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Kommando Spezialkräfte Die Profis

Sie lernen das Ausspähen, den Zugriff, das Töten. Ihren Job machen sie in Afghanistan, im Kosovo. Darüber reden dürfen sie nicht. Das KSK ist die geheime Eliteeinheit der Bundeswehr. Einblicke in eine verschworene Männerwelt.

Die Einsatzorte, sagt er, würde er mit verbundenen Augen erkennen: "Kosovo riecht nach Leichen. Afghanistan riecht nach Scheiße. Shit burning im Feldlager am Hindukusch, das vergisst du nicht." Drastische Worte, aber so war es eben. Oberstleutnant Thomas Staub×, klein und drahtig, legt sein bordeauxrotes Barett auf den Tisch im Offiziersraum. Er ist zurück in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw von einem Trip nach Chile, Brasilien, in die USA und nach Französisch-Guayana, wo er mögliche Ausbildungslager erkundete. Ihm gegenüber sitzt Oberstleutnant Martin Dösen. Er war gerade bei einer Spezialeinheit in Israel.

Die beiden Männer

gehören zum Führungskorps der Eliteeinheit der Bundeswehr: dem Kommando Spezialkräfte. Sie haben das KSK mit aufgebaut. Nur wenige wissen so viel wie sie über die geheimste Einheit der Bundeswehr. Sie sind selbstbewusst, verdammt selbstbewusst. Staub sagt: "Das hier ist eine andere Welt. Wir sind Kommandos. Vollprofis." Nur als Rambos wollen sie nicht gesehen werden. Dösen sagt: "Viele Politiker denken: Oh Gott, oh Gott, wenn sie uns loslassen, gibt das 'ne Blutspur. Die meisten Abgeordneten haben keinen Schimmer, was wir tun und was wir können."

KSK - das ist die Speerspitze einer Bundeswehr, die derzeit von Grund auf umgebaut wird: weg von der alten Verteidigungsarmee, hin zu einer Interventionsarmee, jederzeit bereit für weltweite Einsätze und Antiterrorkampf. Sie arbeiten mit Special Forces aus aller Welt zusammen. Lädt das KSK zum "Sniper-Workshop" in den Schwarzwald, kommen Scharfschützen aus England, Amerika und Israel: SAS, Delta Force, Sayeret Matkal. Typen, die Hunderte scharfer Einsätze hinter sich haben, Nordirland, Mogadischu, Libanon, und die so manchen Kameraden beerdigen mussten. "Die sind die Messlatte", sagt Staub.

Der KSK-Verband ist in Calw, Baden-Württemberg, stationiert. Für seine 1000 Soldaten gibt es 20 000 verschiedene Ausrüstungsartikel, mehr als eine ganze Bundeswehrdivision mit rund 9000 Mann benutzt. Dabei sind nur 110 KSK-Feldwebel "combat ready", weltweit einsetzbar in allen Klimazonen. Stab und Logistiker unterstützen sie, andere stecken noch in der dreijährigen Ausbildung - für Aufgaben wie "Retten und Befreien deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten und Geisel- situationen", "Gewinnen von Schlüsselinformationen", "Kampfeinsätze gegen Ziele mit Priorität im gegnerischen Gebiet". So heißt das im Bundeswehrdeutsch.

KSK-Soldaten

können Menschen durch einen Schlag auf Kehlkopfgrube oder fünften Rückenwirbel töten. Oder lautlos per Genickdrehhebel. Sie kennen Analysen sämtlicher Zugriffe von befreundeten Elitekommandos in entführten Zügen, Schiffen, Flugzeugen, sind auf Einsätze in Kernkraftwerken und Hochhäusern vorbereitet. Wie Biathleten am Schießstand steuern sie ihren Puls auf 170 Schläge pro Minute, um mit kontrollierter Aggression in Wohnungen von Verdächtigen einzudringen. Sie rollen nachts, eine Waffenkiste vorm Bauch, in 5000 Meter Höhe über die Flugzeugrampe ins dunkle Nichts und steuern den Fallschirm zur Landezone. Ihre Spezialisten berechnen den Wind so, dass ihr Schuss aus 1200 Metern ins Rohr eines Panzers trifft. Mit optronischem Gerät fertigen sie von Zielpersonen digitale Porträtfotos aus zwei Kilometer Distanz. Im Schneesturm vernähen sie die klaffende Wunde des Kameraden notfalls mit Schweinehaut. Niemand mault, wenn er eine Woche lang "body-to-body" mit seinem Kameraden im selben Schlafsack übernachtet.

