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Regierungskrise AKK gibt Thüringen-CDU Zeit, Neuwahlen zu vermeiden – Werteunion für Expertenregierung

Die CDU-Chefin forderte eine sofortige Neuwahl, als CDU und AfD zusammen den neuen Regierungschef in Erfurt wählten. Nun räumte sie der Landes-CDU noch eine Schonfrist ein. Auch in der FDP gärt es.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gibt der Thüringer CDU nach dem Eklat bei der Ministerpräsidentenwahl noch etwas Zeit, um auf parlamentarischem Weg - und damit ohne Neuwahl - aus der Krise zu finden. Sollten die parlamentarischen Möglichkeiten nicht funktionieren, sei eine Neuwahl aber unausweichlich, machte sie in der Nacht zum Freitag nach fünfstündigen Krisengesprächen in Erfurt deutlich. Ursprünglich hatte sich die CDU-Chefin eine Stunde Zeit genommen, um die Lage mit der Thüringer CDU zu klären.

Wie der parlamentarische Ausweg aus der verfahrenen Situation im Thüringer Landtag aussehen soll, ließ die CDU-Chefin zunächst offen. Die konservative Werteunion brachte am Freitagmorgen eine Expertenregierung unter Führung des amtierenden Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) ins Gespräch. Er würde eine solche Regierung vorschlagen, sagte Werteunion-Chef Alexander Mitsch im Deutschlandfunk. "Vielleicht eine überparteiliche. Das hatten wir auch schon einmal in Österreich, solange bis eine Lösung gefunden ist."

Thüringens SPD-Vorsitzender Wolfgang Tiefensee reagierte zurückhaltend auf die Haltung der CDU. "Das nehme ich zur Kenntnis", sagte Tiefensee am Freitagmorgen im rbb-inforadio. "Ich nehme auch zur Kenntnis, dass es offenbar die Bereitschaft gibt, über neue Formen der Kooperation mit Rot-Rot-Grün nachzudenken. Jetzt bin ich gespannt, was genau daraus folgt."

CDU: Kramp-Karrenbauer auf dem Prüfstand

Die politische Zukunft von CDU-Landespartei- und Fraktionschef Mike Mohring ist offen - nach Angaben aus informierten Kreisen hat er keinen Rückhalt mehr in seiner Landtagsfraktion. Demnach sei geplant, dass es im Mai Wahlen zum Fraktionsvorsitz geben soll, hieß es nach einer Fraktionssitzung in den frühen Morgenstunden am Freitag. Der CDU-Landesvorstand hatte ihm zuvor noch das Vertrauen ausgesprochen.

Wegen des offenkundig konträren Kurses der Thüringer CDU zur Bundespartei steht auch Parteichefin Kramp-Karrenbauer in der Kritik. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet sprach sich dennoch gegen eine Führungsdebatte in seiner Partei aus. "Ich finde, die Lage in Thüringen ist jetzt so ernst, dass man jetzt da nicht einen innerparteilichen Machtkampf draus machen muss", sagte Laschet am Freitagmorgen in einem ntv-Interview. "Man muss jetzt erst mal das Problem lösen", betonte der Chef der nordrhein-westfälischen CDU.  "Die Welt guckt auf Deutschland, guckt auf Thüringen bis hinein in internationale Presse, in Deutschland ist mit den Stimmen einer rechtsradikalen Partei ein Ministerpräsident ins Amt gewählt worden". Am Vormittag wird Kramp-Karrenbauer die Ergebnisse ihrer Gespräche in Thüringen vor dem CDU-Präsidium in Berlin vertreten müssen.

Thüringen: Nico Semsrott analysiert FDP-AfD-Kooperation

Doch parlamentarische Lösung statt Neuwahl?

Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich war am Mittwoch überraschend mit Stimmen von CDU, FDP und AfD zum Regierungschef in Thüringen gewählt worden - dies hatte wegen der maßgeblichen Rolle der AfD ein politisches Beben ausgelöst. Eine parlamentarische Lösung könnte nun darin bestehen, dass Kemmerich seinen Rücktritt erklärt und damit den Weg frei macht für eine erneute Wahl des Ministerpräsidenten vom Landtag. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Kemmerich die Vertrauensfrage stellt. Beides käme der Thüringer CDU entgegen, da sie bei einer Neuwahl des Landtags Verluste befürchtet, während die politischen Ränder, also AfD und Linkspartei, auf Stimmenzuwachs hoffen könnten.

