Die Bevölkerung sollte die Nutzung der Datenkrake TikTok überdenken. Der Algorithmus ist deswegen so effektiv, weil er durch die Totalüberwachung der eigenen Bevölkerung viel über Menschen gelernt hat. Durch den Hype um die Videoplattform im Westen lernt Xi jetzt auch viel mehr, als gesund wäre, über uns. Die Politik wiederum sollte es unbedingt vermeiden, die brüchige gegenseitige Abhängigkeit mit dem Reich der Mitte unnötig einseitig werden zu lassen."