Bernd Sähmer hat nach acht Jahren im Kommando "das Staunen verlernt". Der blonde Hauptmann kommt aus dem Ruhrgebiet, ist 38 Jahre alt und Chef der 3. Kommandokompanie. Supertyp, sagen alle. Manchmal zu emotional, sagt er selbst. Das KSK ist sein Traumjob, hier kann er Hobby und Beruf verbinden: Sähmer weiß alles über das "Flairverhalten von Fallschirmen" oder "Schirmfahrten mit eingeschränktem Sichtfeld". Er hat mehr als 3000 Absprünge, in Schweden sprang er mal aus 11 000 Metern ab, zwei Minuten und 45 Sekunden freier Fall. Seine längste "Gleitphase" betrug 64 Kilometer, "ein Wahnsinnsgefühl".

Solch ein Job hat seinen Preis. Jedem zweiten Mann hier läuft die Frau oder Freundin weg. Die ständigen Ausbildungslager, 250 Tage im Jahr weg von zu Hause, und das bei dem Verdienst - ein Hauptfeldwebel verdient 1900 Euro netto im Monat: Welche Frau macht das schon mit? Als Sähmers Verlobte ging, verhökerte er sein Motorrad, kaufte einen Wohnwagen und verlebte die Freizeit auf Sprungplätzen. Seine Neue war selbst aktive Springerin. Bei der Hochzeit landeten Freunde aus ein paar tausend Metern in einem Herz aus Rosen. Anderthalb Jahre später, im April 2004, endete auch diese Beziehung. Die Frau verkündete die Trennung am Telefon. Sähmer war mit seinen Männern in Arizona.

Dort war gerade

sein bester Freund in den Tod gestürzt. Sein Buddy, sie hatten 1996 gemeinsam die Aufnahmeprüfung geschafft. Sähmer spricht nicht über den Fall. Andere tun es schon. "Lemmo", Anfang 30 und mit 1600 Sprüngen hinter sich, übte mit einem kleinen Privatschirm. Spaßsprung, schnell, cool. Eine gewagte Drehung kurz vor der Landung, der Slider, das Fangleinen bündelnde Verzögerungstuch, rutschte ihm ins Gesicht, er sah nichts mehr. Schlug dumpf auf. Er wirkte fast unversehrt. Die Ärzte diagnostizierten Hirntrauma. 18 Stunden, dann willigten die Eltern in Deutschland ein: Am Krankenbett wurden die Maschinen abgestellt, Hirntod. Sähmer kümmerte sich um den Zinksarg. Der Tote hat in seiner "Shit-Map" alles geregelt - Auto, Lebensversicherung, Schlüssel, Testament. Sähmer sagt nur, er habe "auch eine gute Shit-Map".

Die Geschichte des KSK beginnt 1994, als belgische Spezialisten Mitarbeiter der Deutschen Welle aus einer Relaisstation im kriegsgeschüttelten Ruanda evakuieren. Deutschland hat damals keine Einheit für solche Einsätze; die GSG-9, Elitetruppe des Bundesgrenzschutzes, agiert in der Regel nicht in Kriegsgebieten. Zwei Jahre später entsteht das Kommando Spezialkräfte. Aus Konzepten anderer Eliteeinheiten entwickelt das KSK eigene Einsatzverfahren. Wie stürmt ein Team einen Raum mit "Tangos", Tätern? Soll der "Breacher" die Tür aufsprengen, der "Point-Man" das Weitere bestimmen? Nehmen wir dabei einen Hund mit wie die Israelis?

Strukturen kopieren die Deutschen

vor allem beim SAS im englischen Hereford, der Alma Mater aller Spezialkräfte. Teams aus vier Soldaten werden gebildet. Jeder ist, über seine normale Ausbildung hinaus, ein Spezialist: Waffenexperte oder Fernmelder, Sprengstoff-Fachmann oder Sanitäter. "Die Kameraden im Team kennst du besser als die eigene Mutter", sagt ein Kommando-Feldwebel. "Du vertraust ihnen ja dein Leben an. Sie verstehen dich, mit ihnen kannst du über alles reden. Mit deiner Familie darfst du das nicht." Geheimnisverrat wird mit bis zu zwölf Jahren Haft bestraft. Der Feldwebel sagt: "Meine Frau weiß, dass ich beim KSK bin und in welchem Land ich gerade arbeite. Was ich da mache, weiß sie nicht."

