"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Jetzt sieht es so aus, als werde Bush den Sieg davontragen, und zwar, anders als vor vier Jahren, mit einer stattlichen Wählerstimmenmehrheit, die noch für manches herhalten wird. Doch nicht zuletzt jene Regierungen in Europa und anderswo, die mit Bush über Kreuz waren, dürfen sich nicht verkriechen, um ihren Katzenjammer auszuleben. Was ihnen bislang wie eine Drohung vorgekommen sein mag ("vier weitere Jahre"), scheint Wirklichkeit zu werden. Und die verlangt nach einer kühlen, realpolitischen Interessenbestimmung, die sich frei macht von populärem Antibushismus oder törichtem Antiamerikanismus: der Weg muss über den Dialog zu neuer Gemeinsamkeit führen. Voraussetzung dafür ist, dass die eine Seite ihre Europa-Spaltereien und die andere ihren pädagogisierenden Moralismus sein lässt.
"Märkische Allgemeine" (Potsdam)
In den Wochen vor der US-Wahl war Gerhard Schröder selbst in Hintergrundgesprächen kein Satz zu entlocken, der als Festlegung auf John Kerry hätte gedeutet werden können. Das ist angesichts des Wahlausgangs auch gut so. Denn Bekundungen nach Art des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller, die Wiederwahl des Fundamentalisten Bush sei weder für die Welt noch für das demokratische Amerika gut, sind nicht dazu angetan, das deutsch- amerikanische Verhältnis zu entkrampfen. Die Dinge sind, wie sie sind, und man muss politisch das Beste daraus machen. Es geht hier nicht um friedliche Koexistenz, sondern um den geduldigen Versuch, zu vertrauensvoller Zusammenarbeit zurückzufinden. Zum Trost für diejenigen, die hierzulande die Faust in der Tasche ballen: Sie wollten Bush zwar nicht, aber gerade seine Wahl macht es leichter abzuwehren, was sie auch nicht wollen - den Einsatz deutscher Soldaten im Irak.
"Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg)
Mit einfachen, wenn auch zum Teil falschen Formeln hat George W. Bush seine Amerikaner überzeugt: Irak sei die logische Folge des 11. Septembers 2001. Und so haben sie ihn gewählt, den starken Mann, den Oberbefehlshaber, den man nicht mitten im Krieg absetzt, den Vermittler von Sicherheit, Entschlossenheit. Angst hat mitgewählt. Kerry hat man den geradlinigen, Gottes eigenes Land beschützenden Kämpfer nicht abgenommen. Und seine soziale wie auch ökonomische Argumentation wirkte akademisch.
"Neues Deutschland" (Berlin)
Die Mehrheit der an der Wahl teilnehmenden US-Bürger hat den Krieg wiedergewählt. Fortan haftet der Makel dieses Präsidenten der real majority in den USA selbst an. Bush mag sie verängstigt und verführt haben - aber sie ließ sich verängstigen und verführen. Daraus ist - Obacht! - kein Antiamerikanismus zu saugen, aber die ernüchternde Erkenntnis, dass Bush nicht mehr der Präsident einer Minderheit ist. Genau das macht diesen Ausgang so beunruhigend. Die US-Gesellschaft, nicht nur ihre Regierung, hat die Hoffnung auf eine friedliche Politik abgelehnt. Bush wird es seine gelegentlich unwilligen Verbündeten und die Welt spüren lassen.
