Wie geht's der CDU?
Schlecht. In Umfragen dümpelt die Partei bei rund 30 Prozent - zu wenig für eine Volkspartei. Der CDU laufen die Mitglieder davon. Die "Wirtschaftswoche" berichtete, dass bis zum Oktober in diesem Jahr bereits 27.000 Mitglieder ausgetreten seien. Die Gesamtzahl der Mitglieder ist demnach auf 559.000 gesunken. Die Zahl liegt so niedrig wie zuletzt 1974. Gegen Ende der Regierungszeit von Helmut Kohl habe die Partei noch 626.000 Mitglieder gehabt. Der "Spiegel" berichtete indes von lediglich 12.000 Austritten in den vergangenen zwölf Monaten.
Hochtrabende Pläne von Leipzig gestutzt
Vor allem aus dem bürgerlichen Lager der Partei fliehen die Mitglieder. Die "Wirtschaftswoche" berichtete, dass es sich bei 19 Prozent der Ausgetretenen um Selbständige und bei 37 Prozent um Angestellte handele. Das lässt zweierlei Interpretationen zu. Manche, wie der bisherige Vize-Vorsitzende Christoph Böhr, behaupten, die CDU habe sich nicht ausreichend um die Mittelschicht gekümmert, die, gerade auch im Zuge der aufbrandenden Unterschichtsdebatte, an Abstiegsängsten leide. Eine andere Interpretation würde besagen, dass sich ein Großteil der bürgerlichen Klientel schlicht programmatisch verschaukelt fühlt: Mit großen Tamtam hatte die CDU auf ihrem Leipziger Parteitag 2003 umfassende, liberale Formen verkündet, eine Auflockerung des Kündigungsschutzes etwa. Nach der De-Facto-Wahlschlappe im Jahr 2005 ist von diesen hochtrabenden Plänen nunmehr jedoch kaum noch etwas zu hören. "Uns laufen die Mitglieder in Scharen zur FDP davon", sagt eine, die es wissen muss, aus dem mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen.
Es fehlen herausragende Köpfe
Die CDU hat derzeit erhebliche Schwierigkeiten, inhaltlich Profil zu zeigen. Zwar hat sie immer noch Flügel - die Herz-Jesu-Sozialisten, die Neoliberalen, die Wert- und - ja, von denen gibt's auch noch ein paar - die Nationalkonservativen. Aber zum einen fehlt es fast allen Flügeln an herausragenden Köpfen - die Liberalen konnten den streitbaren Friedrich Merz bislang nicht ersetzen, zum anderen fehlt es der Partei an einer gemeinsamen Idee, die alle Flügel und die Basis einbindet. In der großen Koalition verwässert das Profil zudem, weil man sich mit dem große "anderen", dem großen Gegner SPD, plötzlich in einer Zwangsehe wiederfindet. Wenn dann noch, wie bei dem Hickhack um die Gesundheitsreform, handwerkliches Ungeschick von Seiten der Regierung dazu kommt, drückt das erheblich auf die Laune.
"Das wird ein nüchterner Parteitag"
Ein wenig Aufbruchstimmung tut also bitter Not. Ob Parteichefin Merkel genau diese in Dresden erzeugen kann, ist mehr als zweifelhaft. Eigentlich, so scheint es, ist die Parteiführung vor allem froh, dieses Jahr halbwegs über die Runden gebracht zu haben. Bis Jahresende wünscht man sich eigentlich nichts anderes als Ruhe. Entsprechend sprach auch Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder im stern.de-Interview nicht von einer zentralen Botschaft, die von dem Parteitag ausgehen werden, sondern konstatierte einfach: "Das wird ein nüchterner Parteitag."
Was ist für Dresden geplant?
Formal dauert der Parteitag in Dresden von Montag bis Dienstag. Am Sonntagnachmittag tagen jedoch bereits das Präsidium und der Parteivorstand in der sächsischen Landeshauptstadt. Am Abend wird ein Presseempfang abgehalten. Gleichzeitig treffen sich die 1001 Delegierten mit ihren jeweiligen Landesverbänden. Wer es bis dahin noch nicht weiß, dem wird dann gesagt, wie er am Montag und Dienstag nach dem Willen des Landesfürsten abstimmen soll.