Nicht viele können solche Ansprüche erfüllen. Ein Team von Psychologen hilft mit Techniken gegen Stress und emotionales Verrohen. Günter Kreim, Experte für Teams im Leistungssport und bis Anfang 2004 Leiter des psychologischen Dienstes im KSK, hat 1995 ein Profil für Kommandosoldaten entwickelt. "Sie sind ausdauernd, können Schmerzen ertragen und unter Hochstress Leistung bringen. Sie sind verschwiegen, idealisieren nichts und ertragen auch, wenn mal lange nichts passiert", sagt er. Die Kandidaten brauchen Bürgen, Verfassungsschützer prüfen ihre Biografien. Viele KSK-Männer waren Jugendmeister im Boxen, Triathlon, Karate. Gelernte Elektriker und Abiturienten sind vertreten, Mechaniker und Metzger.

Der Ausbildungstest ist nach einem geflügelten Wort des früheren KSK-Chefs Reinhard Günzel "das Härteste, was man Menschen in einer Demokratie zumuten darf". 80 Prozent der Bewerber scheitern. Major Rinkel, ein ehemaliger Kommandosoldat, erzählt, wie er sich beim 160-Kilometer-Marsch müde und mit leerem Magen die Berge hochschleppte: "Das Schmalzfleisch am Versorgungspunkt frisst du dann wie ein Tier." Irgendwann steht jeder ausgelaugt in einem Bunker und wird acht Stunden lang verhört. Die Methoden, vom Wehrbeauftragten abgesegnet, erinnern an Guantánamo: grelles Licht, laute Rockmusik, Augenbinde, Eiseskälte, Wasser, das aus Eimern über den Kopf geschüttet wird. "Und versuch mal, eine Stunde lang beide Arme waagerecht auszustrecken", sagt der Major. "Du musst nur denken: Die brechen mich nicht!"

1998, der erste Einsatz des KSK. Die serbische Regierung weigert sich, Kriegsverbrecher an das Internationale Tribunal in Den Haag auszuliefern. Mit dem französischen COS kümmern sich die Männer um Oberstleutnant Staub um ein Gebiet südöstlich von Sarajevo. Fernmelder hören Telefonate und Polizeifunk in Foca ab. Aufklärer beobachten Milorad Krnojelac, einen Lehrer und Schuldirektor. Jeder von ihnen kennt den Haftbefehl aus Den Haag gegen den 57-Jährigen: Folter von Häftlingen, Verantwortung für den Tod von 29 Männern. "Ein richtiges Schwein", sagt ein KSK-Offizier.

Sechs Monate lang bereiten sie den "Hit", die Festnahme, vor. Andere Spezialeinheiten "gehen bei einem solchen Auftrag eine Woche ins Land, klären kurz auf und knipsen den Typen ab", sagt ein Insider. Die Deutschen in Foca wissen bald, wann der Schuldirektor ins Bett geht, wann er aufsteht, wie er zur Schule gelangt, wen er trifft. Im Schießhaus in Calw entstehen Modelle seiner Wohnung, mit Sesseln, Tischen, Fenstern. Dort wird der Zugriff hundertmal geübt. Am 15. Juni 1998 beginnt die Operation mit dem Codewort "Kilo 1". Ein amerikanischer Nato-General in Tuzla genehmigt das Einsatzkonzept. 22 Minuten später, um 7.17 Uhr, gibt der Schuldirektor auf. Bereits am Abend sitzt er in U-Haft im niederländischen Scheveningen. Die Kommandos sind nach 16 Stunden "im Raum" zurück in Calw. "So was ist das perfekte Soldatenglück", sagt ein KSK-Mann. "Wir hatten was bewirkt, alles machte Sinn."

Im Kosovo, in Bosnien

und Mazedonien haben die Deutschen in der Community der internationalen Spezialkräfte bald einen guten Namen. Doch es gibt auch Pannen. Im Herbst 2000 lassen sie sich im Kosovo zu einem "Cold Hit" breitschlagen, einem Eileinsatz ohne gründliche Risikoanalyse mit holländischen Soldaten. Sie übergeben mehrere verhaftete Serben den UN - und lesen tags drauf in der Zeitung, die Verdächtigen seien geflüchtet. Am 12. Oktober 2000 will das KSK in Foca den 43-jährigen Mechaniker Janko Janjic festnehmen, Operation "Kilo 2". Sie ahnen, dass der Paramilitär eine Handgranate bei sich trägt. Als sie ihn greifen wollen, kommt es zum Handgemenge, die Granate explodiert. Janjic stirbt. Drei der Deutschen werden schwer verletzt. Mit ihren zersplitterten Händen und Knien können sie nur noch im Stab in Calw arbeiten.

