Irak-Konflikt USA erwarten „robuste“ militärische Koalition

Die USA sind überzeugt, dass sie trotz des Widerstands aus Deutschland und Frankreich eine „robuste“ militärische Koalition zur Abrüstung des Iraks zusammenbringen können.

US-Regierungssprecher Fleischer: Es sei gut möglich, dass Frankreich „aus der Reihe tanzt“

Die USA sind überzeugt, dass sie trotz des Widerstands aus Deutschland und Frankreich eine „robuste“ militärische Koalition zur Abrüstung des Iraks zusammenbringen können. Das sagte Präsidentensprecher Ari Fleischer am Donnerstag in Washington. Auch US-Außenminister Colin Powell zeigte sich zuversichtlich, dass die USA im Falle eines Militärschlags nicht allein dastehen werden. „Sollten die UN es versäumen zu handeln, (...) dann behalten sich die USA das Recht vor, zu tun, was sie für angemessen zur Verteidigung ihrer und der Interessen ihrer Freund sowie der Welt halten“, sagte Powell bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Außenminister Jack Straw.

Es sei gut möglich, dass Frankreich „aus der Reihe tanzt“, sagte Fleischer weiter. Andere Länder wie Großbritannien, Australien, Italien und die meisten mittel- und osteuropäischen Länder stünden aber hinter den USA.

Powell räumte ein, dass es „scharfe Differenzen“ über das weitere Vorgehen gebe. Er wies aber zugleich darauf hin, dass er eine Lösung für möglich halte. „Die Debatte ist noch nicht zu Ende“, betonte der US-Minister. Sowohl Powell als auch der britische Außenminister Jack Straw wiesen wiederholt darauf hin, dass Frankreich für die erste UN- Resolution mit der Androhung „ernster Konsequenzen“ gestimmt und auch Deutschland die Entschließung mit allen ihren Teilen unterstützt habe.

Es sei klar, dass bei den Waffeninspektionen die Beweislast beim Irak liege und von den Waffeninspekteuren nicht erwartet werden könne, dass sie selbst einen zündenden Beweis für irakische Verstöße zu Tage förderten. Sollte es hier Missverständnisse geben, dann hoffe er, dass diese in den Debatten der kommenden Tage ausgeräumt werden könnten, fügte Powell hinzu.

Blix: „Wir folgen dem Zeitplan des Sicherheitsrates“

Powell warnte angesichts des wachsenden Widerstands gegen eine Militäraktion gegen den Irak, dass die Autorität der UN auf dem Spiel stehe. Es sei klar, dass der Irak „ernste Verstöße“ gegen die UN- Resolution begangen habe, sagte Powell. Dies zu ignorieren wäre eine „ernste Niederlage“ für die UN, sagte Powell. Der Minister machte zugleich deutlich, dass die US-Regierung eine neue UN-Resolution zum Irak nicht ausschließt, sie aber nicht für nötig hält.

Nur der Sicherheitsrat bestimmt nach Worten von UN-Chefinspekteur Hans Blix über den Zeitplan für Abrüstungskontrollen im Irak. „Wir folgen dem Zeitplan des Sicherheitsrates“, sagte Blix nach einem Treffen mit 16 militärischen Beratern am Donnerstag in New York. „Und wenn sie die Resolutionen ändern, folgen wir den neuen Weisungen“, erklärte Blix mit Bezug auf die 15 Mitglieder des Rates.

Derweil stoßen seine Waffeninspekteure im Irak auf erhebliche Probleme mit den geplanten Interviews. Irakische Wissenschaftler wollen sich nicht ohne irakische Vertreter von UN-Inspekteuren befragen lassen. Dies erklärte der Chef der irakischen Kontrollbehörde für die UN-Inspektionen, General Hossam Mohammed Amin, vor der Presse in Bagdad.