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Am Montag wird gewählt
Am Montag stehen die wichtigen Vorstandswahlen an. Dabei wählen die 1001 Delegierten der CDU-Landesverbände die Parteivorsitzende, deren vier Stellvertreter, den Generalsekretär, den Schatzmeister, die sieben weiteren Mitglieder des Präsidiums, sowie den Vorstand. Am Montagabend wird im Rahmen des so genannten "Sachsenabends" mit den Delegierten gefeiert. Am Dienstag darf dann CSU-Chef Edmund Stoiber ein Grußwort an die Delegierten richten. Das ist schön pikant, weil sich derzeit ja alle fragen, wie das denn nun echt war mit dem Schröderschen Angebot an den Bayern kurz nach dem Wahlabend 2005, dass man Angela Merkel doch gemeinsam entmachten könne.
Richtungsdebatte am Dienstag
Ebenfalls am Dienstag wird eine Reihe von Anträgen zur Bildungs-, Sozial- und Außenpolitik diskutiert. Dabei dürfte die Debatte um den Antrag des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen zur Verlängerungen der Zahlung des Arbeitlosengeldes I für Aufruhr sorgen. Hier geht es um den vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten vom Zaun gebrochenen Richtungsstreit. Am Dienstagmittag ist Schluss.
Muss Merkel bangen?
Nein, muss sie nicht, auch wenn am Montag interessant wird, was für ein Stimmergebnis Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Wiederwahl zur Parteivorsitzenden erhält. Bei ihrer letzten Wahl 2004 auf dem Parteitag in Düsseldorf erhielt sie 88,4 der Stimmen. Diesmal, so mutmaßen, Beobachter, könnte sie wieder über 90 Prozent schaffen. "Merkel wird mit ihrem Ergebnis besser liegen als vor zwei Jahren", zitierte die Nachrichtenagentur DPA einen langjährigen Vertrauten der Kanzlerin. In ihrer Rede vor dem Wahlgang werde sie herausstellen, was sie mit der großen Koalition erreicht habe. Die aktuellen, günstigen Wirtschaftsdaten, könnten ihr dabei helfen. Zudem, so heißt es, werde sie ein klares Bekenntnis zu dem liberalen Reformprogramm ablegen, dass die CDU auf ihrem Leipziger Parteitag im Jahr 2003 beschlossen hat.
Mit einem Denkzettel muss Merkel kaum rechnen
Trotz dieser Prognose trifft Merkel auch in den eigenen Reihen auf Skepsis. Nach wie vor herrscht Frust über das Bundestagswahlergebnis 2005. Damals hatten viele Mitglieder der Unionsparteien CDU und CSU fest mit dem Sieg eines schwarz-gelben Bündnisses gerechnet. In letzter Minute verspielte die Union den Sieg durch strategische Fehler und einen als zu kaltherzig empfundenen Wahlkampf. Dennoch muss Merkel kaum mit Strafaktionen der Delegierten rechnen. Es wäre ein schlechtes Signal, wenn die eigene Partei die Chefin nun schwächen würde, gerade in einer Phase, in der sie ab Januar 2007 zudem als EU-Vorsitzende wieder verstärkt auf internationalem Parkett glänzen wird können. Deshalb werden Unzufriedene entweder gar nicht wählen und während der Wahlen einfach in der Cafeteria der Dresdner Messe sitzen bleiben - oder sie werden sich einen Sündenbock suchen: Generalsekretär Ronald Pofalla etwa.
Wird Pofalla zum Sündenbock?
Das ist gut möglich. Kennen Sie Ronald Pofalla eigentlich? Nein? Das ist der CDU-Generalsekretär, ein Mann mit leicht näselnder Stimme und ordentlichem Scheitel. Und ein Mann mit derzeit vielen Problemen.
Für das erste dieser Probleme kann Pofalla selbst wenig, denn daran ist die große Koalition schuld. Eigentlich sind Generalsekretäre dazu da, die eigene Partei zu unterhalten, sie zu motivieren, zu mobilisieren, gern auch mal mit deftigen Beleidigungen des Gegners. In einer großen Koalition gestaltet sich das mit dem Beleidigen schwierig. Der größte Gegner lässt sich nun schlecht runtermachen, denn er ist ja nun der beste Freund. Für Pofalla ist es also strukturell schwerer, sich zu profilieren als für viele seiner Vorgänger.
Und dennoch wird dem Merkel-Vertrauten von den eigenen Leuten vorgehalten, dass er zu selten einfach mal ausbüchse, auch wider den Willen der Chefin, als deren enger Vertrauter der Mann aus Nordrhein-Westfalen gilt. Für Pofallas zweites Problem kann Pofalla noch mehr: Er hat sich seit seiner Wahl im Februar dieses Jahres nicht immer besonders geschickt angestellt in seinem Job. Beispielsweise pochte er noch mit aller Vehemenz auf die Aufweichung des Kündigungsschutzes als selbst die Unternehmen von entsprechenden Forderungen bereits Abstand genommen hatten. Taktisch sah das doof aus.
