CSU-Chef Horst Seehofer hat nach dem Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern seine Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel erneuert und nochmals verschärft. "Die Lage für die Union ist höchst bedrohlich", die Menschen wollten "diese Berliner Politik nicht", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Seine "mehrfache Aufforderung zur Kurskorrektur" in der Flüchtlingspolitik sei nicht aufgenommen worden, das "desaströse" Wahlergebnis eine Folge davon.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber wies die Attacke zurück: "Unsere Anhänger und Mitglieder - gerade auch diejenigen, die derzeit in Niedersachsen und Berlin engagiert Wahlkampf machen - erwarten von der Union vor allem eines: Geschlossenheit." Mit Spannung wurde erwartet, wie sich Merkel an diesem Mittwoch im Bundestag bei der Generalaussprache zum Haushalt 2017 zu ihrer Flüchtlingspolitik äußert und ob sie ihren Kritikern entgegenkommt.

CDU in Mecklenburg-Vorpommern hinter der AfD
Vor Fernsehkameras wollte Seehofer seine Kritik am Dienstag nicht wiederholen. "Es ist alles gesagt", betonte er in München. Stattdessen verwies der bayerische Regierungschef auf die Klausur des CSU-Vorstands an diesem Freitag und Samstag. "Da werden wir alles Nötige besprechen und auch veröffentlichen." Zugleich versprach er eine weiterhin "konstruktive Politik für Deutschland". Über sein Verhältnis zur Kanzlerin sagte er: "Wir reden immer."
In Berlin wird am 18. September das Abgeordnetenhaus neu gewählt, in Niedersachsen sind an diesem Sonntag Kommunalwahlen. Beide Wahlen gelten als erneuter Gradmesser für die Stimmung gegenüber der CDU, zumindest in der Hauptstadt wird ein neuerliches Desaster für die Christdemokraten erwartet. Am Sonntag war die CDU bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern nur auf 19 Prozent gekommen und damit erstmals hinter die AfD (20,8 Prozent) zurückgefallen.
"Ventil für viele andere diffuse Ängste"
Seehofer sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Flüchtlingspolitik sei "nur ein Ventil, die Problematik liegt wesentlich tiefer". Er sei überzeugt, "dass dahinter eine Systemkritik steckt". Der CDU-Spitze und damit auch Merkel warf er vor, den Ausgang der Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom Frühjahr falsch analysiert zu haben. Dies sei der "Keim der Ursachen für das jetzige Ergebnis". Er forderte eine inhaltlich klare Orientierung: "Steuern, innere Sicherheit, Rente, Zuwanderung - spätestens September, Oktober muss eine Klärung her."
Söder will Angela Merkels "Wir schaffen das" umdeuten
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach sich für eine umfassende Wahlanalyse aus. "Es geht darum zu zeigen: Wir haben verstanden", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Flüchtlingspolitik sei ein großes Thema gewesen, "aber auch Ventil für viele andere diffuse Ängste".
Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte in den ARD-Tagesthemen: "Aus einem "Wir schaffen das" sollte eher ein "Wir haben verstanden und wir ändern das" werden." Er ergänzte: "Wir brauchen eine Obergrenze (für Flüchtlinge). Wir brauchen eine wirksame Kontrolle, wir müssen endlich wissen, wer sich überhaupt in Deutschland im Land aufhält."
"Multikulti ist ein Auslaufmodell"
Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Niemand erwartet, dass die Bundeskanzlerin behauptet, dass wir es nicht schaffen würden, aber es reicht nicht, nur zu sagen, dass sich die massenhafte Zuwanderung des Jahres 2015 nicht wiederholen darf."

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Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak (CDU), sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post": "Wir brauchen in der Flüchtlingspolitik eine klare Sprache und ein unmissverständliches Signal der Bundesregierung, dass Multikulti ein Auslaufmodell ist."