Als Entführer deutsche Touristen auf der philippinischen Insel Jolo festhalten, wird nicht das KSK eingeschaltet, sondern die GSG-9. "Wir haben gekocht vor Wut", sagt ein Feldwebel. "Das war Dschungel, vielleicht unlösbar, aber eine klassische Aufgabe für uns." Inzwischen wird das KSK vom Auswärtigen Amt stärker geschätzt. Als bei Unruhen in Bolivien Deutsche evakuiert werden mussten, berieten KSK-Experten, und als 2003 Deutsche in der Sahara entführt wurden, probten Kommandos aus Calw Rettungsaktionen.

Am 11. September 2001 wird Amerika angegriffen - bald ist klar, dass die USA in Afghanistan zurückschlagen werden. Oberstleutnant Staub fliegt ins Herzland der Taliban, hockt als Verbindungsoffizier in "Camp Rhino", einem Drecksloch südlich von Kandahar. Derweil bereiten sich 40 Kämpfer und 60 Unterstützer in einem Lager im Oman unter Führung eines US-Colonels vor. Mitte Dezember landen sie in Afghanistan. "Da mitten in der Nacht zu landen, alles neu, alles geheim", erzählt der Kampfmittelbeseitiger Robert Siegmann, "das war mein schönster Moment im KSK. Wie Weihnachten."

In Afghanistan arbeiten die Deutschen erstmals in einer multinationalen Koalition unter Führung der Amerikaner. Netzwerke der Taliban aufspüren, Strukturen zerstören, Waffenverstecke ausheben - das sind die Aufträge. Bei der Vergabe der Einsätze spüren die Deutschen die Arroganz der Supermacht, den Eigensinn der Briten, die Distanz der Franzosen. "Wir galten dort zunächst als dritte Garde", erzählt ein Ex-KSK-Offizier. Im Basislager am Flughafen von Kandahar arbeiten sie so, wie sie es gelernt haben, wenn eine "Mission" zu erfüllen ist.

Kommt ein Auftrag,

wird der Mission-Manager bestimmt. Er stellt einen Trupp zusammen, meist zwischen vier und zwölf Mann. Die gehen in den Isolationsraum, oft eine Lagerhalle, wo sie sich mehrere Tage abschotten. Jeder erhält Mappen mit allen verfügbaren Informationen, Satellitenbildern, 3-D-Geländekarten, Erkenntnissen der Geheimdienste, Rechtslage. Wetterdaten, Sonnenstand, Mondphasen - jedes Detail wird an eine Wand gepinnt. Jedes Gramm im Rucksack zählt, jeder Karabiner, jeder Fäkalbeutel. Welche Waffen brauchen wir? Wie viele Batterien werden mitgeführt, wie viel Wasser? Sie tragen T-Shirts und kurze Hosen, arbeiten in der Halle, schlafen dort. Das Einsatzkonzept entsteht. Geht es um "Direct Action", um einen Überfall mit potenziellem Feindkontakt, erläutert der Mission-Manager das Konzept dann einem US-General und einem Geheimdienstler. "Beim Back-Brief grillen sie mich dann, fragen fünf Stunden lang nach jeder Einzelheit", sagt Oberstleutnant Staub. "Da kommst du schweißgebadet raus."

In den Einsätzen in Afghanistan finden die deutschen Kommandos Waffenverstecke, spähen Dörfer aus, beteiligen sich an Gefechten, werden beschossen, geraten in Minenfelder, haben Verletzte, machen Gefangene. 3000 Meter hoch in den Bergen ist die Luft ziemlich dünn. "Wir haben mal für 600 Meter Gelände acht Stunden gebraucht", erzählt ein Hauptfeldwebel aus Celle. "Und dann liegst du in getarnter Stellung. Warten, gucken, warten, gucken. Kommt so eine blöde Ziege näher. Wir werfen Steine - nutzt nix. Wenig später ist der Hirte da, ein Alter. Du zielst auf ihn. Deine Dipolantenne ragt aus der Stellung. Der bückt sich runter zu dir, sagt ,Salem Aleikum" und geht ganz cool weiter. Du bist enttarnt, meldest das, verlegst die Stellung, und irgendwann holt dich der Helikopter da raus."

Nach der Rückkehr, die Tarnfarbe noch in den Gesichtern, besprechen die Soldaten die Details. "Da wird auch geschrien", sagt Oberstleutnant Staub. Es sind die Ame- rikaner, die hart nachfragen, weshalb der Oberfeldwebel den Ziegenhirten nicht "eliminiert" habe. Schallgedämpft abknallen, dann hätte er den Auftrag fortsetzen können. "Das mach ich nicht!", sagt der KSK-Aufklärer.