"Pforzheimer Zeitung"
George W. Bushs knapper Sieg ist ein schwacher Trost für all jene, die auf eine Wachablösung gehofft hatten. Gerade in Deutschland und wohl auch in weiten Teilen Europas hätte eine Mehrheit der Menschen nur zu gerne gesehen, dass Kerry den bei vielen inzwischen geradezu verhassten Kriegspräsidenten aus dem Weißen Haus vertreibt. Diese Hoffnung hatte bei vielen Bush-Gegnern offenbar den Blick auf die Tatsachen getrübt, die entgegen der Einschätzung zahlreicher Kerry-Anhänger stets für den amtierenden Präsidenten sprachen. Bush ist dem Durchschnitts-Amerikaner menschlich näher als sein Herausforderer und verfügte zudem über den gewichtigen Amtsinhaber- Bonus. Kerry blieb trotz der massiven Unterstützung durch Schauspieler, Popstars und Intellektuelle letztlich als Person und Politiker zu blass, um Bush ernsthaft zu gefährden. Vieles sprach gegen Bush, zu wenig für Kerry. Mit zwei Gedanken müssen sich die Bush-Kritiker gerade in Europa seit gestern anfreunden. Erstens: Der alte Präsident ist auch der neue. Zweitens: Er steht für die Mehrheit der Amerikaner. Ob man es wahrhaben will, oder nicht.
"Ostsee-Zeitung" (Rostock)
Sei’s drum: Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Wenn die Mehrheit der Amerikaner also auf George W. Bush setzt, ist das natürlich zu akzeptieren. Ebenso, dass eine große Mehrheit der Deutschen offenbar etwas gegen dessen Politik hat. Denn laut Infas-Umfrage hofften 73 Prozent auf Kerrys Sieg. Es wird nicht nur für Europäer spannend, wie sich diese transatlantischen Differenzen über die nächsten Jahre hinweg entwickeln. Denn im Sinne unserer noch tragfähigen und lebenswichtigen Allianz kann nur gegenseitige Annäherung und Achtung den Menschen beiderseits des Ozeans nutzen. Ein "Pudel Blair, der sein Herrchen behält" - wie die Briten sagen - ist dabei genauso überflüssig, wie relativ einsames Protest-Bellen aus Berlin und Paris.
"Die Zeit" (Hamburg)
Wir müssen uns wünschen, dass Bush aufhört, Bush zu sein. Das heißt: weniger hochfahrend und selbstgerecht, mehr zu- und hinhörend, und zwar im ureigenen Interesse. Denn was immer Amerika in den nächsten vier Jahren anstrebt, erfordert verlässliche, hilfsbereite Freunde, und die wünschen nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch Respekt. Wie sonst will Bush das iranische und nordkoreanische Atomwaffenprogramm stoppen, den Dollar retten, den Terror besiegen, das irakische Demokratieprojekt (das auch in Europas Interesse ist) vor der Blutrünstigkeit seiner Feinde bewahren? Wenn Bush aber nicht auf Europa ein- und zugehen will, sollte er dem eigenen Volk aufs Maul schauen. Das wünscht sich merkwürdigerweise laut einer allerjüngsten Umfrage mit 87 zu 9 Prozent, dass Amerika "mit den UN zusammenarbeitet, um internationale Gesetze gegen den Terrorismus zu stärken".
"General-Anzeiger" (Bonn)
Für Europa gilt es nun, vernünftig mit jenem Amerika umzugehen, das die Amerikaner sich gewählt haben. Auch wenn es naiv ist anzunehmen, ein Wahlsieger Kerry hätte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als amerikanische Soldaten dem Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterwerfen oder das Kyoto-Protokoll zu unterschreiben, wäre er wohl für ein anderes Amerika eingetreten. Nur: Auch mit dem Amerika des George Bush muss Europa auskommen. Beide Seiten bleiben aufeinander angewiesen - in ihrem eigenen Interesse und im Interesse einer Welt, die ohne transatlantische Zusammenarbeit noch mehr von ihrer Friedensfähigkeit einbüßen wird.
"Süddeutsche Zeitung" (München)
Amerika ist vielen Europäern fremd geworden. Die Wahl hat diesen Eindruck nur bestärkt. Bush wird entgegen vieler Erwartungen keine kurze Episode in der Geschichte geblieben sein, er steht für die Mehrheit eines Landes, das die politische Spaltung zum Konzept und den Lagerkampf zum Volkssport erklärt hat. Die Welt sollte sich von dieser aufgeheizten Atmosphäre nicht weiter anstecken lassen. Amerika ist nämlich mehr als sein Präsident.
