Vor der Abstimmung über den Fiskalpakt und den Euro-Rettungsmechanismus ESM in Bundestag und Bundesrat haben die Beschlüsse des EU-Gipfels parteiübergreifend für Kritik gesorgt. Die Beschlüsse seien ein großer Schritt in Richtung der Vergemeinschaftung von Schulden, sagte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach im Deutschlandfunk. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Entscheidungen.
Die angeschlagenen Euroländer Italien und Spanien hatten in Brüssel Zugeständnisse von Deutschland bei der Verwendung der Euro-Rettungsfonds erzwungen. Künftig sollen nicht nur direkte Bankenhilfen möglich sein, sondern auch der Aufkauf von Staatsanleihen reformwilliger Mitgliedsländer ohne allzu strenge Auflagen. Im Gegenzug stimmten Rom und Madrid einem EU-Wachstumspakt zu.
Bosbach sagte, durch die Beschlüsse werde die europäische Währungsunion zu einer Haftungsunion ausgeweitet. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, kritisierte, die Beschlüsse seien "ein erneuter Bruch mit den bisherigen Prinzipien, Hilfen nur gegen tatsächliche Reformen und konkretes Sparen zu gewähren". Der als Euro-Kritiker bekannte FDP-Abgeordnete Frank Schäffler bemängelte erneut den Zeitdruck, unter dem die Gesetze verabschiedet würden.
Steinmeier erwartet "schwierige Beratungen"
Ungeachtet der Kritik blieb die Abstimmung über Fiskalpakt und ESM heute auf der Tagesordnung von Bundestag und Bundesrat. Merkel will in einer Regierungserklärung die Gründe für ihre Zustimmung zu den EU-Beschlüssen darlegen. In Brüssel betonte die Kanzlerin, sie sei ihrer "Philosophie - keine Leistung ohne Gegenleistung - treu geblieben". Für die Verabschiedung von Fiskalpakt und ESM ist eine Zweidrittel-Mehrheit angestrebt; Merkel braucht daher Stimmen aus der Opposition. Anschließend will noch der Bundesrat darüber debattieren und abstimmen.
Wegen der in Brüssel ohne vorherige Absprache mit der Opposition vereinbarten Direkthilfen für Banken stünden "schwierige Beratungen" bevor, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Er gehe aber davon aus, dass über die vorliegenden Gesetzespakete "noch im Laufe des heutigen Abends entschieden wird".
Die Linksfraktion beschloss, im Bundestag eine Verschiebung der Debatte zu beantragen. Fraktionschef Gregor Gysi sagte, es sei eine "Veralberung des Bundestags", den Vertrag jetzt zu beschließen und dann wieder Veränderungen vorzunehmen.
"Kein Geld ohne Gegenleistung"
Die Opposition kritisierte Merkels Verhandlungsführung in Brüssel scharf. "Merkel hat sich als große Alleinbestimmerin in der Europäischen Union dargestellt, und dies ist nun zerschellt an der Realität", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in Berlin. "Die Kanzlerin musste erneut einstmals als rote Linien definierte Statements aufgeben", sagte #link;www.stern.de/politik/juergen-trittin-90304669t.html;Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin#.
Merkel hatte eine direkte Hilfe für angeschlagene Banken durch den ESM bislang abgelehnt und die Unterstützung von europäischen Krisenstaaten an strenge Auflagen geknüpft. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) beharrte auf Auflagen für hilfesuchende Länder. Es gelte immer die Konditionalität: "Kein Geld ohne Gegenleistung".

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Wegen der geplanten Bankenhilfen muss der Bundestag womöglich noch einmal über den ESM abstimmen, denn für solche Aufgaben ist der Fonds bislang nicht ausgestattet. Gegen Fiskalpakt und ESM haben Politiker und Bürger mehrere Klagen beim Bundesverfassungsgericht vorbereitet, die noch am Abend nach den Voten von Bundestag und Bundesrat eingereicht werden sollen.