Libanon-Konflikt Steinmeier setzt auf Diplomatie

Frank-Walter Steinmeier ist kurzfristig in den Nahen Osten gereist, um die Chancen für eine Waffenruhe in der Region auszuloten. "Hohe Priorität hat eine Beruhigung der Lage", sagte Steinmeier vor seinem Abflug. Derweil bereitet Israel eine Bodenoffensive vor. Erste Truppen operieren offenbar bereits im Libanon.

Mit Diplomatie auf breiter Ebene bemüht sich die Bundesregierung um Mithilfe bei der Lösung des dramatisch eskalierenden Nahost-Konflikts. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) brach zu einer zweitägigen Reise nach Ägypten, Israel und in die Palästinenser-Gebiete auf, um Spielräume für eine Beendigung der Krise auszuloten. Ferner entsandte das Auswärtige Amt Sondierungsteams nach Beirut, Damaskus und New York.

Hilfe für festsitzende Deutsche

Für die im Süd-Libanon noch festsitzenden Deutschen will die Bundesregierung "alles in ihrer Macht Stehende tun, um Ausreisemöglichkeiten zu schaffen". Für den Rücktransport charterte das Auswärtige Amt eine Passagierfähre, die am Montagvormittag Deutsche und EU-Bürger von Tyros nach Zypern bringen soll. Insgesamt wurden bisher rund 4600 Deutsche aus dem Libanon zurückgeholt.

"Oberste Priorität hat die Beruhigung der Lage. Jetzt müssen wir die Bedingungen dafür schaffen, dass die Waffen schweigen können und ein Rahmen für eine dauerhafte Lösung geschaffen wird", sagte Steinmeier vor seinem Abflug in Berlin. Die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung und die humanitäre Lage insbesondere im Süden Libanons seien "alarmierend".

Steinmeier traf am Nachmittag in Kairo seinen ägyptischen Amtskollegen Ahmed Abul-Gheit. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gert Weisskirchen sagte im rbb-Inforadio, Steinmeier wolle in Erfahrung bringen, ob Ägypten nach dortiger "erheblicher Kritik an der Hisbollah" zu mehr Engagement bereit sei.

In Israel wird der Minister am Sonntag Ministerpräsident Ehud Olmert und Außenministerin Zipi Liwni treffen. Bei einem Treffen mit dem israelischen Verteidigungsminister Amir Peretz will er sich auch für sichere Ausreisewege der im Süd-Libanon festsitzenden Deutschen einsetzen. Am Nachmittag ist in Ramallah ein Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplant.

Beck offen für Bundeswehr-Beteiligung an Nahost-Truppe

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat sich offen gezeigt für ein Mitwirken der Bundeswehr an einer internationalen Friedenstruppe im Nahen Osten. "Eine Beteiligung Deutschlands wäre immer noch etwas besonderes, aber im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft nicht mehr undenkbar", sagte Beck in einem vorab veröffentlichten Interview der "Bild am Sonntag". Eine Stabilisierungstruppe an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon wäre eine Möglichkeit, den politischen Prozess wieder in Gang zu setzen. Die Zusammensetzung der Truppe wäre erst festzulegen, wenn die Konfliktparteien in der Region einem solchen Einsatz zustimmten. Zwar leiste die Bundeswehr auf dem Balkan, in Afghanistan und auch im Kongo bereits viel. "Aber ich halte es für richtig, dass Deutschland nicht generell Nein sagt."

Beck betonte, ohne die Zustimmung Israels wäre eine Entsendung deutscher Soldaten in die Region nicht vorstellbar. "Voraussetzung wäre auch, dass es zu dem dringend erforderlichen Waffenstillstand kommt." Der könne dann von der internationalen Truppe bewacht werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich wie andere Regierungsmitglieder bislang zurückhaltend zu einer Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an eine Friedenstruppe der Vereinten Nationen (UN) geäußert, die eine Pufferzone zwischen Israel und dem Libanon sichern soll. Erst müssten mit der Zustimmung der Konfliktparteien und einem UN-Mandat die Voraussetzungen für einen solchen Einsatz geschaffen werden, hieß es.

Angriffe fortgesetzt

Die israelischen Angrifsswellen liefen auch in der Nacht zum Samstag weiter: Die Truppen beschossen erneut Ziele im Libanon, in der Luft kreisten Kampfflugzeuge und ein Hubschrauber. Auf israelischer Seite standen zahlreiche Panzer und gepanzerte Fahrzeuge am Straßenrand.

UN-Generalsekretär Kofi Annan bekräftigte seine Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und warnt Israel vor Invasion im Libanon. Der Einmarsch von Bodentruppen wäre "eine sehr ernste Eskalation", sagte Annan. Wenn die Israelis im Süden des Libanon blieben, "wird das für sie eine Sicherheitszone sein, aber für die anderen wird es Besetzung sein, und das wird den Widerstand stärken". Annan rief Israel auf, mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um eine Waffenruhe zu erreichen.

Rasches Ende unwahrscheinlich

Syrien und der Iran müssten ebenfalls beteiligt werden. Ein rasches Ende der Gewalt sei jedoch nicht sehr wahrscheinlich, räumte der UN-Generalsekretär ein. Annan zeigte sich besorgt über das Schicksal hunderttausender Libanon-Flüchtlinge. "Ich befürchte eine große humanitäre Katastrophe", sagte er. Der Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz habe bereits 700.000 Menschen in die Flucht getrieben, von denen sich die meisten noch im Land aufhielten. Da dort zahlreiche Brücken und Straßen zerstört worden seien, sei der Zugang zu den Flüchtlingen erschwert.

Weitere Tote und Verletzte

Bei nächtlichen Luftangriffen auf die südliche Stadt Nabatijeh wurden ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt, wie der libanesische Rundfunk berichtete. Die zwölf Kilometer hinter der Grenze gelegene Stadt war bereits am Vortag bombardiert worden.

Am frühen Samstag flog die israelische Luftwaffe laut Augenzeugen auch Angriffe auf Ziele in der Umgebung der Ortschaft Marun al Ras sowie nahe der umstrittenen Tschebaa-Höfe. Die israelischen Streitkräfte bestätigten, dass bereits seit einigen Tagen kleinere Truppeneinheiten auf libanesischem Boden aktiv seien.

"Begrenzte" Bodenoffensive angekündigt

Ein Mitarbeiter der UN-Beobachtertruppe für Südlibanon (UNIFIL) hatte zuvor in Beirut gesagt, 300 bis 500 israelische Soldaten befänden sich mit Unterstützung von etwa 30 Panzern im westlichen Grenzgebiet. Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte bestätigte den Einsatz von Soldaten im Libanon, wollte sich aber zu deren Zahl nicht äußeren.

Generalstabschef Dan Halutz kündigte eine "begrenzte" Bodenoffensive an. Ziel sei die Zerstörung der Infrastruktur und Logistik der libanesischen Hisbollah-Miliz. Dafür waren bereits zuvor weitere Reservisten mobilisiert worden.

AP/Reuters/DPA AP DPA Reuters

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