Nachhilfestunden bei Alexander Niemetz
Auch im Umgang mit NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers offenbarte der 47-jährige Jurist Schwächen. Am Tag, bevor die nordrhein-westfälische CDU entschied, auf dem Parteitag ihren mittlerweile berüchtigten Arbeitslosengeld-I-Antrag einzubringen, verkündete Pofalla im Fernsehen, dass dies mit ihm nicht zu machen sei. Es sah nicht gut aus, dass der CDU-Generalsekretär anschließend öffentlich klein bei geben musste. Angelastet wird ihm auch eine programmatische Schwäche bei der Führung der Grundsatzkommission, deren Rolle gerade in diesen Zeiten des inhaltlichen Irrlichterns besonders wichtig ist.
Zudem hat Pofalla noch ein weiteres Problem, für das er allerdings wiederum wenig kann, weil daran Angela Merkel Schuld ist. Wenn die Delegierten des Parteitags mit ihr nicht zufrieden sind, kann es sein, dass er, der Generalsekretär, als Sündenbock herhalten muss. Die Kanzlerin darf man kaum abstrafen, ihren Generalsekretär schon. Und so kann es sein, dass Pofalla bei seiner Wiederwahl am Montagnachmittag tatsächlich ein Ergebnis erhält, das weit unter jenen 97,4 Prozent liegt, die er im Februar dieses Jahres einfahren durfte. Um zumindest seinen rhetorischen Auftritt zu verbessern nahm Pofalla übrigens, wie die Zeitschrift "Capital" berichtete, vorab schon einmal Nachhilfestunden: bei dem ehemaligen "Heute-Journal"-Moderator Alexander Niemetz.
Koch? Wulff? Rüttgers? Wer wird die Nummer zwei?
Gewiss ist nichts. Das Schöne an der Politik ist ja, zumal in einer Demokratie, dass es sich um ein immer währendes, bisweilen durchaus unterhaltsames Spiel handelt, das sich an zwei einfachen Fragen orientiert. Welcher Spieler hat heute die Macht? Und was unternehmen die anderen, um sie morgen zu erlangen? In der CDU ist das auch so, und das macht sie derzeit besonders unterhaltend: Weil aber Angela Merkel bis auf Weiteres als Nummer eins gesetzt ist, rangeln derzeit drei Männer vom Lande um den inoffiziellen Platz zwei - die "Pole Position" im Rennen um die Nachfolge des Alpha-Weibchens. Da wären: Roland Koch aus Hessen, Christian Wulff aus Niedersachsen und Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen. Alle drei werden am Montagnachmittag in Dresden - neben Bildungsministerin Annette Schavan - zu Vize-Parteichefs gewählt werden. Sie treten nicht direkt gegeneinander an. Es gibt keine Kampfkandidaturen. Entscheidend ist daher das relativ beste Ergebnis. Wen belohnen die 1001 Delegierten? Wen strafen sie ab?
Wulffs Aussichten sind die besten
Die Aussichten des Niedersachsen Wulff auf einen Erfolg am Montag sind derzeit am besten. Wulff hält sich aus der Bundespolitik zumeist zurück, kritisiert Merkel öffentlich so gut wie nie, was ihn freilich nicht davon abhält, hinter den Kulissen ordentlich über die Chefin zu lästern. Die Strategie scheint sich zumindest in der Öffentlichkeit auszuzahlen In zwei Umfragen kurz vor dem Parteitag lag der 47-Jährige mit dem Schwiegersohn-Image weit vor seinen Kontrahenten. Bei der letzten Wahl zum Partei-Vize vor zwei Jahren erhielt er 86,9 Prozent der Stimmen.
Oder wird Koch die Nummer zwei? Der Hesse hat sich im vergangenen Jahr als loyaler Helfer der Kanzlerin hervorgetan und sich vor allem durch seine Kompetenz in der Wirtschafts- und Finanzpolitik empfohlen. Vor wenigen Wochen handelte er etwa mit Finanzminister Peer Steinbrück die Unternehmenssteuerreform aus. In Hessen muss sich der 48-Jährige nun allerdings mit Erpressungsvorwürfen der Freien Wähler auseinandersetzen, die in einem Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden sollen. Das könnte ihm schaden. Bei der letzten Wahl erhielt Koch 72,4 Prozent der Stimmen.