Nach US-Informationen ordnete der irakische Präsident Saddam Hussein die Ermordung aller Wissenschaftler an, die bei der Befragung im Rahmen der UN-Waffeninspektionen kooperieren. Das gelte auch für die Familienangehörigen, sagte der stellvertretende US- Verteidigungsminister Paul Wolfowitz.

Angesichts eines drohenden Krieges haben sich die Nachbarländer des Iraks für eine friedliche Lösung des Konflikts ausgesprochen und Bagdad zu einem „aktiveren Verhalten“ bei der Suche der UN- Waffeninspekteure nach Massenvernichtungswaffen aufgefordert. In einer am Donnerstag in Istanbul veröffentlichten Erklärung bekräftigten die Außenminister der Türkei, Syriens, Jordaniens, Saudi-Arabiens, Ägyptens und Irans, dass „Krieg keine Option für Krisenbewältigung“ sein dürfe. Die USA wurden nicht ausdrücklich genannt.

Frankreichs Wirtschaftsminister Mer: Rumsfelds Bemerkung habe ihn „zutiefst beleidigt“

Mit Verärgerung und Empörung reagierten deutsche und französische Politiker am Donnerstag auf die Kritik von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld an der ablehnenden Haltung beider Länder zu einem Irak-Krieg. Rumsfeld hatte erklärt, beide Länder seien ein „Problem“ und gehörten dem „alten Europa“ an. Bundesaußenminister Joschka Fischer wies dies zurück: „Ich denke nicht, dass unsere Haltung ein Problem ist.“ Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte: „Ich halte es für nicht richtig, wenn jetzt so Töne aufkommen, wir seien das „alte Europa“.“ Der CSU-Politiker Bernd Posselt warf Rumsfeld „Neokolonialismus“ vor. Die Bemerkung von Rumsfeld habe ihn „zutiefst beleidigt“, sagte der französische Wirtschaftsminister Francis Mer. Das alte Europa könne auch von einer gewissen Weisheit geprägt sein, erklärte Regierungssprecher Jean-François Copé. Die linke Opposition in Frankreich kritisierte die „Arroganz der USA“.

Unterdessen stellten sich auch Russland und China an die Seite Frankreichs und Deutschlands. Die chinesische Außenamtssprecherin Zhang Qiyue erklärte: „Unser Standpunkt ähnelt der französischen Haltung“. In Athen sagte der russische Außenminister Igor Iwanow, er sehe derzeit keinen Grund für einen Militärschlag gegen den Irak.

USA offen für zweite Resolution zu Irak

Die USA lehnen eine zweite Resolution zur Frage der Zerstörung der Massenvernichtungswaffen in Irak nicht grundsätzlich ab. Der französische UN-Botschafter, der den Vorsitz im Sicherheitsrat führt, sieht dafür aber derzeit keine Mehrheit in dem Gremium. UN-Chefinspekteur Hans Blix erklärte am Donnerstag zu seinem am Montag mit Spannung erwarteten Bericht, die Inspekteure würden bei der Untersuchung von Anlagen zwar nicht behindert, Irak kooperiere aber auch nicht vollständig mit den UN.

Fünf Nachbarstaaten Iraks sowie Ägypten riefen Bagdad zu einer engeren Kooperation mit den Rüstungskontrolleuren auf. Die Länder der Region wollten nicht „einen neuen Krieg und dessen verheerende Folgen“ erleben, hieß es in einer in Istanbul verabschiedeten Erklärung. Irak wurde aufgefordert, eine „aktivere Haltung“ bei der Bereitstellung von Informationen einzunehmen.