"Die Amis eliminieren

solche Bedrohungen tatsächlich", sagt ein Ex-Offizier des KSK. "Wir haben in Afghanistan gesehen, wie ekelhaft US-Soldaten mit Afghanen umgesprungen sind, Fußtritte und Kolbenstöße waren noch harmlos. Sie haben sie behandelt wie Untermenschen." Die Deutschen hätten auch erlebt, wie Amerikaner "bei der Operation Anaconda ganze Dörfer platt machten" und "Türschlösser rausrissen: Hier Jungs, frei zum Plündern". Der hochrangige Ex-KSK-Mann sagt: "Die Bilder von Abu Ghraib, das Foltern in irakischen Gefängnissen, haben mich absolut nicht überrascht."

Offiziell heißt es im Verteidigungsministerium, KSK-Soldaten hätten in Afghanistan nur eine Hand voll Gefangene gemacht und die wieder laufen lassen. Wahr ist, "dass wir immer Amerikaner dabeihatten, wenn Gefangene gemacht wurden. So haben die eben die Verdächtigen festgenommen, nicht wir". Eigentlich dürfen deutsche Soldaten Gefangene nicht an ein Land übergeben, in dem die Todesstrafe verhängt wird. "Im Grunde ist es eine Sauerei, unsere Jungs mit ungeklärter Rechtslage da reinzuschicken", sagt der Ex-Offizier. "Steht unser 28-jähriger Trooper mit einem Bein im Gefängnis, wenn die Amis seinen Gefangenen hinrichten?"

Nach einigen Monaten ziehen Amerikaner und Briten ihre Spezialkräfte aus Afghanistan ab. Sie bereiten sich auf den Krieg im Irak vor. Seit der Operation Anaconda, an der im März und April 2001 KSK-Kräfte teilnahmen, treten die Al-Qaeda- und Taliban-Kämpfer nicht mehr in Gruppen auf, die meisten sind über die Berge nach Pakistan verschwunden. Das KSK will sein Kontingent ebenfalls abziehen - doch es muss bleiben. "Aus dem sinnvollen Einsatz wurde ein politischer. Wir waren der politische Preis dafür, dass Deutschland die USA im Irak nicht unterstützte", sagt ein Offizier. "Unser Einsatz machte keinen Sinn mehr, solche Aufträge hätten auch andere erledigen können. Wir haben dort in der Wüste gehockt und Skorpione gefangen."

Spezialkräfte sind wie ein Dolch: Man muss mit ihm gezielt zustechen und ihn dann wieder schleifen für den nächsten Einsatz. In Afghanistan ist er angerostet. Ein Training, wie es die Kommandos brauchen, war dort nicht möglich. Dies hat sich seit der Rückkehr aller Kommandotrupps im Herbst 2003 geändert. Nun werden sie wieder geschliffen. Sie schleppen sich mit 35 Kilo Gepäck 40 Kilometer durch Höhen und Tiefen der Schwäbischen Alb. Sie stürmen am Frankfurter Flughafen eine gemietete Airbus-Maschine, am Dortmunder Bahnhof Zugwaggons. Bei Pfullendorf proben Sanitätsspezialisten "Bergen aus Minenfeld unter Beschuss". Der Wing-Tschung-Ausbilder erklärt dem Nachwuchs "78 Angriffsziele am menschlichen Körper". Und im Eignungstest verzweifeln neue Bewerber.

Im Gebäude 8 der Kaserne

in Calw faltet Oberstabsfeldwebel Diemann jeden zusammen, der nicht spurt. Der Flachbau gilt als beste Schießanlage der Welt, Einheiten aus mehr als 60 Staaten haben hier schon trainiert. Kameras zeichnen die "Hits" aus Sicht von Schütze und Zielperson auf. Ferngesteuerte Puppen dienen als Ziele, sie schreien, bewegen die Arme, brechen zusammen wie Menschen. "Wir bauen den Männern Stresstests mit blitzschneller Freund-Feind-Erkennung, bei denen keine zehn Prozent der Teilnehmer bestehen", sagt Diemann.

Dabei sei im Prinzip alles ganz einfach. "Schießen ist wie Auto fahren: reaktionelles Erinnerungsvermögen." So müsse das Handwerk auch im Einsatz beherrscht werden, emotionslos, als Mittel zum Zweck. "Insofern", sagt Diemann, "nehmen Sie mal das Plakat am Haupteingang dieser Halle nicht so ernst." Dort steht: "KSK - Schön, Dich zu treffen!"

Uli Rauss print

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