Was hält die Partei von Rüttgers?
Als dritter Ministerpräsident tritt Jürgen Rüttgers an. Seit seinem Wahlsieg 2005, spätestens aber seit diesem Sommer, versucht Rüttgers, sich als soziales Gewissen der Partei zu profilieren. In einem stern-Interview forderte er seine Partei im Sommer auf, sich von "Lebenslügen" zu verabschieden und ihr soziales Profil zu schärfen. Gemeint waren vor allem die als liberal geltenden Beschlüsse des Leipziger Parteitags von 2003.
Vor dem Dresdner Parteitag sorgte Rüttgers für Aufruhr, weil er einen Antrag erzwang, der vorsieht, älteren Arbeitslosen eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I zu gewähren. Mit der Wahl des 55-Jährigen zur Nummer zwei würden die Delegierten ein klares Signal für einen Linksruck der Partei setzen. 2004 erhielt Rüttgers 79,3 Prozent der Stimmen.
Mit einem guten Ergebnis kann am Montag Bildungsministerin Annette Schavan rechnen. De facto spielt sie im Rennen um die Merkel-Nachfolge zwar keine Rolle. Deshalb kann es aber durchaus so sein, dass sie das beste Ergebnis der Stellvertreter erhält. 2004 kam sie auf 78,5 Prozent.
Gibt es ein Signal für einen Linksruck?
Vielleicht. Die Fragen sind offen: Gieren die Delegierten nach einem Schuss mehr programmatischer Herzenswärme, nach einer Rückkehr zu einem Herz-Jesu-Sozialismus à la Norbert Blüm? Oder stützt die Partei die liberalen Ziele des Leipziger Parteitags von 2003, die Parteichefin Angela Merkel als eine ihrer zentralen Errungenschaften begreift? Kurz: Was will die CDU? Welche Richtung will sie künftig einschlagen? Welcher Flügel hat das Sagen?
Düsseldorfer Vorstoß
In Dresden wird sich diese Frage vor allem an einem Thema festmachen: An dem Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose zu verlängern. Im Kern geht es darum, dass die Hartz-IV-Gesetze bisher vorsehen, dass fast alle Arbeitslosen zwölf Monate lang das Arbeitslosengeld I erhalten. Rüttgers hält das für ungerecht. Er sagt, wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, müsse auch länger Geld erhalten. Die zusätzlichen Kosten, die Arbeitsminister Franz Müntefering auf 700 Millionen Euro veranschlagt hat, sollen, wie das so schön heißt, "aufkommensneutral" aufgebracht werden. "Diese Gegenfinanzierung ist zu leisten, und das geht auch sehr solide", sagte Generalsekretär Ronald Pofalla am Wochenende. Aber weil auch diese 700 Millionen irgendwo konkret herkommen müssen, wird gemutmaßt, dass jüngere Arbeitslose die Leidtragenden dieses Plans sein könnten. Weil sie noch nicht so lange in die Versicherung einzahlen, könnte eine Lösung darin bestehen, ihre Bezugsdauer auf unter zwölf Monate zu streichen.
SPD in Bedrängnis
Die Pläne sind keineswegs neu. Schon auf dem Düsseldorfer Parteitag 2003 verabschiedete die CDU einen ähnlichen Beschluss. Nur umgesetzt worden ist er bislang noch nicht, er war tot. Deshalb ist der erneute Antrag, den nun der mächtige Landesverband Nordrhein-Westfalen auf Betreiben seines Chefs Jürgen Rüttgers hin eingebracht hat, in erster Linie eine öffentlichkeitswirksame politische Kampfansage an die Liberalen in den eigenen Reihen: Vergesst Leipzig, lautet die! Wir sind die Partei des sozialen Gewissens! Eine Mehrheit für den Antrag könnte gut als Auftrag der Delegierten interpretiert werden, die Partei ein Stück weit nach links zu verschieben. Ob der Antrag dann auch tatsächlich umgesetzt würde, ist ein völlig anderes Thema. Die SPD und allen voran Arbeitsminister Franz Müntefering - verkehrte Welt! - lehnt die Idee ab. Sie will die Hartz-IV-Reformen nicht aus den Angeln heben. Auch in der CSU-Landesgruppe in Berlin regt sich Widerstand. Aber weil die Münchner CSU-Granden den Rüttgers-Plan prima und vor allem volksnah finden, muss sich die Partei-Dependance in der Hauptstadt erst einmal fügen.