Blix will mündlichen Bericht vorlegen

Blix sagte der Nachrichtenagentur AP in New York, er werde seinen Bericht mündlich, in Form einer Rede abgeben, und nicht als formellen Bericht. Es würden auch keine Proben gezeigt, die die Inspekteure in Irak genommen hätten. Einen harten Beweis gegen Irak gibt es nach Angaben von Blix derzeit nicht. Er kritisiert aber, dass Irak den UN Flüge mit Spionageflugzeugen vom Typ U2 verweigert. Bagdad befürchtet, dass Informationen in die Hände der USA gelangen. Sein Bericht gilt als entscheidend für die USA, die Irak angreifen wollen, falls das Land nicht mit den Inspekteuren zusammenarbeitet und die Zerstörung aller Massenvernichtungswaffen nachweist.

Der Resolution 1441 zufolge muss der Sicherheitsrat über den Bericht beraten. Nach Ansicht der USA ist aber kein weiterer Beschluss vor einem Angriff notwendig, wenn Irak nicht alle Massenvernichtungswaffen zerstört hat. Diese Auffassung wird aber von etlichen anderen Ländern wie Frankreich, Deutschland, Russland und China nicht geteilt. Sie sind der Ansicht, dass ein Militäreinsatz zur Entwaffnung Iraks in einer zweiten Resolution gebilligt werden müsste. Sie sind gegenwärtig gegen einen Krieg und fordern mehr Zeit für die Inspekteure.

Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen wird über einen Kompromiss diskutiert, wonach Irak zunächst in einer Resolution dafür kritisiert wir, dass er nicht vollständig mit den UN-Inspekteuren kooperiert, eine Billigung eines Militäreinsatzes soll aber zunächst unterbleiben.

US-Außenminister Colin Powell sprach die Möglichkeit einer zweiten Resolution am Donnerstag in Washington zum ersten Mal seit zwei Monaten an. Das sei „eine offene Frage“, erklärte er. Die USA seien zwar schon immer der Ansicht gewesen, dass die Resolution 1441 ausreiche, sie seien sich aber auch bewusst, dass viele andere Mitglieder im Sicherheitsrat eine zweite Resolution für einen Militäreinsatz für notwendig hielten.

Frankreich und Russland sehen derzeit keinen Bedarf

Der französische UN-Botschafter Jean-Marc de La Sabliere sagte dazu, er bezweifele, dass es derzeit eine Mehrheit für eine solche Resolution gebe. Er sehe im Moment keinen Bedarf für eine zweite Resolution. Der stellvertretende russische UN-Botschafter Gennadi Gatilow pflichtete ihm bei. Dabei sei es egal, ob Irak nur kritisiert oder ein Angriff gebilligt werden solle.

Zur Bekräftigung ihres harten Irak-Kurses legte die US-Regierung am Donnerstag einen siebenseitigen Bericht über mutmaßliche Verstöße Bagdads vor. Irak wird vorgeworfen, den UN-Kontrolleuren Dokumente vorzuenthalten. Die Papiere würden an schwer zugänglichen Orten wie in Privathäusern von Regierungsbeamten versteckt. Waffen würden in Seen, Flüssen, Moscheen und Krankenhäusern verborgen und ständig an neue Verstecke gebracht, heißt es.

Irak-Nachbarländer fordern Bagdad zu „aktiverer“ Kooperation

Angesichts eines drohenden Krieges haben sich die Nachbarländer des Iraks für eine friedliche Lösung des Konflikts ausgesprochen. Gleichzeitig forderten sie das Regime in Bagdad zu einem „aktiveren Verhalten“ bei der Suche der UN-Waffeninspekteure nach Massenvernichtungswaffen auf. In einer am Donnerstag in Istanbul veröffentlichten Erklärung bekräftigten die Außenminister der Türkei, Syriens, Jordaniens, Saudi-Arabiens, Ägyptens und Irans, dass „Krieg keine Option für Krisenbewältigung“ sein dürfe. Die USA wurden nicht ausdrücklich genannt.