"Kieler Nachrichten"
Die meisten Deutschen hätten es lieber gesehen, wenn John Kerry ins Weiße Haus eingezogen wäre. Gegen keinen anderen US-Präsidenten gibt es hier zu Lande vergleichbare Antipathien wie gegen George W. Bush. Ob sich die Außenpolitik eines Präsidenten Kerry allerdings massiv von der seines Vorgängers unterschieden hätte, ist Spekulation. Ob das deutsch-amerikanische Verhältnis quasi über Nacht besser geworden wäre, ebenfalls. Die Hoffnung ist nicht völlig unbegründet, dass Bush in seiner zweiten Amtszeit frei vom Druck der Wiederwahl versuchen wird, die Risse in den transatlantischen Beziehungen zu kitten. Das Verhältnis zwischen Schröder und Bush hat sich in den vergangenen Monaten bereits entspannt. Politik ist bekanntlich die Kunst des Machbaren. Deshalb hat sich die Bundesregierung auf einen wieder gewählten George W. Bush einzustellen, ob sie nun will oder nicht.
"Cellesche Zeitung"
Die verbindlichen Worte, die die beiden Kontrahenten gestern füreinander fanden, sind immerhin ein guter Anfang für die zweite Amtsperiode des US-Präsidenten. Und vielleicht betont Bush ja auch im Verhältnis zum alten Europa wieder mehr das Verbindende - den Unwägbarkeiten der Weltgeschichte kann die westliche Wertegemeinschaft vereint besser begegnen. Falls der alte und neue Präsident all diese Hoffnungen enttäuscht, bleibt uns Europäern nur eines: Dann müssen wir darauf warten, dass in vier Jahren Hillary Clinton für die Demokraten antritt. Unsere Sympathien hat sie jetzt schon.
"Neue Osnabrücker Zeitung"
Bedauern bringt nichts: Deutschland muss sich auf vier weitere Jahre Präsidentschaft von George Bush einstellen. Herausforderer John Kerry wird schnell vergessen sein. Deshalb heißt es, nach vorn zu blicken und aus dieser Wahl das Beste für die transatlantischen Beziehungen zu machen. Denn eines ist klar: Eine neuerliche Eiszeit, wie zu Beginn des Irakkriegs, darf es zwischen Berlin und Washington nicht geben. Sonst könnte die westliche Allianz dauerhaft geschwächt und letztlich entwertet werden für die Sicherheit Europas eine beängstigende Perspektive.
"Die Hannoversche Allgemeine Zeitung"
Wie konnte es geschehen, dass Senator Kerry scheiterte, obwohl ihm ein Wahlsieg gleichsam auf dem Silbertablett angeboten wurde? Ein Teil der Erklärung hängt mit ihm selbst zusammen. Im Senat hat er dem Irak-Krieg zugestimmt, später im Wahlkampf hat er ihn problematisiert; so etwas dämpft den Zulauf. Das Bush-Camp indessen, angeführt vom Chefstrategen Karl Rove, setzte auf die Leidenschaft der eigenen Anhänger - und auf einfache Botschaften wie diese: Islamistische Terroristen haben uns am 11. September 2001 in einer historisch beispiellosen Aktion angegriffen, seither sind wir im Krieg, und mitten in einem Krieg wechselt man nicht die Führung. Die immer neuen Videos mit Terrordrohungen, Entführungen und Enthauptungen, haben die Entschlossenheit dieses Teils der amerikanischen Öffentlichkeit noch gesteigert. Die Mehrheit wollte in diesen Zeiten keinen Gentleman ins Weiße Haus einziehen sehen. Der Sheriff sollte bleiben.
"Thüringische Landeszeitung" (Weimar)
Präsident, was nun? Bushs erste Amtszeit hat nicht wirklich deutlich gemacht, wofür der Präsident des mithin bedeutendsten Landes steht abgesehen vom Krieg gegen den Terror, der ihm mit dem 11.9. 2001 nicht ungelegen kam und einer missionarischen Bibelpolitik, die gerade die Europäer geprägt von der Aufklärung sehr fremd anmutet. Die US-Wirtschaftspolitik jedenfalls ist nicht auf der Höhe der Zeit. Darüber sind selbst die Parteigänger des Präsidenten nicht im Zweifel. Und dies hat Auswirkungen auf die Klimapolitik wie auf die Ölpolitik, mithin auf die Zukunft dieser Welt. Es bleibt nicht viel Zeit, um abzuwarten, wer Bush was ins Ohr flüstert. Ein Plan muss her. Der Sieg allein ist nicht die Lösung.
