Presseschau zum gescheiterten G20-Gipfel Amerikas Prestige steht auf dem Spiel

Obama und sein Amtskollege Putin haben es nicht geschafft, ihren erbitterten Streit über ein militärisches Eingreifen in Syrien zu beenden. Die Presse sieht die USA auf einem verlorenen Posten.

Die Staatschefs der 20 weltgrößten Volkswirtschaften haben es nicht geschafft, einen gemeinsamen Ausweg im Syrienkonflikt zu finden. Nach dem G20-Gipfel sind die Fronten verhärteter denn je. Russlands Präsident Wladimir Putin warnte am Freitag die USA vor dem Bruch des Völkerrechts und verkündete, im Falle eines militärischen Eingreifens in den Bürgerkrieg, Syrien militärisch und wirtschaftlich weiterhin zu unterstützen. Der US-Präsident Barack Obama steht mit seinen Plänen für eine Aktion ohne UN-Mandat weitgehend isoliert da.

Obwohl auch Italien, Japan, Frankreich, Kanada, Saudiarabien, Spanien, Grossbritannien, Australien und die Türkei Präsident Bashar al Asad für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich machen, bleibt ein Militärschlag umstritten. Neben Putin warnte auch der chinesische Staatschef Xi Jinping den amerikanischen Präsidenten deutlich vor einem Eingreifen in Syrien.

Die europäische Presse sieht Obama in einer unglücklichen Zwangslage. Nicht nur sein, sondern auch Amerikas Prestige steht auf dem Spiel. Die USA drohen die Rolle der Weltpolizei zu verlieren. Diese Entwicklung weckt Ängste vor einer Weltordnung, in der keiner mehr die völkerrechtlicher Normen durchsetzen kann.

Russland, "Kommersant"

Zum G20-Gipfel in St. Petersburg #link;http://www.kommersant.ru/doc/2274144;schreibt die russische Tageszeitung "Kommersant"# (Moskau) am Samstag:

"Im Streit über einen möglichen Chemiewaffeneinsatz in Syrien fordert Wladimir Putin stets, dass die internationale Gemeinschaft die Ergebnisse der UN-Inspektoren abwarten sollte. Doch daran hat sich der russische Präsident in St. Petersburg selbst nicht gehalten. Der Vorfall sei eine Provokation der Rebellen, die damit ausländische Unterstützer gewinnen wollen, erklärte Putin beim G20-Gipfel. Beweise präsentierte er nicht - aber auch für ihn scheint festzustehen, dass in Syrien Giftgas eingesetzt wurde. Obwohl Putin aufzählte, wer sich alles gegen einen Militärschlag ausspricht: Ein wenig gewonnen hat US-Präsident Barack Obama in St. Petersburg auch."

Niederlande, "de Volkskrant"

Zur geplanten Militäraktion der USA gegen das das Assad-Regime in Syrien heißt es am Samstag in der niederländischen Zeitung "de Volkskrant":

"Es wäre besser gewesen, wenn US-Präsident Obama sich nicht selbst mit der "roten Linie" unter Druck gesetzt hätte (die übrigens seinerzeit kaum kritisiert wurde von jenen, die nun mitleidig von einem taktischen Fehler reden). Doch wie die Dinge liegen, gleicht dieser Seufzer einer Klage über etwas, das nicht mehr zu ändern ist. Nachdem Obama nun so klar Position bezogen hat und es um das amerikanische Prestige geht, steht nicht nur der US-Kongress vor einer entscheidenden Frage, sondern auch Europa. Soll Obama nun selbst sehen, wie er damit zurechtkommt oder geben wir zumindest etwas politische Rückendeckung? Das ist eine Frage, bei der es um mehr geht, als um den Einsatz chemischer Waffen, wie abscheulich der auch sein mag."

Schweiz, "Neue Zürcher Zeitung"

Die "Neue Zürcher Zeitung" fürchtet die Folgen des allmählichen Machtvelusts der USA:

"Es rächt sich nun bitter, dass Europa und die USA nicht frühzeitig dem Blutvergießen in Syrien Einhalt geboten haben; wohl oder übel hätte dies auch militärische Mittel umfassen müssen, bei allen Risiken einer jeden Intervention. (...) Chirurgisch lässt sich dieser Krieg von außen nicht mehr beenden; und für mehr reicht weder der politische Mut noch die militärische Kraft fast aller Staaten dieser Welt. Allein die Vereinigten Staaten wären in der Lage dazu; sie zögern, aus verständlichen Gründen. Wo aber keine Macht, da ist auch kein Recht. Für die Menschen in Syrien und in der Region ist das tragisch; für die globale Durchsetzung völkerrechtlicher Normen könnte es geradezu fatal sein."

Österreich, "Der Standard"

Die liberale Wiener Zeitung "Der Standard" meint, dass die USA die Rolle des Weltpolizisten nicht mehr spielen wollen:

"Jahrelang haben die USA die Rolle des Weltpolizisten erfüllt, verbunden oft allerdings mit fragwürdigen Motiven und miserabler Vorbereitung. Spätestens seit den Mehrfachkriegen der Bush-Ära aber ist den Amerikanern die Lust, den Rest der Welt auf eigene Kosten zu disziplinieren, gehörig vergangen. Die starken Zweifel im Kongress spiegeln die Stimmung der Bevölkerung wider. (...) Der weitere Verlauf des Konflikts hat deshalb massive Auswirkungen auf die kommenden Jahre. Wenn niemand mehr bereit ist, einzugreifen, um internationale Normen zu verteidigen, dann droht eine neue Weltunordnung, die viel mehr Menschenleben kosten kann als der Krieg in Syrien."

Ellen Ivits mit DPA