"Beerdigung erster Klasse"
Die Gemengelage in der CDU ist so unübersichtlich, dass unklar ist, ob der Antrag überhaupt auf dem Parteitag durchkommt. Lange hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im der Sache zurückgehalten. Aber nachdem Bundespräsident Horst Köhler den Rüttgers-Vorschlag in der vergangenen Woche öffentlich rügte, fühlte sich die Kanzlerin gezwungen, ihn demonstrativ zu unterstützen. Irgendwie entspricht das der gefühlten Stimmung an der Basis. Unterstützung erhielt Rüttgers auch von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer. Nur ist der leider in der CSU.
Gegenwind gibt es von den Ministerpräsidenten Günther Oettinger aus Baden-Württemberg und Georg Milbradt aus Sachsen. Oettingers Landesverband hat für den Dienstag ebenfalls einen Antrag eingebracht, der die Reformbeschlüsse des Leipziger Parteitags noch einmal aufgreift. Damit soll ein Gegengewicht zu dem Rüttgers-Vorschlag geschaffen werden. Milbradt sagte am Wochenende, er rechne damit, dass die Delegierten Rüttgers' Plänen eine "Beerdigung erster Klasse" bereiten würden. Angesichts des Widerstands in der Bundestagsfraktion der Union sowie bei der SPD habe dsa Vorhaben ohnehin keine Chance auf Umsetzung.
Rüttgers, dem Urheber der neuerlichen Richtungsdiskussion, kann es dabei schon fast egal sein, ob der Antrag nun durchkommt oder nicht: Ihm ist es in jedem Fall gelungen, sein Profil zu schärfen.
Und was geschieht sonst noch?
Die Wahlen sind wichtig, die Rüttgers-Debatte, aber was passiert sonst noch auf dem Parteitag? Eckart von Klaeden, bisher außenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, wird neuer CDU-Schatzmeister. Die Kanzlerin signalisiert von Klaeden so, dass sie ihm wieder ein bisschen mehr vertraut. Ursprünglich galt der Niedersachse als ihr Vertrauter. Weil er aber im Visa-Untersuchungsausschuss im vergangenen Jahr in der direkten Auseinandersetzung mit Joschka Fischer eine unglückliche Figur gemacht hatte, war er eine Zeit lang in Ungnade gefallen. Diese Art des innerparteilichen Stubenarrests ist für von Klaeden jetzt offenbar vorbei.
Neben dem Schatzmeister werden noch sieben weitere Posten im Parteipräsidium besetzt. Es treten an: Karl-Josef Laumann, Chef des Arbeitnehmerflügels CDA und Arbeitsminister in NRW, Familienministerin Ursula von der Leyen, Hildegard Müller, Staatsministerin im Kanzleramt, Innenminister Wolfgang Schäuble, Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, die Staatsministerin für Integration Maria Böhmer, Friedbert Pflüger, der Fraktionschef der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm. Einer und eine fliegt raus, wobei schon Wetten abgegeben werden, dass gerade Schönbohms Chancen nicht zum Besten stehen.
Forderung nach beitragsfreiem Kindergartenangebot
Inhaltlich werden die Delegierten am Dienstag wohl einen Antrag zur Gewinnbeteiligung von Arbeitnehmern verabschieden. In dem Text heißt es, dass Arbeitnehmer einen "fairen Anteil am Volkseinkommen" erhalten sollen - über eine Beteiligung am Gewinn oder am Kapital eines Unternehmens. In dem Antrag macht sich die Parteiführung für eine "nachgelagerte Besteuerung" stark. Steuern sollen erst dann fällig werden, wenn Beteiligungen ausgezahlt oder Aktien verkauft werden. In einem weiteren Antrag zur Bildungspolitik räumt die CDU Ausgaben für Einrichtungen und Maßnahmen zur Bildung und Betreuung Priorität ein. "Wir wollen mittelfristig den Kindergartenbesuch beitragsfrei anbieten", heißt es. In der Außenpolitik sie ein Antrag vor, dass die EU nach der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens erst einmal keine neue Staaten aufnehmen soll, vielleicht höchstens noch Kroatien, solange der Verfassungsvertrag nicht unter Dach und Fach ist. Gegenüber der Uno bekennt sich die CDU vorsichtig zur Forderung nach einem ständigen deutschen Sitz im Sicherheitsrat.