"Münchner Merkur"
Das Votum der 120 Millionen US-Wähler fiel nicht nur anders aus, als viele bei uns gehofft hatten, es lässt auch keinen Zweifel an der Richtung. Amerika hat sich für den starken Mann entschieden. Und es hat unmissverständlich konservativ gewählt. Es ist sich damit in einer Weise treu geblieben, die uns in den kommenden vier Jahren noch beschäftigen wird. Möglicherweise wird George W. Bush in seiner zweiten Amtszeit Konsequenzen aus den Fehlern seiner ersten ziehen. Er wird die USA im Inneren wieder zusammenführen müssen und die internationalen Partnerschaften zu reparieren haben. Amerika muss wieder ein konstruktives Beispiel für die Welt geben - ein politisches und nicht nur militärisches.
"Nordwest-Zeitung" (Oldenburg)
Es wurde der erwartete Wahlkrimi. Ein neuerliches Desaster aber blieb den Amerikanern erspart. Ausgerechnet sein Image als starker Mann, das ihn weltweit zu einem der umstrittensten US-Präsidenten aller Zeiten machte, sicherte George W. Bush den neuerlichen Erfolg. Der alte und neue Präsident, der sich nach dem 11. September 2001 zunächst durch große Besonnenheit auszeichnete, hat polarisiert, statt die US-Amerikaner miteinander zu versöhnen. Auf seiner Soll- Liste stehen viele offene Punkte. Seinem Volk und der restlichen Welt ist zu wünschen, dass er die zweite Chance nutzt, wenigstens einige davon abzuhaken. Der Nahe Osten, Schlüssel zum Terror, ist nur einer davon. Doch vieles wird europäisches Wunschdenken bleiben.
"Darmstädter Echo"
Der Glaube, sagt man, kann Berge versetzen. Er kann auch eine Wahl entscheiden. Der feste Glaube vieler Menschen, dass George W. Bush in diesen unruhigen Zeiten der rechte Präsident ist, hat ihm die Wiederwahl beschert - obgleich ein Großteil der Bürger mit der Bilanz seiner Regierung durchaus nicht zufrieden war. Dies wog aber am Ende weit weniger schwer als die Überzeugung, dass ein Wechsel im Weißen Haus vor allem Ungewissheit, aber keinen praktischen Nutzen brächte.
"Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (Essen)
Mehr als alles andere wünschen sich die meisten Amerikaner jetzt ein Ende der erbitterten politischen Auseinandersetzungen, die in den letzten Jahren das Land gespalten haben. Für Bush, den Ideologen und Dogmatiker, wird das die größte Herausforderung sein: Brücken zu bauen in einem Land, in dem durch seine eigene Politik tiefe Gräben aufgerissen sind. Ob er dieser Herausforderung gewachsen ist, ob sich Bush zum Pragmatiker wandelt wie Reagan in seinen letzten Jahren oder eine radikalere Richtung einschlägt, weil er von den politischen Zwängen der erhofften Wiederwahl befreit ist, ist die interessanteste Frage zur Halbzeit der Ära Bush.
"Südwest-Presse" (Ulm)
Das Ergebnis mag in Europa auf Unverständnis stoßen. Wer eine Nation unter an den Haaren herbeigezogenen Vorwänden in einen Krieg führt und über die Verbindungen zwischen einem gestürzten Diktator und dem Terrorismus lügt, habe sich als "Führer der freien Welt" allemal disqualifiziert. Doch gewählt haben nicht Deutsche oder Franzosen, sondern die Amerikaner. Mehr als je zuvor nahmen diesmal teil und entschieden sich für Kontinuität, Religiosität und das simple Prinzip, dass man in Kriegszeiten seinem Präsidenten nicht den Rücken kehrt. Das wog schwerer als der Vortrag des Oppositionskandidaten, der zu Recht auf die Verlogenheit des Irak- Kriegs, die heuchlerische Steuerpolitik und die zunehmende Isolation der USA hinwies. Die Entscheidung lag allein bei den Amerikanern, und die haben ein klares Wort gesprochen.