Nach einem bundesweiten Proteststurm wegen der maßgeblichen Rolle der AfD hatte Kemmerich am Donnerstag die Bereitschaft erklärt, seinen Posten wieder zu räumen. "Der Rücktritt ist unumgänglich", sagte der FDP-Politiker nach einem Krisentreffen mit FDP-Chef Christian Lindner, der extra nach Erfurt gereist war. Spitzenvertreter von Linkspartei, SPD und Grünen in Thüringen forderten Kemmerich auf, bis Sonntag seinen Rücktritt zu erklären. Der FDP-Mann hat bisher keinen klaren Fahrplan genannt. 

FDP: Christian Lindner stellt Vertrauensfrage

Nach der Wahl Kemmerichs mit AfD-Stimmen steht auch Lindner parteiintern massiv unter Druck. Er kündigte an, an diesem Freitag bei einer Sondersitzung des Bundesvorstandes die Vertrauensfrage zu stellen. Kemmerich sagte auf die Frage, ob er zu seiner Erklärung gezwungen worden sei: "Gezwungen hat uns niemand." Lindner hatte aber deutlich gemacht, dass er nicht Bundesvorsitzender bleiben könne, wenn eine Parteigliederung in Abhängigkeit zur AfD stehe. 

Die Bundesvorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Ria Schröder, ließ offen, ob sie Lindner bei seiner Vertrauensfrage unterstützen wird. "Es ist zu klären, ob Fehler gemacht worden sind, die hätten vermieden werden müssen", sagte sie dem "Mannheimer Morgen". "Und da werde ich bei der Sitzung einige Frage stellen und dann anhand der Antworten entscheiden." Die bayerischen Liberalen stärkten ihrem Parteichef den Rücken: "Er hat mein Vertrauen", sagte Landeschef Daniel Föst der "Augsburger Allgemeinen". Parteivize Katja Suding sagte dem Nachrichtenportal "Watson", es sei wichtig gewesen, dass Lindner Kemmerich "zum Rücktritt bewegen konnte". "Das war wichtig als Signal dafür, dass die FDP nichts mit der AfD zu tun hat."

Lindner: "Kemmerich von Wahl übermannt"

Nach eigenen Angaben hat Lindner seinen Parteikollegen Thomas Kemmerich bereits im Vorfeld vor einer möglichen Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten durch die AfD gewarnt. "Auch in Gremien haben wir davor gewarnt, ich selbst, man darf sich nicht in eine Abhängigkeit der AfD begeben", sagte Lindner am Donnerstagabend im ZDF-"heute journal". Kemmerich sei von dem Votum am Mittwoch "offensichtlich übermannt" gewesen und habe "spontan eine Entscheidung getroffen, die Wahl anzunehmen". Einen Tag später habe Kemmerich die Entscheidung jedoch "selbst korrigiert", sagte Lindner. An den Vorgang sollten "menschliche Maßstäbe" angelegt werden. Es müsse erlaubt sein, "dass sich jemand selbst korrigiert".

Die FDP-Fraktion Thüringen will einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Mohring wollte eine Neuwahl des Landtags unbedingt vermeiden. Der amtierende Ministerpräsident könne die Vertrauensfrage im Landtag stellen und die Wahl eines Nachfolgers ermöglichen, schrieb er auf Twitter. Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow steht weiter als Kandidat zur Verfügung, wie der Vize-Chef der Thüringer Linken, Steffen Dittes, sagte. 

Auflösung des Landtags kein Selbstgänger

Eine Auflösung des Parlaments ist indessen gar nicht so leicht möglich. Nach der Landesverfassung muss eine Abstimmung über Neuwahlen von mindestens einem Drittel der Abgeordneten beantragt werden - in Thüringen wären das 30. Die FDP-Fraktion hat aber nur fünf Abgeordnete im Thüringer Landtag. Um eine Neuwahl tatsächlich zu beschließen, wären sogar die Stimmen von zwei Dritteln der Abgeordneten nötig. Kemmerich machte deutlich, sollte dies nicht gelingen, würde er die Vertrauensfrage im Landtag stellen.

dho AFP DPA

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