„Wir wollten diese Botschaft nicht verwässern“, sagte der türkische Außenminister Yasar Yakis auf Fragen von Journalisten. Der Appell der sechs Länder richte sich in erster Linie an den Irak. Die Außenminister appellierten die Regierung in Bagdad, „unumkehrbar und aufrichtig“ ihre Verantwortung bei der „Wiederherstellung von Frieden und Stabilität in der Region“ wahrzunehmen. Die Länder der Region wollten keinen weiteren Krieg. „Das Gespenst des Krieges türmt sich drohend auf“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.

Die irakische Führung wurde dazu aufgefordert, „ein aktiveres Verhalten“ bei der Bestandsaufnahme „von Informationen und Material“ in Bezug auf Massenvernichtungswaffen an den Tag zu legen. Eine direkte Aufforderung zum Rücktritt des irakischen Präsidenten Saddam Husseins und einem Gang ins Exil hatten Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten bereits vor der Konferenz ausgeschlossen.

Die Außenminister verständigten sich darauf, ihre Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts fortzusetzen. Ein weiteres Treffen solle gegebenenfalls in Damaskus stattfinden. Sie mahnten zugleich eine friedliche Lösung des Palästinenserproblems an.

Die irakische Führung hatte die Konferenz im Vorfeld kritisiert, unter anderem weil mit der Türkei und Iran zwei nicht-arabische Staaten an einer den Irak betreffenden Initiative beteiligt sind. Die Türkei, die zugleich mit Washington über eine „begrenzte“ militärische Unterstützung verhandelt, hatte im Rahmen ihrer „Friedensdiplomatie“ ursprünglich einen Regionalgipfel der Staats- und Regierungschefs angestrebt. Ägyptens Präsident Husni Mubarak sagte am Donnerstag in Kairo, er habe es abgelehnt, zu einem nicht ausreichend vorbereiteten Gipfel mit unklarem Ausgang zu reisen.

Saddam ordnet nach US-Angaben Ermordung kooperativer Experten an

Der irakische Präsident Saddam Hussein hat nach US-Informationen die Ermordung aller Wissenschaftler angeordnet, die bei der Befragung im Rahmen der UN-Waffeninspektionen kooperieren. Das gelte auch für die Familienangehörigen, sagte der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz am Donnerstag in einer Rede in New York. Darin listete er „Beweise“ für irakische Verstöße auf, die aus US-Sicht einen Militärschlag rechtfertigen würden.

Wolfowitz berief sich bei seinem Vorwurf auf Angaben aus „vielfachen“ Quellen. Nach den Worten des Vizeministers ist den USA auch bekannt, dass Wissenschaftler vor den Vernehmungen genau instruiert würden und irakische Geheimdienstoffiziere sich als Forscher ausgäben, um dann von den UN-Inspekteuren verhört zu werden.

Der stellvertretende Pentagon-Chef zählte in seiner Rede vor der Denkfabrik „Council on Foreign Relations“ hauptsächlich verschiedene Waffenarten auf, die der Irak nach US-Informationen besitze, aber in Saddams Dossier für die UN nicht aufgeführt seien. Dazu gehören nach Wolfowitz’ Worten beispielsweise Tonnen von Anthrax-Rohmaterial.

Der Minister beschuldigte den Irak außerdem, verstärkt Unterlagen über Waffenprogramme zu verstecken, etwa in Privathäusern, Farmgebieten und unter Moscheen, Universitäten und Krankenhäusern. Es gebe viele Berichte darüber und „andere Beweise“ dafür, sagte Wolfowitz. Die Bemühungen, Waffen und Dokumente über Waffenprogramme zu verbergen, würden von Saddams Sohn Kusai geleitet, der dafür die ihm unterstellte Eliteeinheit Republikanische Garde benutze.

Wolfowitz wies weiter darauf hin, dass der Irak technisch in der Lage sei, in Computer-Systeme der UN und der Internationalen Atomenergiebehörde einzudringen, um Informationen über Inspektionsmethoden und geplante -abläufe zu „stehlen“. Es sei wahrscheinlich davon auszugehen, dass der Irak solche Aktionen auch unternehmen werde.