"Leipziger Volkszeitung"
Als einflussreichster Familienclan der USA schicken sich die Bushs nun an, selbst die legendären Kennedys zu überflügeln. Mit seinem großen Stimmenvorsprung hat Bush den Makel abgeworfen, nur ein Präsident der Wahlmänner, aber keiner des Volkes zu sein. Noch nie konnte ein US-Präsident so viele Stimmen auf sich vereinen. Dies wird Bush zusätzliches politisches Gewicht verleihen, zumal in seinem Windschatten die Republikaner ihre Kongress-Mehrheit noch ausbauen konnten. Damit hat Bush im Prinzip freie Bahn, seine politischen Vorhaben ohne viele Kompromisse durchzuboxen. Doch er wird auch beweisen müssen, ob er fähig ist, die tief gespaltene US-Nation zu versöhnen und die zwei Amerikas wieder zusammenzuführen.
"Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg)
Die mächtigen Zirkel im Weißen Haus werden nach dem monatelangen Wahlkampf nun rasch wieder zum Alltagsgeschäft zurückkehren. Die Furcht vor neuen El-Kaida-Anschlägen besteht nach wie vor und der Wiederaufbau im Irak reißt immer neue Löcher in den US- Staatshaushalt. Der fromme Wunsch vieler, der nächste US-Präsident könnte seine politisch tief gespaltene Nation wieder einen, dürfte unerfüllt bleiben. Nicht nur weil mit George W. Bush für die nächsten vier Jahre eine polarisierende Persönlichkeit im Oval Office sitzt, die da wie dort aneckt und keine Konflikte scheut; es steht zu befürchten, dass die finanzielle Bürde des Irak-Kriegs Bushs Handlungsspielraum einengen wird. Seine reformorientierte Sozial- und Gesundheitspolitik könnte dem Sparzwang als erstes zum Opfer fallen.
"Mitteldeutsche Zeitung" (Halle)
In einer Zeit der Unsicherheit besinnen sich die Amerikaner außerdem auf konservative Werte: Familie, Religion, Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft. Diese Werte verkörpert der Präsident, ihre Verteidigung war Bushs einfache, aber eingängige politische Botschaft. Die Frage ist aber, ob dieses Programm auch als Grundlage für eine zweite Amtszeit reicht. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus ist nicht gewonnen, und es mehren sich die Stimmen, Amerika sei unter Bush unsicherer, nicht sicherer geworden. Die Konjunktur dümpelt nur noch vor sich hin, die Probleme im US- Sozialwesen harren einer Lösung. Die kritische Masse für eine Abrechnung mit Bush und den Republikanern war 2004 offenbar noch nicht erreicht.
"Saarbrücker Zeitung"
Bleibt zu hoffen, dass der US-Präsident angesichts der drückenden Probleme zur Realpolitik seiner Vorgänger zurückkehren wird. Diplomaten in Washington nähren diese Idee seit einiger Zeit, um einen neuen Ansporn für die Zusammenarbeit mit den Amerikanern in einer zweiten Amtszeit Bush zu schaffen. Ob das mehr als ein frommer Wunsch ist, dürfte sich schon bald zeigen. Denn im Windschatten der Präsidentschaftswahlen haben sich die Krisen in Irak, Iran und Nordkorea weiter zugespitzt. Bleibt Bush bei seiner von Idealismus durchtränkten Prinzipienpolitik, stehen den USA und der Welt vier turbulente Jahre bevor.
"Stuttgarter Zeitung"
Jetzt hat er ein klares Mandat der Wähler erhalten. Dabei hat er in den vergangenen Jahren gezeigt, dass er offenkundig den Herausforderungen nicht gewachsen ist, die das wichtigste Amt dieser Erde an seinen Träger stellt. George W. Bush hatte vor vier Jahren eine sparsame Haushaltsführung und eine zurückhaltende Außenpolitik angekündigt. In Wahrheit hat er in kurzer Zeit gigantische Schulden angehäuft, er hat mit seinem unsinnigen Irakkrieg die halbe Welt gegen sich aufgebracht, und er hat Amerika in einem Ausmaß gespalten, das kaum jemand für möglich gehalten hätte.
"Landeszeitung" (Lüneburg)
Die Welt stellt sich ein auf vier weitere Jahre mit George W. Bush... Das erneut knappe Votum der Amerikaner sorgt in Europa für Enttäuschung, das durch eine Abwahl Bushs auf die Abkehr von der Cowboy-Politik setzte, die der Präsident kultiviert hat. Als rücksichtslose Sachwalter ignorierten Bush und sein erzkonservatives Team internationale Institutionen ebenso standhaft wie internationale Vereinbarungen, sofern sie sich nicht den Interessen der letzten echten Supermacht unterordnen ließen. Gewiss wird der Republikaner das Votum als Bestätigung seines bisherigen Kurses betrachten. Es bleibt abzuwarten, ob der gestärkte Bush seine Gangart weiter verschärfen wird. Im Iran jedenfalls dürften die Sorgenfalten etwas tiefer werden. Erste Hinweise wird die Zusammensetzung des künftigen Teams in Washington liefern - entweder mit noch mehr "Falken" oder doch mit mehr Colin Powells.
"Kölnische Rundschau"
Die "Schicksalswahl" in den USA ist entschieden. Amerikas Präsident heißt weiter George W. Bush. Und trotz zwischenzeitlicher Unsicherheiten in Ohio ist die Legitimität seines Gesamtsiegs bei einem Vorsprung von rund dreieinhalb Millionen Stimmen anders als im Jahr 2000 nicht anfechtbar. Doch was hat angesichts der unzähligen kritischen Ansatzpunkte in der oft radikalen Politik des Texaners zur Niederlage des Herausforderers geführt? Gerade in Europa dürfte die Tatsache, dass die Mehrheit der US-Bürger wieder auf einen Mann setzt, der autoritär, religiös-sendungsbewusst, bis ins Mark konservativ, unbeirrbar bis zum Starrsinn, und keinerlei Grauzonen zulassend regiert hat, für Unverständnis sorgen. Denn diese Merkmale Bushs hatten das Land nicht nur in zwei sich scheinbar unversöhnlich gegenüber stehende Lager gespalten, sondern auch viele in der Weltgemeinschaft vor den Kopf gestoßen.
"Neue Westfälische" (Bielefeld)
Die meisten Amerikaner haben sich nicht mit Begeisterung, sondern schweren Herzens noch einmal für Bush entschieden. Für Bush, den Ideologen und Dogmatiker, wird das die größte Herausforderung sein: Brücken zu bauen in einem Land, in dem durch seine eigene Politik tiefe Gräben aufgerissen sind. Ob er dieser Herausforderung gewachsen ist, ist die interessanteste Frage zur Halbzeit der Ära George W. Bush.
"Westdeutsche Zeitung (Düsseldorf)
Die Welt hat also - ob sie es will oder nicht - einen neuen, alten US-Präsidenten, dessen Machtfülle noch einmal gestiegen ist. Die Befürchtung Europas, George Bush könnte nun seine unselige Kriegspolitik ungehindert fortsetzen, ist allerdings noch nicht ausgemacht. So halsstarrig er den Irak-Feldzug durchgezogen und damit den islamistischen Terror weltweit noch verstärkt hat: Seine Doktrin des präventiven Schutzes Amerikas muss der US-Präsident nicht zwingend in gleicher Weise fortsetzen. Ein zweites Irak kann sich auch Georg Bush nicht leisten. Und sein Vorbild Ronald Reagen hat ihm vorgemacht, dass auch ein eisenharter Präsident in seiner zweiten Amtszeit mehr Gewicht auf eine Politik der Diplomatie legen kann.
Internationale Pressestimmen
"The Times" London
"Es hat in der Vergangenheit Gerede darüber gegeben, dass sich die US-Demokratie in einer Krise befinde. Aber Tatsache ist, dass es selten einen Wahlkampf gegeben hat, der so viele Menschen - aus guten oder schlechten Gründen- motiviert hat. Wenn die US-Demokratie im Sterben liegt, wie Kritiker behaupten, dann ist es ihr gelungen, auf dem Todesbett höchst lebendig auszusehen. Es war bewegend, mitzuerleben, wie Präsident George W. Bush und Herausforderer John Kerry, die im Falle ihres Wahlsieg über eine unglaubliche Macht verfügen, den Kontinent bereisten und in den kleinen, relativ bedeutungslosen Staaten, um die Gunst der Wähler warben. Es gibt vieles, was an der amerikanischen Demokratie zu bewundern ist."
"La Stampa" Rom
"Alles ist anders als bei den Wahlen vor vier Jahren, und dennoch hat die Welt die gleichen Stunden der Unsicherheit rund um die bis zuletzt ausgeglichene Wahl für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten erlebt. Alles ist anders, denn - im Gegensatz zum Jahr 2000 - sind die Amerikaner wählen gegangen, während sie sich in einem Krieg befinden und nachdem sie von einem Terror-Anschlag getroffen wurden. Sie werden dem Stil und der Persönlichkeit desjenigen, der über sie herrscht, immer ähnlicher und sind sich bewusst darüber, dass die Zeit des grenzenlosen Wirtschaftsbooms vorbei ist. Zudem war die Wahlbeteiligung so hoch wie nie, aber gleichzeitig sind die Amerikaner doch genau so zu den Urnen geschritten wie damals: In zwei Hälften geteilt.
"Kommersant" Moskau
"Der Weltbevölkerung ist es alles andere als egal, wer an der Spitze der Supermacht steht, deren Rolle in der heutigen Welt etwa der Sonne im Sonnensystem entspricht. Nicht nur die USA, die ganze Welt teilt sich in Anhänger von Bush oder Kerry auf. Alle rätseln darüber, wie sich das Leben auf der Welt verändern wird, wenn der Kandidat der Demokraten gewinnt. Oder wenn der republikanische Präsident für eine zweite Amtszeit bleibt. Zur Beruhigung: Schon zu Sowjetzeiten wurde uns beigebracht, dass sich die Präsidentschaftskandidaten in den USA kaum voneinander unterscheiden."
"Kurier" Wien
"Das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten hat seine Magnetwirkung auf andere eingebüßt. Viele hofften, es möge nur ein kurzer Irrweg gewesen sein, den die USA gegangen sind. Viele fürchten eine Fortsetzung. Der neue Präsident der nicht mehr vereinigten Staaten von Amerika übernimmt eine gespaltene Nation und ein Supermacht, die allein sichtlich nicht die anstehenden außenpolitischen Probleme lösen kann. Er übernimmt eine überdehnte Armee und ein massiv gestörtes Verhältnis zu Europa. Ein schweres Erbe."
"La Repubblica" Rom
"Zehn Millionen mehr an den Wahlurnen, die höchste Zahl seit 40 Jahren. Ein unbekanntes Amerika ist wählen gegangen, das aus dem Halbschatten der Teilnahmslosigkeit getreten ist. Es ist ein Amerika, dessen Identikit noch entdeckt werden muss, ein versunkener Kontinent, der auf die Radar-Schirme der Politik drängt. Dafür hat es mehrerer Traumata bedurft - das Gerangel in Florida im Jahr 2000, Bush, der vom Obersten Gericht ernannt wird, der 11. September, Irak. Und es bedurfte der "Polarisierung" in der Konfrontation zwischen Rechter und Linker, die oft als Krankheit beschrieben wurde. In Wirklichkeit hat sie einer Nation, die Jahrzehnte lang in die Apathie abgerutscht war, die Lust auf Teilnahme und politischen Kampf wiedergegeben."